Lexikon der Biologie: Tumormarker
Tumormarker, Substanzen, die bei malignen Erkrankungen im Blut und/oder anderen Körperflüssigkeiten in erhöhten Konzentrationen nachweisbar sind. Tumormarker werden von dem Tumorgewebe (Krebs) selbst gebildet, oder ihre Abgabe von Geweben in die Körperflüssigkeiten wird durch Tumore induziert. Tumormarker i.e.S. sind die tumorassoziierten Antigene (früher Tumorantigene), die von spezifischen Antikörpern identifiziert werden. Diese sind im allgemeinen für den Organismus, der sie bildet, nicht immunogen (Immunogene). Biochemisch können Tumormarker entweder physiologisch vorkommende Substanzen (Zellbestandteile oder Sekretionsprodukte) oder Substanzen, die sich von physiologischen Verbindungen ableiten lassen, sein. Eine ausreichende Spezifität für die Diagnose von Tumoren besitzen aber nur die vom Tumor selbst gebildeten Tumormarker. Neben der Diagnose von malignen Erkrankungen dienen Tumormarker zur Stadieneinteilung, zur Kontrolle des Therapieerfolgs und zur Erkennung einer Tumorprogredienz. – Viele der zur Zeit bekannten Tumormarker ( vgl. Tab. ) erlauben bei leichtem bis mittlerem Ansteigen (in Bezug auf den oberen Grenzwert) nicht die Abgrenzung gegenüber benignen Erkrankungen. Tumormarker mit einer relativ guten Organspezifität sind Calcitonin, Prostata-spezifische saure Phosphatase, HCG (Choriongonadotropin), AFP (Alpha-Fetoprotein), CA 19–9, CA 125; eine relativ geringe Organspezifität zeigt z.B. der Tumormarker CEA (carcinoembryonales Antigen). Gamma-Fetoprotein, Immundiagnostik, Mucine, Nervenzell-spezifische Proteine, onkofetale Antigene, Thyreoglobulin, Zellskelett.
Tumormarker
Einige Tumormarker
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AFP (Alpha-Fetoprotein) Glykoprotein rel. Molekülmasse Mr = 70.000 | Embryonaler Dottersack fetale Leber | Keimzelltumor (Hoden-, Ovartumor) extragonadal Leberkarzinom | – physiologische Bedeutung in der Fetalzeit: Schutzfunktion vor mütterlichen Östrogenen, Ersatz für das erst später gebildete Albumin – basale AFP-Konzentrationen werden im 5. Lebensjahr erreicht – AFP wird auch bei entzündlichen und regenerativen Prozessen der Leber gebildet | |
HCG (humanes Choriongonadotropin) Glykoproteinhormon | Trophoblast | Chorionkarzinom Keimzelltumor (Hoden, Ovar, Placenta) | – ektope Synthese bei Magen-, Leber-, Pankreas- und Mammakarzinomen sowie bei Inselzelltumoren | |
ACTH (adrenocorticotropes Hormon) Polypeptid | Hypophyse | Lungenkarzinom | – Da bei etwa 30% der Lungenerkrankungen mit einer Erhöhung von ACTH zu rechnen ist, hat die ACTH-Bestimmung keine Bedeutung für die Erst- oder Differentialdiagnose von Lungenkarzinomen | |
CEA (carcinoembryonales Antigen) Glykoprotein Mr = 180.000 | Kolon, Rectum | Kolon- und Rectumkarzinom, Magenkarzinom, Brustkrebs, Lungenkrebs | – biologische Funktion unbekannt – Abbau in der Leber – CEA-Synthese ist nicht auf neoplastische Gewebe beschränkt, sondern auch nachweisbar in a) Flüssigkeit von benignen Cysten der Brustdrüse, b) Gelenkflüssigkeit bei rheumatischer Arthritis, c) im Urin bei bakterieller Blaseninfektion – dient zur Differentialdiagnose von Lebertumoren | |
Calcitonin Polypeptid aus 32 Aminosäuren | C-Zellen der Schilddrüse | medulläre Schilddrüsenkarzinome | – senkt die Calciumkonzentration; Freisetzung wird physiologisch durch Hypercalcämie stimuliert | |
CA 19–9 (= GICA, gastrointestinal cancer antigen) Glykolipid Mr = 36.000 | Pankreasgänge Gallengänge Magenepithel | Gastrointestinale Karzinome (Pankreaskarzinom Magenkarzinom, Kolonkarzinom, hepatobiliäres Karzinom) | – CA 19–9 ist ein Hapten der menschlichen Lewis-a-Blutgruppendeterminante. Als normaler Bestandteil der Blutgruppensubstanz Lewis-a sind hohe Konzentrationen in Sekreten physiologisch, nur im Serum/Plasma oberhalb eines Referenzwertes pathologisch – CA 19–9 läßt sich auch in Normalgeweben (Epithelzellen von Magen, Gallen-Canaliculi, Gallenblase, Gallen- und Pankreasgänge) nachweisen | |
CA 125 Glykoprotein, Glykolipid Mr = 200.000–300.000 | Kolumnarepithel des weiblichen Genitaltrakts Zervixschleim | Ovarialkarzinom | – erhöhte Werte physiologisch im Serum von Schwangeren und im Fruchtwasser, Zervixsekret, Milch – hohe Konzentrationen finden sich auch bei nichtmalignen Lebererkrankungen | |
CA 15–3 | Mammakarzinom | – läßt sich auch in normalen Brust-, Speichel- und Schweißdrüsen nachweisen | ||
NSE (neuronspezifische Enolase) | Nervenzellen des Gehirns und des peripheren Nervengewebes sowie in neuroendokrinen Zellen | kleinzelliges Lungenkarzinom, neuroendokrine Tumoren, Neuroblastom, metastasierte Hodenseminome | – die Bestimmung ist im Rahmen der Diagnostik und in der Verlaufskontrolle sinnvoll | |
PAP (saure Prostata-Phosphatase) Glykoprotein Mr = 97.000 | Prostata | Prostatakarzinom | – katalysiert die Hydrolyse von Phosphorsäuremonoestern – Bestandteil der exokrinen Funktion der Prostatadrüse – geringe Erhöhungen über einen Referenzwert finden sich auch bei benigner Prostata-Hyperplasie | |
PSA (Prostataspezifisches Antigen) Glykoprotein | Cytoplasma der Zellen von Prostatagängen | Prostatakarzinom | – gewebsspezifisches Antigen, Sekretionsprodukt der Prostatadrüse – nicht tumorspezifisch – wird unabhängig vom PAP gebildet – wie das PAP nicht zur Differentialdiagnose einer benignen Prostata-Hyperplasie und beim Frühstadium eines Prostatakarzinoms einzusetzen | |
SCC (squamous cell carcinoma antigen, Plattenepithelkarzinomantigen) | Plattenepithelkarzinome von Gebärmutterhals (Cervix uteri), Hals-Nasen-Ohren-Trakt, Lunge, Speiseröhre, Rectum | – die Bestimmung ist im Rahmen der Diagnostik und in der Verlaufskontrolle sinnvoll – falsch erhöhte Werte bei Kontakt der Probe mit Speichel oder Haut |
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