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Lexikon der Chemie: Abwasserreinigung

Abwasserreinigung, Abwasserbehandlung, Maßnahmen zur Verbesserung und Veränderung der physikalischen, chem., biologischen und bakteriologischen Beschaffenheit von Abwässern sowie zur Wertstoffrückgewinnung und zur Wiederverwendung des gereinigten Wassers. Ziele sind insbesondere die schadlose Ableitung der Abwässer in Kanalisationen und Gewässer, die Wiederverwendung des Abwassers in Industrie und Landwirtschaft sowie die Rückgewinnung von Abwasserinhaltsstoffen als Wertstoffe. Dabei muß die Wertstoffrückgewinnung angesichts der gegenwärtigen und zukünftigen Verknappung der natürlichen Ressourcen und unter Beachtung der entscheidenden Rolle des Schutzes der Umwelt eine immer entscheidendere Rolle spielen (Tab. 1).

Abwasserreinigung. Tab. 1: Möglichkeiten der Wertstoffrückgewinnung bei der Abwasserreinigung.

Art des Abwassers gewonnener Wertstoff
Braunkohlengruben-
abwasser
Eisenoxidhydrat Fe2O3 · x H2O (für Gasreinigungs-
zwecke, Pigmentstoff)
fettsäurehaltiges
Abwasser
Futtereiweiß (durch biologische Eiweißsynthese)
häusliches Abwasser Vitamin B12
(aus Schlämmen)
Beizereiabwasser Metallsalze,
z. B. Eisen(II)-sulfat
Galvanikabwasser Kupfer, Nickel, Chrom u. a.
(durch Ionenaustausch)
Zellstoffabwasser Hefe, Alkohol, Milchsäure, Faserstoffe
Stärkefabrikabwasser Eiweiß
Abwasser der
Kohleveredlungsindustrie
Phenole, Ammoniak, Schwefel
Erdölabwasser Erdöl und
Verarbeitungsprodukte
sulfathaltiges
organisches Abwasser
Schwefelgewinnung
Kaliabwasser Magnesiumoxid MgO
organisches Abwasser
und Schlämme
Methangas als Treibgas
(durch anaerobe Faulung)

Verfahren der A. Die Reinigung von Abwässern kann nach physikalischen, chem. und/oder biochem. Verfahren erfolgen. Zu den physikalischen Verfahren gehören Sieben, Sedimentation, Filtration, Schwimmstoffabscheidung (z. B. Flotation) für spezielle,Industrieabwässer z. B. auch Eindampfen von Abwässern, Ausfrierverfahren, Extraktion, Elektrolyse- und Elektroosmose-Verfahren, Elektrodialyse, Elektrophorese u. a. Häufiger werden chem. und biochem. Verfahren angewendet, z. B. Fällung, Flokkung, Neutralisation, Reinigung durch Mikroorganismen. Einige wesentliche, in der Abwasserreinigung häufig eingesetzte Verfahren, enthält Tabelle 2.

1) Reinigung von Abwässern mit vorwiegend anorganischen Bestandteilen. Zu dieser Abwassergruppe gehören z. B. Metallbeizerei- und Galvanikabwässer sowie radioaktiv verseuchte Abwässer. Ihre Reinigung erfolgt hauptsächlich nach chem. Verfahren.

a) Reinigung von Metallbeizereiabwässern. Zur Veredlung der Metalloberflächen wendet man häufig Beizverfahren an. Dabei werden vor der Weiterverarbeitung störende sauerstoffhaltige Schichten der Metalloberfläche durch Anwendung von Säuren wie Schwefel-, Salz-, Salpeter- oder Flußsäure beseitigt und anschließend mit Wasser gespült. Schwefelsaures Eisenbeizereiabwasser enthält z. B. je Liter etwa 100 g freie Schwefelsäure und 700 g Eisen(II)-sulfat FeSO4. Zur Reinigung solcher Abwässer sind zahlreiche modifizierte Verfahren entwickelt worden, wobei die Beizen vernichtet oder ihre Inhaltsstoffe, z. B. Säuren und Metallsalze, wiedergewonnen werden können. Durch Neutralisation mit Ammoniumhydroxid, Kalk, Natronlauge oder Soda werden Ammonium-, Calcium- oder Natriumsalze und Eisen(II)-hydroxid gewonnen; letzteres wird durch anschließende Belüftung in Eisen(III)-oxidhydrat umgesetzt: 2 FeSO4 + 4 NH4OH → 2 Fe(OH)2 + 2 (NH4)2SO4, 2 Fe(OH)2 + 1/2 O2 + H2O → Fe2O3·3 H2O. Unter Zusatz von Schwefelsäure läßt sich aus Eisen(II)-sulfathaltigen Beizereiabwässern durch Kristallisation im Temperaturbereich von 65 bis 100 °C das Monohydrat FeSO4·H2O abscheiden. Bei der Abkühlung der Beizen mit Kühlsole ohne schwefelsauren Zusatz entsteht das Heptahydrat FeSO4·7 H2O. Die von FeSO4 weitestgehend befreite schwefelsaure Lösung wird wieder mit Schwefelsäure angereichert (je nach Beizverfahren auf 5 bis 20 %):

b) Reinigung von Abwässern galvanischer Betriebe. Galvanikabwässer können Cyanide in einfacher oder komplexer Bindung und Metalle in saurer Lösung enthalten, z. B. chromhaltige Bestandteile. Die Entgiftung der cyanidhaltigen Abwässer, z. B. Kaliumtetracyanozinkat K2[Zn(CN)4], die teilweise mehr als 100 mg CN je Liter enthalten können, erfolgt durch Oxidation mit Kaliumhypochlorit, wobei als Zwischenprodukte die weniger giftigen Cyanate entstehen: K2[Zn(CN)4] + 4 KOCl → ZnCl2 + 2 KCl + 4 KCNO, 4 KCNO + 2 H2SO4 → 2 K2SO4 + 4 HCNO, 4 HCNO + 4 H2O → 4 CO2 + 4 NH3. Beim Ausblaseverfahren werden die Abwässer mit Schwefelsäure angesäuert, wobei freie Blausäure entsteht, die in besonderen Aggregaten durch Einblasen von Luft ausgetrieben wird: K2[Zn(CN)4] + 2 H2SO4 → K2SO4 + ZnSO4 + 4 HCN, 2 NaCN + H2SO4 → Na2SO4 + 2 HCN. Chromhaltige Abwässer werden mit FeSO4-Lösungen behandelt, wobei Chrom(III)-Salze entstehen: 2 CrO42- + 6 Fe2+ + 16 H+ → 6 Fe3+ + 2 Cr3+ + 8 H2O. Auch mit Austauscherharzen (Ionenaustauscher) können Metalle aus galvanischen Abwässern beseitigt werden.

c) Reinigung von radioaktiv verseuchten Abwässern (Entaktivierung). Radioaktive Abwässer entstehen vorwiegend bei Kernprozessen in Reaktoren sowie bei Forschungsarbeiten in Laboratorien. Die Konzentration radioaktiver Substanzen in derartigen Abwässern ist verhältnismäßig gering; trotzdem kann ihre Strahlungsintensität sehr beträchtlich sein und bei Ableitung in ein Gewässer den geforderten Grenzwert stark überschreiten. Durch Verdampfung kann man die Abwässer mengenmäßig verringern, wobei sich der mit aktivem Material angereicherte Destillationsrückstand leichter erfassen und aufbereiten läßt. Durch chem. Fällung mit Silicaten, Phosphaten und Oxidhydraten der Erdalkalien, des Aluminiums oder des Eisens können unter bestimmten Bedingungen die aktiven Stoffe in den entstehenden Schlämmen adsorbiert werden.

Abwasserrreinigung. Tab. 2: Verfahrensstufen der Abwasserreinigung.

Stufe Apparat Mittlere Verweilzeit in min Bemerkungen
Absieben von groben
bzw. sperrigen Feststoffen
Grob- und
Feinrechen
1 für jede Abwaserbehand-
lungsanlage notwendig
Absetzen von Sand und Steinen Sandfang 5 für jede Abwasserbehand-
lungsanlage notwendig
Abscheiden von Flüssig-
keiten und Stoffen, die
leichter als Wasser sind
Leichtflüssigkeits-
abscheider
5 ... 10 nur bei Notwendigkeit
Einstellen des pH-Wertes Neutralisations-
behälter
5 nur bei Notwendigkeit
(z. B. Industrieabwässer)
Fällung von schädlichen
Ionen, Ausflockung von
Kolloiden
Fällungs-/
Flockungsbecken
10 ... 20 nur bei Notwendigkeit
Zurückhalten des Fällungs-
und Flockungsschlammes
und aller weiteren absetzbaren
Stoffe
Absetzbecken I
(Vorklärbecken)
60 ... 120 für jede Abwasserbehand-
lungsanlage notwendig
biologischer Abbau
organischer Stoffe
Rieselturm,
Belebungsbecken,
Tropfkörper
60 ... 120 notwendig in Abhängigkeit
vom Verschmutzungsgrad
des Abwassers und vom
Zustand des Vorfluters
Zurückhalten der Stoffe, die
durch biologische und
chemische Vorgänge in eine
absetzbare Form umgewandelt
wurden
Absetzbecken II
(Nachklärbecken)
60 ... 120 nur im Zusammenhang mit
biologischen Behandlungs-
anlagen notwendig
Eliminierung vorrangig von
Phosphor- und Stickstoff-
verbindungen (3. Reinigungs-
stufe)
Misch- und
Flockungsbecken,
Absetzbecken
10 ... 20 notwendig in Abhängigkeit
vom Zustand des Ge-
wässers, in welches das ge-
reinigte Abwasser ein-
geleitet wird
Einleiten des Abwassers in
Vorfluter
Abwassergraben 60 ... 120 je nach Möglichkeit und
Zustand des gereinigten
Abwassers auch Wieder-
oder Weiterverwendung
(z. B. Bewässerung, Infiltra-
tion, Kühlwasser)

Die mit radioaktivem Material angereicherten Schlämme müssen unter besonderen Sicherheitsbestimmungen nach vorgeschriebenen Verfahren beseitigt werden. Umweltrisiken sind nicht immer vollständig auszuschließen.

Zunehmende Bedeutung hat die Reduzierung von Phosphaten erlangt, die als Minimumfaktor bei der Gewässereutrophierung angesehen werden können. Dazu wird im wesentlichen eine Fällung mit Kalk, Eisen- oder Aluminiumsalzen angewendet.

2) Reinigung von Abwässern mit vorwiegend organischen Bestandteilen. Zu dieser Abwassergruppe gehören unter anderem die häuslichen Abwässer und die phenolhaltigen Abwässer der Kohleveredlungsindustrie. Neben chem. und physikalischen Reinigungsverfahren werden hier vorwiegend biochem. Verfahren angewendet. Die Abwässer aus Gaswerken, Steinkohlen- und Braunkohlenschwelereien, Kokereien, Teerdestillationen, Erdölverarbeitungsbetrieben, Hydrierwerken, Generatoranlagen sowie aus Betrieben zur Herstellung von Duroplasten, Dachpappe und anderen chem. Produkten sind stark phenolhaltig und können außerdem Fettsäuren unterschiedlicher Kettenlänge, Ammoniak, Amine, Schwefelwasserstoff, Cyanide, Alkohole, Ketone, Aldehyde u. a. enthalten. Phenole sind starke Fischgifte, sie verfärben das Wasser, teilweise treten Schäume auf, außerdem verbreiten phenolhaltige Wässer einen unangenehmen Geruch. Grundwasserverunreinigungen durch Spuren von Phenol können, besonders nach Chlorung, die Trinkwasserversorgung stark beeinträchtigen. Die Reinigung phenolhaltiger Abwässer kann sowohl zur Vernichtung seiner Inhaltsstoffe als auch zur Rückgewinnung der Phenole betrieben werden. Letztere Verfahrensweise bedeutet jedoch nur eine Teilreinigung der Abwässer. Zu den besten Vorreinigungsverfahren zählt die Extraktion mit Benzol oder mit einem Gemisch aliphatischer Ester, z. B. des Butylacetats (Phenosolvanverfahren). Bei diesem Verfahren kann die Verseifung des Butylacetats nicht vernachlässigt werden. Deshalb setzt man heute in vielen Phenosolvananlagen den nicht verseifbaren Diisopropylether als Extraktionsmittel ein. Die Abwässer werden vor der Extraktion mit Luft oder Kohlendioxid begast, um Schwefelwasserstoff und Sulfide zu beseitigen. Beim Ausdampfverfahren bläst man in das zum Sieden gebrachte Phenolabwasser Dampf, wobei neben anderen flüchtigen Stoffen vorwiegend die einwertigen Phenole abgetrieben und in Natronlauge als Phenolatlauge aufgefangen werden. Beim Koppersverfahren werden die Abwässer vor der Verdampfung von Kohlendioxid und Schwefelwasserstoffsäure befreit, indem man kurzzeitig Dampf einbläst, damit die Natronlauge nicht durch unerwünschte Stoffe frühzeitig verbraucht wird. Bei diesem Verfahren verbleiben die mehrwertigen Phenole im Abwasser. Auch Adsorptionsverfahren mit Aktivkohle oder der hochaktive Multiklonstaub der mit Braunkohle betriebenen Winklergeneratorenanlagen eignen sich zur Reinigung phenolhaltiger Abwässer. Weitere bisher nur wenig angewandte Reinigungsmöglichkeiten für phenolhaltige Abwässer sind unter anderem die katalytische und die anodische Oxidation, Hochchlorierungs-, Ozonisierungs- und Chlordioxidverfahren.

Da bei einer Reihe von Verfahren die Entfernung der Phenole aus dem Abwasser nicht ausreichend ist, müssen die Phenoldünnwässer meist einer weiteren Behandlungsstufe (biologische Behandlung) zugeführt werden.

3) Reinigung von Abwässern mit anorganischen und organischen Bestandteilen. Zu dieser Abwassergruppe gehören z. B. städtische Abwässer dann, wenn in ihnen die häuslichen und die industriellen Abfallstoffe vereinigt sind. Die dabei einer Kläranlage zufließenden Abwässer werden zunächst durch Rechenaggregate von gröberen Feststoffen und in Sandfängen von mitgespültem Sand befreit. Anschließend passiert das Abwasser, sofern notwendig, einen Leichtflüssigkeitsabscheider (Abb. 1). Durch Zudosieren von Natronlauge oder Schwefelsäure wird das aus dem Leichtflüssigkeitsabscheider kommende Abwasser auf einen pH-Wert von etwa 7 eingestellt. Mit der pH-Einstellung beginnt bereits die Ausfällung von Schwermetall-Ionen, Phosphaten und Arsenaten, die dann in einem nachgeschalteten Becken durch Zusatz von Fällungs- und Flockungsmitteln nahezu vollständig erfolgt. Als Fällungs- und Flockungsmittel werden vor allem Eisen(II)-sulfat, Aluminiumsulfat und Kalk eingesetzt. Flockung und Fällung können auch in getrennten Becken durchgeführt werden, wobei man als Fällungsmittel z. B. für Phosphate, Arsenate, Fluoride, Fettsäuren und Übergangsmetall-Ionen Ca(OH)2 in Form von Kalkmilch verwendet.



Abwasserreinigung. Abb. 1: Rechteckiger offener Leichtflüssigkeitsabscheider für größere Durchflüsse.



Abwasserreinigung. Abb. 2: Absetzbecken mit Räumerwagen und Räumschild.



Abwasserreinigung. Abb. 3: Tropfkörper.

Im anschließenden Absetzbecken (Abb. 2) läßt man die im Fällungs- und Flockungsbecken gebildeten Feststoffe sedimentieren. Danach führt man das so geklärte Abwasser einer biologischen Reinigungsstufe zu, bei der die noch im Abwasser vorhandenen organischen Verunreinigungen einem aeroben bakteriellen Abbau unterzogen werden. Hierfür werden Rieseltürme bzw. Tropfkörper oder belüftete Belebungsbecken eingesetzt. Beim Tropfkörperverfahren (Abb. 3) werden gut durchlüftete Rundbehälter (Tropfkörper) mit Schlacke, Steinschotter oder ähnlichen porösen Materialien gefüllt. Während diese Tropfkörperfüllung von oben mit Hilfe von Drehsprengern oder anderen Verteilungseinrichtungen mit Abwasser berieselt wird, bildet sich auf den Brocken ein biologischer Rasen, der die Abwasserinhaltsstoffe abbaut. Die Tropfkörperhöhe beträgt 3 bis 4,5 m. Beim Belebtschlammverfahren (Belebungsverfahren, Schlammbelebungsverfahren) wird in der biologischen Abwasserstufe dem Abwasser im Belebungsbecken Belebtschlamm (Bioschlamm) zugesetzt. Dieser setzt sich aus einer Vielzahl besonders heterotropher Mikroorganismen und Bakterien sowie aus kolloidalen Stoffen und Schwebstoffen zusammen, die eine Art "belebte Flocke" bilden. Die Mikroorganismen bauen die im Abwasser gelöst enthaltenen organischen Wasserinhaltsstoffe ab. Dabei fällt ein Schlamm an, der in einer nachgeschalteten Sedimentationsstufe vom Abwasser getrennt und teilweise in den Prozeß zurückgeführt wird. Der überschüssige Belebtschlamm kann nach einer entsprechenden Schlammbehandlung z. B. einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.

Die zu entfernenden Abwasserinhaltsstoffe werden durch die den biologischen Rasen oder die belebte Flocke bildenden Kleinlebewesen entweder adsorbiert (angelagert) oder absorbiert (aufgezehrt). Bei allen biologischen Behandlungsverfahren ist immer für eine ausreichende Menge Sauerstoff zu sorgen, damit die Kleinlebewesen atmen können.

Das so gereinigte Abwasser ist bereits sehr sauber, kann aber unter Umständen noch eine relativ große Menge an Phosphor- und Stickstoffverbindungen enthalten. Sie werden durch bestimmte Verfahren (allgemein zusammengefaßt unter dem Begriff dritte Reinigungsstufe oder weitergehende Abwasserbehandlung) aus dem Abwasser eliminiert.

Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit biologischer Verfahren läßt sich insbesondere bei der Reinigung organischer industrieller Abwässer, die im Gegensatz zu den häuslichen oder städtischen Abwässern keine oder nur wenig phosphor- oder stickstoffhaltige Verbindungen enthalten, dadurch erzielen, daß künstlich Phosphate oder Ammoniumsalze zugeführt werden.

Ein charakteristisches Beispiel für vorwiegend organisch verunreinigte industrielle Abwässer, bei denen zur Reinigung bzw. zur Wiederverwendung spezieller Inhaltsstoffe ein derartiger Zusatz vorteilhaft ist, sind die Abwässer der Zellstoffabriken. Die Menge der beim Kochen anfallenden Sulfitablauge der Zellstoffabriken ist beträchtlich, sie beträgt je Tonne Zellstoff 10 m3. Je nach Arbeitsweise entstehen außerdem je Tonne gebleichten Zellstoffes 1000 m3 Waschwasseranfall. Bei der Verarbeitung von Fichtenholz anfallende, etwa 10- bis 12%ige Sulfitablauge besteht in der Trockensubstanz aus 20 % anorganischen Bestandteilen (Ca2+ und H2SO3) und 80 % organischen Materialien; davon entfallen 70 % auf Verbindungen der Ligninsulfonsäure, 22 bis 24 % auf verschiedene Holzzuckerarten und 5 bis 6 % auf Harze. Der Zucker (Hexosen) ist mit Hefe zu Alkohol vergärbar. Durch besondere Hefearten oder Myzelpilze läßt sich die Gesamtmenge der Kohlenhydrate unter Zusatz von Phosphat- und Ammoniumsalzen zu Eiweißfutter verarbeiten. Eine wirtschaftliche technische Wiedergewinnung der Calciumhydrogensulfitablauge ist noch nicht gelungen. Die in den Abwässern befindlichen Faserstoffmengen werden in Absetzanlagen zurückgehalten und über Saugzellenfilter zurückgewonnen. Die aerob biochemisch nicht abbaubaren Ligninstoffe könnten z. B. als Rohstoff für bestimmte Kunststofftypen eingesetzt werden. Für eingedickte Sulfitablaugen bestehen Verwertungsmöglichkeiten z. B. als Klebemittel, als Bindemittel bei der Kohlebrikettierung und als Ersatzmittel oder Streckmittel für Gerbstoffe.

Für hochgradig verschmutzte industrielle Abwässer hat sich im wesentlichen die Erkenntnis durchgesetzt, daß eine separate Reinigung direkt am Anfallort in den meisten Fällen die wirtschaftlichste Lösung darstellt. Eine Vermischung mit anderen, z. B. häuslichen Abwässern führt fast immer zu Problemen und damit zu aufwendigeren technisch-technologischen Lösungen.

Die gereinigten Abwässer können auf großen Flächen verrieselt oder in die angrenzenden Vorfluter eingeleitet werden. In Faulkammern oder Behältern werden Abwasserschlämme, z. T. aber auch direkt häusliche Abwässer, unter Luftabschluß bei Temperaturen zwischen 30 und 35 °C in schwach alkalischem Medium mit Hilfe bestimmter Bakterienarten zersetzt und damit gereinigt, wobei erhebliche Mengen Methangas gewonnen werden können (Biogas. Tab. 1).

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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