Lexikon der Biologie: Windengewächse
Windengewächse, Convolvulaceae, weltweit in allen gemäßigten, tropischen und subtropischen Zonen verbreitete Familie der Polemoniales (nach der neueren Systematik der Nachtschattenartigen) mit über 1600 Arten in ca. 60 Gattungen. Aufrechte, kriechende oder windende, einjährige Kräuter, Stauden oder (Halb-)Sträucher, seltener kleine Bäume, mit meist einfachen, seltener gelappten oder gefiederten Blättern und blattachselständigen, meist recht ansehnlichen Blüten. Diese fünfzählig, radiär, mit einer trichter-, glocken- oder annähernd rad- bzw. stieltellerförmigen Krone, deren Saum fünflappig oder fünfeckig ausgebildet sein kann. Der oberständige, aus 2 (3 bis 5) verwachsenen Fruchtblättern bestehende Fruchtknoten reift meist zu einer Kapsel heran. Windengewächse verfügen häufig über kräftige Rhizome bzw. Wurzelknollen. Charakteristisch sind auch nicht selten an Blättern oder Blattstielen auftretende, extraflorale Nektarien, bikollaterale Leitbündel sowie die oft in dieser Familie zu beobachtenden Sekretbehälter, in die milchsaft- bzw. harzähnliche Substanzen abgeschieden werden. Wichtige Inhaltsstoffe dieser Sekrete sind die nur bei den Windengewächsen vorkommenden sog. Glykoretine, deren abführende Wirkung früher auch medizinisch genutzt wurde. Als Abführmittel diente vor allem das aus den knolligen Wurzelstöcken der mexikanischen Art Ipomoea purga (Exogonium purga) stammende Jalapa-Harz sowie das Skammonium-Harz aus den Wurzeln von Convolvulus scammonium (östliches Mittelmeergebiet). Ebenfalls medizinisch genutzt wurde die auf den Kanarischen Inseln heimische, Rosenholzöl enthaltende Ruten-Winde (Convolvulus scoparius). In verschiedenen Arten der Windengewächse wurden zudem sonst nicht bei Höheren Pflanzen auftretende Derivate der Lysergsäure gefunden. Sie sind chemisch mit dem synthetischen Rauschgift Lysergsäurediethylamid (LSD) verwandt und wirken stark halluzinogen (Halluzinogene). Eine aus den Samen von Rivea corymbosa hergestellte Droge (Ololiuqui) wurde schon von den Azteken bei kultischen Anlässen als Rauschmittel verwendet oder diente als Narkotikum. Wirtschaftlich bedeutendstes Windengewächs ist die Batate oder Süßkartoffel (Ipomoea batatas; ä vgl. Abb. ). Eine weitere Nahrungspflanze ist Ipomoea aquatica (tropisches Afrika bis Asien), deren Blätter und Triebspitzen in Südostasien als Gemüse verzehrt werden. Verschiedene Windengewächse werden ihrer schönen Blüten wegen auch als Zierpflanzen kultiviert. Hierzu gehören vor allem Arten der Gattungen Convolvulus (Winde; ä vgl. Abb. ) und Ipomoea (Prunkwinde, Trichterwinde; ä vgl. Abb. ). Der letztgenannten Gattung werden heute auch die Arten der früher eigenständigen Gattungen Quamoclit und Pharbitis zugeordnet. Besonders beliebt ist die aus dem (sub-)tropischen Amerika stammende Purpurprunkwinde (Ipomoea purpurea syn. Pharbitis purpurea; ä vgl. Abb. ). Die einjährige, schnell wachsende Schlingpflanze besitzt herzförmige Blätter und große, trichterförmige, je nach Gartensorte weiß, rosa, purpurn oder hell- bzw. dunkelblau gefärbte Blüten. Einheimische Windengewächse sind die heute in der gemäßigten Zone als Kulturbegleiter weltweit verbreiteten, kriechenden oder kletternden Stauden Ackerwinde (Convolvulus arvensis; ä vgl. Abb. ) und Zaunwinde (früher Convolvulus sepium). Letztere wird heute der Gattung Calystegia (etwa 25 Arten in gemäßigten und subtropischen Regionen) als Calystegia sepium ( ä vgl. Abb. ) zugeordnet. Die in staudenreichen Unkrautgesellschaften, an Zäunen, Wegrändern und Ufern wachsende Pflanze besitzt relativ große, mehr oder weniger dreieckige Blätter sowie große, breittrichterförmige, weiße Blüten. Die in Äckern, Gärten, Weinbergen, an Schuttplätzen und Wegen wachsende Ackerwinde hat kleinere, pfeilförmige Blätter und ebenfalls kleinere, rosa-weiß gestreifte Blüten. Sie ist ein gefürchtetes, sich durch Wurzelsprosse rasch ausbreitendes Unkraut ( ä Unkräuter ). Eine Sonderstellung unter den Windengewächsen nimmt die nur aus mehr oder weniger chlorophyllfreien Parasiten bestehende Gattung Teufelszwirn(Cuscuta) ein. Nach der neueren Systematik wird die Gattung daher auch in eine eigene, monotypische Familie Teufelszwirngewächse(Cuscutaceae) gestellt. Argyreia.
N.D.
Windengewächse
1 Ackerwinde (Convolvulus arvensis);2 Zaunwinde (Calystegia sepium), blühender und fruchtender Sproß; 3 Süßkartoffel (Ipomoea batatas), beblätterter Sproß mit Wurzelknollen; 4 die Zierpflanze Ipomoea lobata aus dem tropischen Amerika hat tiefgelappte Blätter und röhrenartige, zweilippige, in gegabelter Traube stehende Blüten; 5 Purpurprunkwinde (Ipomoea purpurea)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.