Lexikon der Biologie: Sterilisation
Sterilisationw [von *steril- ; Verb sterilisieren, Adj. steril], 1) Medizin und Zoologie: künstliche Unfruchtbarmachung, a) durch operative Durchtrennung der Samenstränge bzw. der Eileiter (Ovidukt); die Keimdrüsen und ihre Funktion bleiben im Gegensatz zur Kastration erhalten; b) bei Tieren auch durch ionisierende Strahlen. Die Sterilisation dient beim Menschen der Empfängnisverhütung, bei Tieren zur Vermeidung unerwünschter Trächtigkeit (z.B. bei Heim- und Haustieren) sowie zur biologischen Schädlingsbekämpfung, z.B. bei der Sterilisierung männlicher Fliegen (Autozidverfahren; Chemosterilantien, Sterilantien). Bei der Sterilisation des Mannes werden unter örtlicher Betäubung die direkt unter der Haut des Hodensacks (Hoden) liegenden Samenleiter durchtrennt – mit der Folge, daß keine Spermien mehr in den Samenerguß (Ejakulat) gelangen. Bei der Frau werden, meist unter Voll-Narkose, die beiden Eileiter (Ovidukt) durchtrennt und verschorft oder mit Clips verschlossen, so daß die Oocyte (Eizelle) sich nicht mehr mit einem Spermium vereinigen kann (Befruchtung). Beide Verfahren haben den Vorteil, daß sie normalerweise keinen Einfluß auf die sexuelle Erlebnisfähigkeit (sexuelle Lust) haben und die sicherste Methode zur Empfängnisverhütung sind. Sie sind jedoch auch als endgültig zu betrachten, da die Versuche, eine Sterilisation rückgängig zu machen, in den meisten Fällen nicht gelingen. – Im Nationalsozialismus wurde 1933 mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ die Zwangssterilisation von Menschen vorgeschrieben, die man für genetisch „belastet“ hielt (Eugenik). Sterilisation gegen den Willen der Betroffenen wird heute nach dem Strafgesetzbuch als schwere Körperverletzung geahndet. Sterilität. 2) Mikrobiologie: Entkeimung, Abtötung aller pathogenen (Pathogene) und nicht-pathogenen Mikroorganismen einschließlich der Sporen (Bakterien) und Inaktivierung aller Viren oder infektiöser Partikel, die sich in oder an einem Produkt oder Gegenstand befinden. Filtration, bei der neben lebenden auch tote Zellen und Viren vollständig abgetrennt werden, zählt ebenfalls zur Sterilisation (Sterilfiltration). Doch werden durch normale Entkeimungsfilter (Bakterienfilter) besonders kleine Bakterienformen und Viren nicht oder nur unvollständig zurückgehalten, so daß in der Regel nur eine partielle Sterilisation erreicht wird. Die Bedeutung von „steril“ oder „Sterilität“ ist umstritten, da bei einer Prüfung auf Sterilität (Keimfreiheit) nur festgestellt werden kann, ob die Produkte „frei von vermehrungsfähigen Keimen“ auf bestimmtenNährböden sind. Das schließt nicht aus, daß noch lebende Keime vorhanden sind, die sich unter anderen, nicht geprüften Wachstumsbedingungen vermehren können (Keimzahl, Kochsches Plattengußverfahren). – Die Sterilisation umfaßt physikalische und chemische Methoden. Vegetative Zellen werden durch Hitze und andere Sterilisationsmethoden in der Regel relativ schnell abgetötet. Die Verwendung von hohen Temperaturen bzw. langen Einwirkungszeiten ist wegen der Hitzeresistenz von Endosporen notwendig. Die sicherste Methode ist die Behandlung mit feuchter Hitze (gespanntem Dampf) im Autoklaven bei 115 °C (35 min) oder 120 °C (20 min), in dem relativ hitzeunempfindliche Gegenstände und viele Nährlösungen sterilisiert werden können. Die Abtötung der Mikroorganismen während der Sterilisation ist von mehreren Faktoren abhängig. Bei der Verwendung von trockener Hitze sind Temperaturen von 160 °C (1,5 h) oder 180 °C (0,5 h) notwendig, um eine vollständige Abtötung der Mikroorganismen und Sporen zu erhalten. Diese Methode ist besonders für Glasgeräte (Anzuchtskolben, Pipetten) geeignet. Hitzeempfindliches Kunststoffmaterial (z.B. Petri-Schalen) läßt sich mit Ethylenoxid sterilisieren. Da dieses Gas aber außerordentlich giftig und möglicherweise auch cancerogen ist (Krebs), wird es zunehmend weniger angewandt – an seiner Stelle werden ionisierende Strahlen eingesetzt. Insbesondere Gammastrahlen eignen sich für Materialien, die gegenüber Hitze und Ethylenoxid empfindlich sind (z.B. Katheter, Verbandsstoffe). Auch Betastrahlen(Elektronensterilisation) und UV-Strahlung (Ultraviolett) lassen sich zur Sterilisation einsetzen. Die Abnahme der Lebendkeimzahl im Verlauf der Sterilisation folgt der Absterbe- oder Inaktivierungskinetik Nt = N0·e–kt, mit den Anzahlen der Lebendkeime N0 und Nt zu Beginn und zum Zeitpunkt t des Sterilisationsablaufs sowie k als Absterberate (mikrobielles Wachstum). Im Unterschied zur Sterilisation wird bei Teilentkeimung nur eine partielle Abtötung und/oder eine Inaktivierung bzw. Entwicklungshemmung erreicht, z.B. bei verschiedenen Verfahren der Konservierung und Desinfektion sowie bei der Pasteurisierung. Autosterilisation, Lebensmittelbestrahlung, Mikrowellen, Reinraum, Schimmelbusch (C.T.), Ultraschall, Uperisation.
G.S./J.O./U.K.
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