Lexikon der Biologie: Untermaßfeld
Untermaßfeld, 1978 entdeckte Fundstelle (Fossillagerstätten) in einer seit etwa 1900 bestehenden Sandgrube im Werratal südlich Meiningen in Südthüringen. Sie erschließt in etwa 1 Million Jahre alten fluviatilen, 7–8 m mächtigen Sanden und Zersatzschotter einer quartären Schotterterrasse über Röt und Muschelkalksedimenten (Trias) einen nur wenig bekannten Faunenhorizont der altpleistozänen Menap-Kaltzeit (zwischen der Waal-Warmzeit und der Cromer-Warmzeit). Paläomagnetisch (Paläogeographie) stuft man Untermaßfeld in das Jaramillo-Event der Matuyama-Epoche ein. Dabei liegt seine Bedeutung in der relativ vollständig nachgewiesenen Fauna und in dem Fehlen jeglichen menschlichen Einflusses, wodurch sie in deutlichem Gegensatz zu anderen, durch den Menschen beeinflußten altsteinzeitlichen Fundstellen (Altsteinzeit, Steinzeit) steht. – Untermaßfeld lag während einer Warmzeit des Unter-Pleistozän in einer reich gegliederten Auelandschaft der Ur-Werra mit artenreichen Laub- und Mischwäldern, stehenden Gewässern aller Art und Uferdickichten aus überwiegend Weichhölzern. Diese Aue wurde auch von Tieren aus der weiteren Umgebung durchstreift, eventuell zum Trinken aufgesucht. In den höher gelegenen Teilen wuchsen Galeriewälder mit wenig Unterholz und üppiger Krautvegetation, eine artenarme Baum- und Strauchvegetation dagegen auf den Muschelkalkhängen. Hinweise auf kaltes oder kühl gemäßigtes Klima gibt es nicht. – Die relativ gute Erhaltung der Fauna wird durch eine leichte Carbonatimprägnierung der Sande bis hin zur Kalksinterbildung ermöglicht. Knochenreste sind in der Regel kaum abgerollt, wurden meist rasch eingebettet (Einbettung, Fossilisation) und zugedeckt, abgelagert bei Überschwemmungen der Flußaue und nicht eingeregelt (Einregelung), dafür aber oft angehäuft. Ganze Skelette sind unbekannt; Antransport der Kadaver wohl in Teilen. Sperrige Skelettteile wie Geweihe oder Stoßzähne fehlen: sie lagerten sich schon weiter flußaufwärts ab. – Systematische Grabungen erfolgten zwischen 1978 und 1995 durch das Institut für Quartärpaläontolgie in Weimar und förderten eine reichhaltige, bisher rund 99 Taxa (davon 43 Säuger) umfassende Fauna aus Land- und Süßwasserschnecken, hecht- und karpfenartigen Fischen, Frosch- und Schwanzlurchen, Schildkröten, Raub- und Singvögeln, Bison, Rehen, Elchen, Rothirschen, dem Großhirsch Eucladoceros, Wildschweinen, Nashörnern (Dicerorhinus/Stephanorhinus etruscus), Flußpferden, Pferden, dem Südelefanten (Archidiskodon meridionalis), Wölfen, Dachsen, Bären, Wiesel, Hyänen, Luchsen, Geparden, europäischem Jaguar, Säbelzahnkatzen, Siebenschläfern, Mäusen, Hamster, Biber, Ziesel, Eichhörnchen, Hasen, Maulwürfen, Spitzmäusen, Igel und Makaken zutage. Die Unterschiede zur heutigen Fauna in Mitteleuropa liegen teils auf dem Gattungs-, teils nur auf dem Art- oder Unterartniveau. Unter den Fraßspuren diverser Raubtiere und von Nagern sind besonders die von Hyäenen, vor allem auch deren Koprolithen und von ihnen produzierte Knochensplitter, erwähnenswert. Mit dem Nachweis des afrikanischen Flußpferds ist gleichzeitig eine vom Rhein-Main-Gebiet bis ins mittlere Werratal zugunsten der Atlantischen Biofazies zurückgedrängte Europäisch-Westsibirische Kontinentalfazies belegt. – Aufgrund der eigenständigen Großsäugerfauna führte man für Untermaßfeld den biostratigraphischen Begriff (Biochronozone) des Epivillafranchium (?Bourdier 1961) zwischen dem Villafranchium und dem Galerium ein. Eburonkaltzeit, Eiszeit, Glazialfauna, Glazialflora, Interglazial.
W.R.
Lit.:Kahlke, R.-D.: Das Pleistozän von Untermassfeld bei Meiningen, Thüringen. Teil I–III. – In: Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte, Bd. 40, Nr. 1-3; Bonn (Dr. Rudolf Habelt) 1997 und 2001.
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