Lexikon der Biologie: Struktur-Funktion-Beziehung
Struktur-Funktion-Beziehung. Molekularbiologie: Die meisten Lebensfunktionen der Zelle basieren auf Wechselwirkungen biologischer informationstragender Makromoleküle (Biopolymere), die jedoch erst im Zusammenspiel mit anderen Molekülen ausgetauscht werden können. Zu diesen informationstragenden Molekülen gehören im wesentlichen Proteine und Nucleinsäuren sowie eingeschränkt auch Polysaccharide und Lipide. Bestimmende Faktoren sind nicht nur die Bausteinsequenzen (Primärstruktur) wie z.B. der Aminosäuren (für Proteine; Aminosäuresequenz), Nucleotide (für Nucleinsäuren; Nucleotidsequenz) sowie Zucker und Fettsäuren (für Polysaccharide und Lipide), sondern vielmehr die sich daraus ergebenden dreidimensionalen Anordnungen, angefangen bei „einfachen“ Faltungen (Alpha-Helix, Beta-Faltblatt; Proteine [Abb.]), den Sekundärstrukturen, über echte Tertiärstrukturen, also globuläre Proteine oder wenigstens Domänen von Polypeptiden, bis hin zu hochmolekularen Quartärstrukturen (Proteinaggregaten, z.B. Multienzymkomplexe). In diesen Strukturen sind hochspezifische Funktionen „eingebaut“, zu denen u.a. Auf- und Abbau bestimmter Stoffe (Stoffwechsel), (bio-)chemische Katalysen, Signalerkennung und deren Umsetzung (Signaltransduktion), z.B. in Bewegungen, sowie Fortpflanzung und Vererbung gehören. Kleinste Veränderungen in den Primärstrukturen (z.B. der Austausch einer Aminosäure [Aminosäureaustausch] oder eines Nucleotids; Mutation) führen oft dazu, daß bestimmte Funktionen nicht mehr durchführbar sind, weil dieser einzelne neue Baustein andere Wechselwirkungen mit benachbarten Bausteinen eingeht und möglicherweise die gesamte Konformation dieses Bereichs verändert. Beide Reaktionspartner müssen also wie ein Schloß und der zugehörige Schlüssel zusammenpassen (Komplementarität; Schlüssel-Schloß-Prinzip). Viele Proteine sind sogar in der Lage, verschiedene stabile Konformationen reversibel einzugehen, die dann auch verschiedene Reaktionspartner erkennen und somit unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Man spricht dann von allosterischen Proteinen (Allosterie). Nicht nur die Ausführung dieser meist stereospezifischen Reaktionen (Stereospezifität), sondern auch deren Steuerung und Regulation sind damit eng verbunden. Die Geschwindigkeiten solcher Reaktionen (Reaktionsgeschwindigkeit) können wiederum durch den Einfluß anderer Regulatoren, die oft niedermolekular sind, positiv wie negativ beeinflußt werden. Meist werden diese kleinen Moleküle an ganz anderer Stelle erkannt als die hochmolekularen Reaktionspartner, können jedoch eine weitreichende Wirkung auf die chemische Konformation des Moleküls haben, so daß der eigentliche Reaktionspartner seine Ankopplungsstelle nicht mehr findet. Die Kenntnisse dieser Struktur-Funktion-Beziehung werden heute vielfach nicht nur für ein grundsätzlich besseres Verständnis der biologischen Funktionen ausgenutzt, sondern für die Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika. Oft genügt es, kurze Sequenzen der entscheidenden reaktiven Zentren oder Oberflächen zu kennen (Sequenzanalyse), sie zu synthetisieren und anschließend gegen entsprechende Reaktionspartner auf deren physiologische und/oder pharmakologische Wirksamkeit zu testen (drug design; molecular modeling). Neben den monoklonalen Antikörpern (polyklonale Antikörper), den bestgeeigneten, natürlich hergestellten (Glyko-)Proteinen zur Erkennung bestimmter Oberflächenstrukturen, können dafür weitere Methoden eingesetzt werden, wie z.B. NMR (Kernresonanzspektroskopie), Röntgenstrukturanalyse, Elektronenmikroskopie (Elektronenmikroskop), BIA (Biospecific Interaction Analysis), Epitop-Mapping, evolutive Biotechnologie, kombinatorische Chemie, Modifikation, native Konformation, protein engineering, Proteinkristallisation, Protein-Werkstoffe.
F.S.
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