Lexikon der Biologie: Welternährungslage
Welternährungslage, Welternährungssituation, die Ernährungssituation (Ernährung) der Weltbevölkerung. Sie wird geprägt durch eine hohe Rate an Fehlernährung. Dabei spielen sowohl die Unterernährung und Mangelernährung aufgrund von Armut als auch – in zunehmendem Maße – die Überernährung eine wichtige Rolle. Unterernährung: Laut Welternährungsorganisation (FAO) litten im Jahr 2000 790 Millionen Menschen (das sind 20% der ca. 80% der Weltbevölkerung, die in den Entwicklungsländern leben) an Unterernährung. Dabei ist sowohl die Gesamtanzahl als auch die Zahl der untergewichtigen Kinder rückläufig. Der größte absolute Erfolg in der Bekämpfung der Unterernährung wurde in Asien verzeichnet, der größte relative Erfolg in Lateinamerika (Südamerika). Der afrikanische Kontinent (Afrika) dagegen weist eine Verdopplung des Anteils an unterernährten Kindern im Vergleich zu 1980 auf. Dies hängt u.a. mit dem immensen Bevölkerungswachstum (Bevölkerungsentwicklung) in der Region zusammen. Die am meisten vom chronischen Hunger betroffenen Regionen der Welt befinden sich in Südasien und in Afrika südlich der Sahara. Aber auch in den industrialisierten Ländern (vor allem in den USA; Nordamerika) ist aufgrund zunehmender Verarmung eine Zunahme an unterernährten Bevölkerungsgruppen zu beobachten.
Mangelernährung: Als bedeutendes Ernährungsproblem ist weiterhin die Unterversorgung mit Mikronährstoffen zu betrachten. Die Verbreitung der Mikronährstoffmangelerkrankungen zeigt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) folgendes Muster: ca. 14% der Weltbevölkerung leidet an Iodmangel (Iod, Schilddrüse), 200 Millionen Menschen haben einen Kropf und ca. 30 Millionen weisen mentale Störungen aufgrund von Iodunterversorgung auf. 42% aller Kinder unter 5 Jahren weltweit leiden an Vitamin-A-Mangel (Retinol), da ihnen ihre Nahrung zu wenig von diesem Nährstoff liefert. Als Folge erblinden jährlich bis zu 500.000 Kinder teilweise oder ganz, 2 Drittel dieser Kinder sterben innerhalb der nächsten Monate an dieser Vitaminmangelkrankheit. Die höchste Prävalenz zeigt der Eisenmangel (Eisen, Eisenstoffwechsel) mit 3,6 Milliarden Betroffenen. Hiervon sind 2 Milliarden anämisch (Mangelanämie; Eisenmangelanämie). Dieser Nährstoffmangel betrifft nicht nur Frauen und Kinder in Entwicklungsländern, sondern ist auch häufig in Industrienationen anzutreffen (Prävalenz in Entwicklungsländern: ca. 60%, Prävalenz in Industrieländern: ca. 18%). Weitere Mikronährstoffdefizite, die vor allem früher aktuell waren (z.B. Skorbut, Beriberi), treten heute nur noch unter Ausnahmesituationen auf, z.B. bei Flüchtlingen.
Überernährung: Auch in Ländern, in denen Nahrungssicherheit besteht, kommt es durch den Konsum von energie- und fettreichen Nahrungsmitteln mit geringer Nährstoffdichte bei gleichzeitiger geringer körperlicher Tätigkeit zur Fehlernährung. Daher kann es in einzelnen Bevölkerungsgruppen trotz überhöhter Energiezufuhr zu einem Mangel an einzelnen Nährstoffen kommen. Es treten vermehrt ernährungsbedingte Zivilisationskrankheiten wie Adipositas (Fettsucht), atherosklerotische Erkrankungen (Arteriosklerose) oder Diabetes mellitus auf. In den Industriestaaten sind bis zu 50% der Bevölkerung übergewichtig. Gleichzeitig ist in den sog. Schwellenländern und in den reichen Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung ein Anstieg dieser Krankheiten zu verzeichnen.
Perspektiven: Vor allem in den Entwicklungsländern wird es zu einer starken Zunahme der Bevölkerungszahlen und damit zu einem erhöhten Nahrungsbedarf kommen. Gleichzeitig steigt der Trend zur Verstädterung (Urbanisierung) und Wüstenbildung (Desertifikation) in bereits vorhandenen Anbauflächen. Um den Mehrbedarf an Nahrungsmitteln zu decken, müssen die landwirtschaftliche Produktion (Landwirtschaft) gesteigert und die Anbauflächen erweitert werden. Dabei ist jedoch auf eine nachhaltige Bewirtschaftung (Nachhaltigkeit) der Ressourcen zu achten. Neuerdings wird auch der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (transgene Pflanzen, Gentechnologie; Kulturpflanzen, Nutzpflanzen) als Perspektive diskutiert. Gleichzeitig muß in den Industrieländern ein Gesundheitsbewußtsein bezüglich der Überernährung geschaffen werden. Ernährungserziehung schon im Vorschulalter und gezielte Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen (Stoffwechselkrankheiten) sind dazu unerläßlich. Medizin (Kleindruck). Borlaug (N.E.), Boyd-Orr (J.), FAO, Huxley (J.S.).
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