Lexikon der Biologie: Urfarne
Urfarne, Nacktfarne, Psilophyten, Psilophyta, Psilophytopsida, Psilopsida, Psilophytatae, ursprünglichste, auf das Obersilur (Silur) bis Oberdevon (Devon) beschränkte Klasse der Farnpflanzen. Primär einfach gebaute Pflanzen mit dichotom (dichotome Verzweigung) oder pseudomonopodial verzweigten, fast ausschließlich blattlosen Zweigsystemen mit endständigen oder lateralen Eusporangien. Die Urfarne sind von großer phylogenetischer Bedeutung, da hierzu die ältesten Landpflanzen (Urlandpflanzen) gehören und sie damit an der Basis aller Kormophyten stehen. Die Urfarne umfassen 3 Ordnungen (zum Teil auch als eigene Abteilungen gefaßt), von denen die Rhyniales (Obersilur bis etwa Mitteldevon) den einfachsten Bau zeigen. Zu dieser Ordnung gehören meist wurzellose Formen mit dichotom verzweigten, „blattlosen Sprossen“ (Telomen; Farnpflanzen III ) und endständigen Sporangien ohne Dehiszenzmarke (präformierte Öffnungsstelle; Dehiszenz), wie z.B. die Gattungen Cooksonia, Horneophyton und Rhynia. Die im Unterdevon oft massenhaft auftretende, wohl submers im marinen Litoralbereich lebende Gattung Taeniocrada besitzt dagegen bereits Wurzeln und zum Teil laterale Sporangien. Sie leitet damit, wie auch die unterdevonische Gattung Renalia mit endständigen, aber nierenförmigen Sporangien mit terminaler Dehiszenz, zu den Zosterophyllales (Unterdevon bis unteres Oberdevon) über. Bei dieser Ordnung sind die Zweigsysteme dichotom oder pseudomonopodial verzweigt. Sie sind nackt oder tragen Emergenzen oder selbst Mikrophylle, das Leitbündel ist exarch (Protoxylem); die Sporangien sitzen lateral an den Achsen und zeigen terminale Dehiszenz. Zosterophyllum ( vgl. Abb. ) ist eine überwiegend im Verlandungsbereich wattähnlicher Küsten vorkommende Gattung mit dichotom verzweigten, nackten Achsen, die lateral die zu zapfenähnlichen Ständen zusammengefaßten Sporangien tragen. Sawdonia besitzt pseudomonopodialen Bau und Emergenzen ohne jede Leitbündelversorgung. Teilweise werden auch Asteroxylon und Drepanophycus als hochentwickelte Vertreter der Zosterophyllales betrachtet. Die Trimerophytales (Unter- bis Mitteldevon) sind morphologisch komplexer gebaut mit pseudomonopodialer Hauptachse und dichotom oder trifurcat verzweigten Seitenachsen. Die Leitbündel sind mesarch, die Sporangien sitzen endständig in dichten Clustern und öffnen sich an einer seitlichen Dehiszenznaht. Bei Psilophyton sind die Seitenachsen dichotom, bei Trimerophyton trifurcat verzweigt. – Über den Generationswechsel der Urfarne war lange Zeit nichts Genaueres bekannt. Inzwischen wurde ein als Lyonophyton bezeichneter Gametophyt beschrieben, der zu Aglaophyton gehört, und die sehr ähnliche, seit langem bekannte Gattung Sciadophyton mit sternförmigen Prothallien erwies sich als Gametophyt von Taeniocrada- und Zosterophyllum-Arten. – Phylogenie: Phylogenetisch müssen die Urfarne als Basisgruppe aller Kormophyten betrachtet werden, wobei die Rhyniales die ursprünglichste Ordnung darstellen, von denen sich die Zosterophyllales und die Trimerophytales ableiten. Aus den Zosterophyllales haben sich dann vermutlich die Bärlappe und aus den Trimerophytales die Farne entwickelt. Unklar bleibt die Herkunft der Schachtelhalme, doch sind sie, wie auch die Progymnospermen, vielleicht ebenfalls auf die Trimerophytales zurückzuführen. Von Bedeutung sind die Urfarne auch, weil sie alle von der Telomtheorie geforderten Elementarprozesse erkennen lassen. – Die Ahnen der Urfarne sind unbekannt, doch haben sie sich offenbar aus dem Bereich der Grünalgen entwickelt, wie vor allem biochemische Übereinstimmungen nahelegen (Chlorophyll a und b; Stärke, Cellulose). Nach der klassischen Hypothese lebten die Vorfahren der Urfarne im Meer, doch wird neuerdings auch eine Entstehung aus terrestrisch lebenden Grünalgen diskutiert. Asteroxylon, Horneophyton, Pflanzen, Protolepidodendrales, Psilotales, Telomtheorie; Pflanzen (Stammbaum) .
V.M.
Urfarne
Zosterophyllum rhenanum aus dem Unterdevon
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