Lexikon der Biologie: tumorassoziierte Antigene
tumorassoziierte Antigene, Abk. TAA, Antigene in Tumorzellen (Krebs) oder auf deren Oberfläche; in der (älteren) Literatur zum Teil noch als Tumorantigene bezeichnet. Die TAA können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden: 1) Antigene, die durch eine Mutation eines Gens entstehen, die für das Tumorwachstum ursächlich ist. Das mutierte Genprodukt im Tumor ist für den einzelnen Patienten spezifisch. Chemisch induzierte Tumore (cancerogen) gehören in diese Gruppe. 2) Antigene, die durch Mutationen entstehen, die mit der Onkogenese zusammenhängen, aber nicht für einen Patienten spezifisch sind. Zu dieser Gruppe zählen zum einen mutierte Produkte z.B. des ras- oder p53-Gens (p53-Protein, Ras-Proteine; Onkogene) und zum anderen virusinduzierte Tumore (Tumorviren), in denen die viralen Genprodukte die TAA darstellen. Beispiele hierfür sind das humane Papillom-Virus (HPV, Papillomviren) oder das Epstein-Barr-Virus (EBV). In den beiden genannten Gruppen unterscheiden sich die Genprodukte der jeweiligen Gene im gesunden und tumorösen Gewebe. In den folgenden Gruppen ist das Genprodukt dagegen im Tumor und gesunden Gewebe identisch. 3) TAA, die nicht mutiert sind, aber im adulten Organismus nur auf bestimmte Gewebe, oft nur die Hoden, beschränkt sind. In verschiedenen Tumoren, z.B. dem Melanom, werden die Gene reaktiviert und die Antigene, wie z.B. MAGE, BAGE, GAGE, produziert. 4) Die vierte Gruppe schließlich umfaßt die sog. Differenzierungsantigene, die im adulten Stadium in einigen Geweben, aber auch in den Tumorzellen exprimiert werden. Hierzu zählen gp100, MART/1, Melan A oder Tyrosinase (Phenol-Oxidase), die in Melanomzellen auftreten. Die Immunogenität der TAA der ersten beiden Gruppen ist hoch, die der letzten beiden vergleichsweise gering, da deren Vorhandensein in gesunden Zellen immunologische Toleranz (Immuntoleranz) erzeugen kann. Zusätzlich besteht in der Induktion einer starken Immunantwort gegen TAA der Gruppen 3 und 4 die Gefahr der Autoimmunität. Im Falle von gp100, das auch in gesunden Melanocyten vorhanden ist, ließ sich dieser Effekt nachweisen, d.h. bei Patienten, die gegen gp100 immunisiert wurden und eine anti-tumorale Immunantwort entwickelten, trat das als Vitiligo benannte Phänomen auf – eine lokal begrenzte Depigmentierung der Haut, die allerdings harmlos ist. Identifiziert wurden TAA zum einen durch saure Extraktion und Fraktionierung von MHC-Peptid-Komplexen (Haupt-Histokompatibilitäts-Komplex) aus Tumorzellen, aus denen die Peptide isoliert und analysiert wurden. Die Beladung von Zellen in vitro mit synthetisch hergestellten Peptiden gleicher Sequenz machte diese Zellen sensitiv für die Lyse durch spezifische cytotoxische T-Lymphocyten, die aus dem Patienten isoliert wurden, aus dem auch der Tumor stammte. Durch Rückschluß von der Peptid-Sequenz auf die DNA-Sequenz konnte das entsprechende Gen identifiziert werden. Zum anderen wurde aus einer Melanom-Zellinie eine cDNA-Bibliothek (Genbibliothek, Expressionsbibliothek) erstellt, mit der eine Zellinie gleichen HLA-Typs (HLA-System) transfiziert wurde. Diese Zellen wurden mit tumorinfiltrierenden Lymphocyten (TIL) zusammengesetzt, die aus demselben Tumor isoliert wurden, aus dem auch die Melanom-Zellinie generiert wurde. Das transfizierte Genfragment der Zellen, die die TIL stimulierten, wurde charakterisiert und das Genprodukt als gp100 identifiziert. Die Entdeckung von TAA, besonders der nicht patientenspezifischen, hat das Spektrum therapeutischer Ansätze in der Immuntherapie von Tumoren erweitert und ermöglicht eine standardisierte Immunisierung. Immun-Krebstherapie, Tumorimmunologie, Tumormarker, Tumorvakzine.
R.We.
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