Lexikon der Biologie: Stridulation
Stridulationw [von latein. stridulus = schwirrend; Verb stridulieren], Strigilation, bei Gliederfüßern, insbesondere bei Insekten, weit verbreitete Art der Lauterzeugung (Lautäußerung), indem 2 gegeneinander bewegliche Cuticulapartien (Cuticula) gerieben werden ( vgl. Abb. ). Diese Abschnitte sind dann entsprechend differenziert in eine Pars stridens oder Organum stridens (Feile, Schrilleiste, Schrillfläche) und ein Plectrum (Schrillkante). Erstere ist meist der komplexere Teil und besteht aus einer Fläche mit feinen Rillen, Rippen, Zähnchen und anderem, die meist hochgeordnet und in definierten Abständen verteilt sind. In vielen Fällen ist sie der Ort der Lautentstehung. Das Plectrum besteht oft aus einer Kante, Reihen von Chitinborsten, Zähnchen und ähnlichem. Die Laute werden erzeugt, indem das Plectrum über die Pars stridens gerieben wird; gelegentlich ist es auch umgekehrt. Solche Stridulationsorgane können an den verschiedensten Teilen des Körpers vorkommen, soweit gegeneinander bewegliche Organe vorhanden sind. Zur Beschreibung und Benennung wird der Körperteil, der die Pars stridens trägt, demjenigen mit dem Plectrum vorangestellt. So spricht man von einem abdominoelytralen Stridulationsorgan, wenn die Pars stridens auf dem Abdomen, das Plectrum auf der Innenseite der Elytren oder Deckflügel (z.B. bei Käfern) liegt. Bei den Insekten gibt es zahlreiche solcher Typen, die zum Teil gruppenspezifisch sind. So haben Grillen und Laubheuschrecken (Heuschrecken) ihr Stridulationsorgan an der Basis der Vorderflügel. Hier befindet sich die Pars stridens auf der Innenseite des linken Vorderflügels. Symmetrisch dazu, aber funktionslos, liegt dasselbe Organ auch im rechten Flügel. Das Plectrum befindet sich auf der Außenkante des rechten Flügels. Einige Gruppen der Feldheuschrecken haben das Plectrum auf der Innenseite der Hinterschenkel, während die Pars stridens die Vena radialis media auf dem Vorderflügel darstellt. Die größte Fülle an Stridulationsorgan-Typen findet sich bei Käfern. Hier gibt es Arten mit Organen im Kopfbereich (Reibung von Maxille gegen Mandibel, bei Larven von Blatthornkäfern), Gula des Kopfes gegen Innenkante des Prosternums (bei einigen Schwarzkäfern), Hinterkopf gegen Innenkante des Pronotums (Halsschild; bei Schwarzkäfern). Sehr verbreitet ist das mesonoto-pronotale Stridulationsorgan (viele Bockkäfer, einige Blattkäfer) oder der abdomino-elytrale Apparat (Totengräber, Hähnchen unter den Blattkäfern, einige Laufkäfer und andere). Die Pars stridens kann sehr unterschiedlich ausgedehnt und mit Rippen- oder Zähnchenreihen versehen sein. So hat bei den Feldheuschrecken Chorthippus brunneus 63 Zähnchen, Stenobothrus lineatus dagegen 388 Zähnchen entlang der Hinterschenkel, der MistkäferGeotrupes stercorarius 84, der Große Eichenbock 238 Rippen auf der Pars stridens. Stridulationsorgane finden sich auch bei Spinnentieren: Reibung von Cheliceren gegen Pedipalpen oder Coxa (Hüftglied) der Hinterbeine gegen seitliche Bauchseite des Hinterleibs. Bei Krebstieren haben vor allem viele Decapoda Stridulationsorgane. Hier wird die Seite des Cephalothorax-Hinterrands (Cephalothorax) gegen die Innenkante des 1. Abdominalsegments (Extremitäten) gerieben. Manche Krabben (Brachyura) reiben die Basis des großen Scherenbeins (Thorakopode 4) gegen die Innenkante des vorderen Carapax. – Stridulation steht im Dienste der Kommunikation (akustische Kommunikation, Bioakustik). Bei Grillen und Heuschrecken dient sie im Paarungsverhalten der Partnerfindung und -erkennung. Hier können besonders bei Feldheuschrecken sehr komplexe Gesänge (Gesang) ausgebildet sein (spontane Rufgesänge, Werbe-, Abwehrgesänge), die mit ihren Lauten vor allem im Bereich von auch für den Menschen hörbaren Frequenzen (Schall) liegen. Laubheuschrecken rufen zum Teil auch weit im Ultraschallbereich (z.B. Warzenbeißer Decticus [Heupferde] 5000–100.000 Hz; Ultraschall), was eine genaue Ortung (akustische Ortung) durch ihre Feinde erschwert. Bei den Käfern dient die Stridulation, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sicher nicht der Partnererkennung, sondern der Abwehr. Nur in wenigen Fällen ist eine intraspezifische Kommunikation nachgewiesen (so bei Borkenkäfern, einigen Wasserkäfern, Totengräbern, Larven der Zuckerkäfer). Trommelorgane, Zikaden.
H.P.
Stridulation
1 a Feldgrille (Gryllus campestris, Männchen) in Stridulationsstellung; b Ausschnitt aus der Schrillader (stark vergrößert); c Querschnitt der Schrillkante. 2 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Ausschnitts aus dem Stridulationsorgan des Spargelhähnchens (Crioceris); die Pars stridens besteht aus exakt parallel verlaufenden Cuticula-Rippen, die einen Abstand von ca. 1,8 μm haben; sie liegt auf dem 7. Hinterleibstergit.
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