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Lexikon der Biologie: Wasserflöhe

Wasserflöhe, Cladocera, Unterordnung der Phyllopoda (Blattfußkrebse); bilden zusammen mit den Muschelschalern(Conchostraca) die Ordnung Krallenschwänze (Onychura). Ihre Morphologie ( ö vgl. Abb. 1 ) läßt sich am besten von der der Muschelschaler ableiten, wenn man annimmt, daß ihre Vorfahren larvale Merkmale (geringe Segmentzahl, unvollständiger Carapax) behalten haben. Der Rumpf der Wasserflöhe ist von einem geräumigen, 2klappigen Carapax umgeben, der den Vorderkopf frei läßt und durch einen Carapax-Adduktor geschlossen werden kann. Die Segmentzahl ist, verglichen mit anderen Phyllopoden, stark reduziert: Der Thorax besitzt maximal 6 beintragende Segmente. Das Abdomen ist kurz, kaum gegliedert, in der Ruhe ventrad eingeschlagen und endet mit der krallenförmigen Furca. Fortbewegungsorgane sind die kräftigen, zweiästigen 2. Antennen. Die Thorakopoden sind Blattbeine mit langen Filterborsten an den Enditen. Nur die wenigen räuberischen Vertreter (Leptodora und die Polyphemidae) weichen hiervon ab: ihr Carapax ist reduziert und dient nur noch als Brutraum; ihre Thorakopoden sind Stabbeine. Wichtigste Sinnesorgane sind ein unpaares (median verwachsenes) und in eine Augenhöhle versenktes, bewegliches Komplexauge, das immer vorhanden und bei den räuberischen Arten extrem groß ist, sowie ein Naupliusauge und einige Chemorezeptoren an den kleinen 1. Antennen. Der Kreislauf ist stark vereinfacht; das Herz hat nur ein Ostienpaar; das Blut kann Hämoglobin enthalten. Wasserflöhe sind primär Filtrierer, die mit den Thorakopoden einen Wasserstrom erzeugen, diesen an den langen Filterborsten filtrieren und die Nahrung über eine kurze ventrale Nahrungsrinne unter die Oberlippe und zwischen die kräftigen Mandibeln schieben. Die krallenartige Furca dient zum Reinigen des Filterapparats und kann am Boden auch bei der Lokomotion eingesetzt werden. Im freien Wasser ist die Fortbewegung ein ruckartiges Schwimmen, hervorgerufen durch das Schlagen der 2. Antennen. Die Männchen der Wasserflöhe sind kleiner als die Weibchen, haben längere 1. Antennen, und ihre Geschlechtsöffnungen liegen im Bereich der Furca. Die weiblichen Geschlechtsöffnungen münden in einen dorsalen, vom Carapax gebildeten Brutraum. Die Fortpflanzung ist eine Heterogonie oder zyklische Parthenogenese ( ö vgl. Abb. 2 ). Im Frühjahr treten amiktische Weibchen auf, die parthenogenetisch sich entwickelnde Sommer- oder Subitaneier legen, welche sich im Brutraum zu kleinen Wasserflöhen entwickeln. So wird der Lebensraum schnell ausgefüllt. Später treten auch Männchen auf, welche die miktischen Weibchen begatten. Diese produzieren Eier, die befruchtet werden müssen und als Dauereier oder Latenzeier eine Diapause durchmachen und austrocknen oder einfrieren können. Die Geschlechtsbestimmung ist phänotypisch, und ein Weibchen kann nacheinander Sommereier, Männcheneier und Dauereier produzieren. Miktische Weibchen der Gattung Daphnia produzieren stets 2 Dauereier, die in einer Kapsel, dem Ephippium, eingeschlossen werden. Dieses entsteht aus dem hinteren Teil des Carapax, der hart sklerotisiert und wasserabstoßend wird und bei der nächsten Häutung von der Exuvie abbricht. Die Ephippien können an der Wasseroberfläche treiben und durch Wasservögel oder Wind weit verbreitet werden. Bei in größeren Seen vorkommenden Arten der Gattungen Daphnia und Bosmina sehen die aufeinanderfolgenden, parthenogenetisch entstandenen Generationen unterschiedlich aus: Zur Sommermitte werden die Tiere größer, bekommen längere Carapaxdornen und Kopfhelme (bei Daphnia) oder 1. Antennen (bei Bosmina) und eine andere Körperform, zum Herbst hin werden Körper und Anhänge wieder kleiner ( Temperatur als Umweltfaktor ). Diese Cyclomorphose beruht teils auf Modifikation, teils auf unterschiedlicher Selektion durch Raubfeinde (Fische, Ruderfußkrebse). – Etwa 450 Arten von Wasserflöhen sind bekannt ( ö vgl. Tab. ). Sie haben im Süßwasser eine reiche Radiation (adaptive Radiation) durchgemacht. Manche Daphnia- und Bosmina-Arten gehören zum Plankton, andere Arten und Gattungen sind auf pflanzenreiche Litoralzonen beschränkt. Daneben gibt es Spezialisten, wie die räuberischen Formen Leptodora, mit über 1 cm Länge die größten Vertreter, die Polyphemidae und der KahnfahrerScapholeberis ( ö vgl. Abb. 3 ). Der Polypenfloh hat es geschafft, ohne große morphologische Veränderungen zu einem Ektoparasiten am SüßwasserpolypenHydra zu werden. Nur ganz wenige Arten haben das Meer besiedeln können. Im Brackwasser und in küstennahen Buchten können manche Bosmina-Arten leben. Echte Meeresbewohner sind dagegen nur Podon und Evadne, 2 Gattungen der Polyphemidae. – Wasserflöhe sind von großer ökologischer Bedeutung, vor allem als Futter für Fische und zahlreiche andere Wassertiere. Daphnia-Arten werden als Testorganismen zur Prüfung der Wasserqualität benutzt (Daphnientest).

P.W.



Wasserflöhe

Abb. 1: Bauplan eines Wasserflohs (Daphnia pulex, Weibchen)



Wasserflöhe

Abb. 2:
Moderner Stammbaum (Kladogramm) der Branchiopoda (Kiemenfußkrebse) und Phyllopoda (Blattfußkrebse).
Neue Untersuchungen der rRNA haben zu einer neuen Phylogenie der Branchiopoda geführt und gezeigt, daß die zyklische Parthenogenese oder Heterogonie, die so charakteristisch für die Wasserflöhe ist, innerhalb der Branchiopoda nur einmal entstanden ist. Sie ist eine Synapomorphie des Teils des Stammbaums, der einen Teil der Spinicaudata (Cyclestheriidae; Muschelschaler) und die Wasserflöhe enthält (dicke Linien im Kladogramm).



Wasserflöhe

Abb. 3:
1Sida crystallina, 2Scapholeberis mucronata, 3Polyphemus pediculus

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