Lexikon der Biologie: spleißen
spleißen, RNA-spleißen, splicing, das Herausschneiden von Intron-RNA-Sequenzen (= intervenierende Sequenzen; Intron) und die gleichzeitige kovalente Verknüpfung von Exon-RNA-Sequenzen (Exon) bei der Prozessierung von Primärtranskripten mosaikartig aufgebauter Gene (Mosaikgene; Genmosaikstruktur [Abb.]) im Zellkern, in Mitochondrien und Plastiden. Durch das Spleißen bilden sich aus den primär synthetisierten längerkettigen RNA-Vorstufen (im Zellkern als hn-RNA bezeichnet) die reifen und – nach weiteren Modifikationen – funktionell aktiven RNAs (Ribonucleinsäuren, Translation), deren Kettenlängen je nach Anzahl und Längen der herausgeschnittenen intervenierenden Sequenzen meist erheblich verkürzt sind. Durch sog. trans-Spleißen können auch weit voneinander entfernte, auch auf verschiedenen DNA-Strängen liegende Exonen nach eigenständiger Transkription zum reifen Transkript miteinander verbunden werden. Da Genmosaikstrukturen sowohl bei mRNA- (messenger-RNA), d.h. Protein-codierenden (Proteine), als auch bei rRNA-Genen (ribosomale RNA, rRNA-Gene) und tRNA-Genen (transfer-RNA) gefunden wurden, ist Spleißen ein essentieller Prozessierungsschritt bei allen 3 RNA-Klassen ( ß vgl. Infobox 1 ). Der Spleißvorgang muß äußerst präzise an den Exon-Intron-Grenzen erfolgen, da eine Abweichung in nur 1 Nucleotid eine Leserasterverschiebung (Rastermutation) und im Falle einer mRNA eine völlig andere Aminosäuresequenz (Primärstruktur) des codierten Proteins zur Folge hätte. Beispielsweise beruhen einige Formen der Thalassämie auf falschem Spleißen der prä-mRNA durch Mutation einer einzigen Base (Nucleinsäurebasen) in den entsprechenden Globin-Genen(cryptic splice sites). Hoch konservierte Consensus-Sequenzen gewährleisten normalerweise die notwendige Präzision. Bei Intronen von mRNA-Primärtranskripten im Zellkern sind dies: GU (Guanin, Uracil) am 5'-Ende, AG (Adenin, Guanin) am 3'-Ende (5'- und 3'-Spleißstelle), ein pyrimidinreicher (Pyrimidin) Abschnitt (Polypyrimidintrakt) nahe dem 3'-Ende und ein Adenosinrest (Adenosin) 20–50 Nucleotide stromaufwärts (upstream) vom 3'-Ende (sog. Verzweigungsstelle) ( ß vgl. Abb. 1 ). Dazwischen liegende Sequenzen können fast beliebig – auch zwischen verschiedenen Spezies – mittels gentechnologischer Methoden (Gentechnologie) ausgetauscht, verlängert oder verkürzt werden. Die dem Spleißen der Kern-mRNA zugrundeliegenden Einzelreaktionen werden durch mehrere sog. UsnRNPs (Ribonucleoproteine) katalysiert, die im Kern von Säugerzellen in einem als Spleißosom bezeichneten Komplex zusammengefaßt sind ( ß vgl. Abb. 2 ). Uridin-reichen RNAs (UsnRNAs) kommt dabei sowohl bei der Ausrichtung der Spleißstellen als auch bei der eigentlichen Katalyse eine Schlüsselrolle zu. – Das Spleißen bestimmter intervenierender Sequenzen kann auch allein aufgrund der Sekundärstruktur und Tertiärstruktur der betreffenden RNAs erfolgen (sog. Selbstspleißen oder Autospleißen;autosplicing; ß vgl. Infobox 2 ). Diese Beobachtung, zuerst beim Spleißen der 26S-rRNA aus dem Wimpertierchen Tetrahymena (Hymenostomata), inzwischen aber an zahlreichen anderen RNAs nachgewiesen, hat wesentlich zur Auffassung beigetragen, daß außer Proteinen auch RNAs katalytische Wirkung entfalten können (Ribozyme). Es scheint daher möglich, daß während der präbiotischen Evolution RNAs zuerst als „Enzyme“ aktiv waren (RNA-Welt), bevor in einer späteren Phase der Evolution Proteine die Rolle der Biokatalysatoren (Enzyme) weitgehend übernahmen. Bei den Primärtranskripten bestimmter proteincodierender Gene, wie z.B. der Immunglobulin-Gene und Gene der Adenoviren und Polyomaviren, können alternative Exon-Intron-Grenzen in der Spleißreaktion umgesetzt werden, wodurch, ausgehend von einem gemeinsamen Primärtranskript, verschiedene mRNAs als Prozessierungsprodukte entstehen, durch die sich wiederum verschiedene Proteine (trotz gleicher codierender DNA!) bilden. Dieses sog. differentielle Spleißen oder alternative Spleißen gilt als Beispiel für die Regulation von Genaktivitäten (Genregulation) auf der Ebene des RNA-Prozessierens. Biochemie (Geschichte der), Chromosomen, Colinearität, differentielle Genexpression, Protein-Spleißen, Prozessierung (Abb.), small nuclear RNA, small nuclear RNP, Snurposomen.
M.B.
spleißen
1 Für den Spleißvorgang wichtige Sequenzen von Intronen auf mRNA-Primärtranskripten, u.a. GU am 5'-Ende, AG am 3'-Ende und die Verzweigungsstelle mit einem Adenosinrest 20–50 Nucleotide stromaufwärts (upstream) vom 3'-Ende.
spleißen
2 Spleißen eines mRNA-Primärtranskripts im Zellkern. In Säugerzellen wird der Spleißvorgang durch Basenpaarung zwischen der im UsnRNP-Partikel (Spleißosom) enthaltenen U1-RNA und der 5'-Spleißstelle eingeleitet. Ausgehend von diesem Komplex vollzieht sich die Spleißreaktion unter Mitwirkung der U4-, U5- und U6snRNPs in 2 Schritten: 1) Umesterung durch Spaltung der Exon-Intron-Grenze an der 5'-Seite der Intronsequenz und Bildung einer 2',5'-Phosphodiesterbindung zwischen dem Adenosinrest der Verzweigungsstelle und dem 5'-terminalen Phosphat des Introns. Es entsteht eine sog. Lariatstruktur oder Lassostruktur. 2) Umesterung durch Angriff der freien 3'-OH-Gruppe des abgespaltenen Exons auf die 3',5'-Phosphodiesterbindung der 3'-Spleißstelle. Die beiden Exonen werden verknüpft und das Intron freigesetzt, dessen Lassostruktur enzymatisch zu linearer RNA aufgelöst wird.
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