Lexikon der Chemie: chiroptische Methoden
chiroptische Methoden, Methoden zur Untersuchung der Chiralität von Substanzen. Es gehören dazu Untersuchungen zum Circulardichroismus (CD), zur optischenRotationsdispersion (ORD) sowie zu den durch ein Magnetfeld induzierten Phänomenen des Magnetocirculardichroismus (MCD) und der magnetooptischenRotationsdispersion (MORD). Die c. M. messen die bei einer Wechselwirkung von polarisiertem Licht mit einem chiralen Medium auftretenden Effekte und sind für die Strukturaufklärung optisch aktiver Verbindungen von großer Bedeutung. Wie Abb.1 zeigt, kann man sich einen linear polarisierten Lichtstrahl aus zwei kohärenten, zirkular polarisierten Strahlen entgegengesetzten Drehsinns zusammengesetzt denken. ORD und CD kommen wie folgt zustande:
chiroptische Methoden. Abb. 1: Linear polarisiertes und elliptisch polarisiertes Licht.
1) Der Brechungsindex und damit auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit für links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht sind verschieden. Als Folge davon weisen nach Verlassen des optisch aktiven Mediums links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht einen Phasenunterschied auf, so daß die Überlagerung zu linear polarisiertem Licht nicht in der ursprünglichen Polarisationsebene, sondern in einer Ebene, die um den Winkel α dagegen verdreht ist, erfolgt. Diese Erscheinung ist als optische Rotation oder optische Drehung bekannt. Sie wird zahlenmäßig durch die spezifische Rotation [α] oder die molare Rotation [Φ] = M ·10-2 [α] beschrieben. Unter ORD versteht man die Abhängigkeit der optischen Rotation von der Wellenlänge des polarisierten Lichtstrahls. Sie wird mit Spektralpolarimetern gemessen. ORD-Kurven werden dargestellt, indem man die molare Rotation als Funktion der Wellenlänge aufträgt (Abb. 2).
2) Der molare Extinktionskoeffizient für links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht ist verschieden. Als Folge davon weisen nach dem Verlassen des optisch aktiven Mediums links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht eine unterschiedliche
chiroptische Methoden. Abb. 2: Normale positive (a) und normale negative (b) ORD-Kurve.
Intensität auf, so daß ihre Überlagerung nicht mehr zu linear, sondern zu elliptisch polarisiertem Licht führt (Abb. 1). Diese Erscheinung wird Circulardichroismus (CD) genannt. CD wird mit einem Dichrometer gemessen. Seine Größe kann durch die Differenz der molaren Extinktionskoeffizienten für links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht Δε = εe – εr oder durch die molare Elliptizität [Θ] angegeben werden. Beide Einheiten sind durch die Beziehung [Θ] = 3300 Δε verknüpft. CD-Kurven werden dargestellt, indem man Δε oder [Θ] in Abhängigkeit von der Wellenlänge aufträgt (Abb. 3). CD wird innerhalb von Absorptionsbanden beobachtet, die von Elektronenübergängen herrühren. Es ist allerdings auch von CD an Schwingungsbanden berichtet worden.
chiroptische Methoden. Abb. 3: Negativer Cotton-Eeffekt. B Berg, T Tal, a Amplitude des Cotton-Effektes.
Mißt man die Abhängigkeit der optischen Rotation von der Wellenlänge im Bereich einer Absorptionsbande, so bewirkt der dort vorhandene CD, daß sich im Bereich dieser Absorptionsbande der normalen ORD-Kurve ein S-förmiger Anteil überlagert. Eine Kurve dieser Art nennt man anormale ORD-Kurve. Die beiden Effekte, anormale ORD und CD, faßt man als Cotton-Effekt zusammen. Der Zusammenhang zwischen anormaler ORD und CD ist aus Abb. 3 ersichtlich. Bei Kenntnis einer der beiden Kurven läßt sich die andere berechnen. Weist die ORD-Kurve im Gebiet einer Elektronenanregung eine Feinstruktur auf, so spricht man von einem multiplen Cotton-Effekt. Im Falle eines positiven CD kommt in der anormalen ORD-Kurve, wenn man sie von großen zu kleinen Wellenlängen hin betrachtet, zuerst ein Berg, dann ein Tal. Bei negativen CD ist es umgekehrt (positiver oder negativer Cotton-Effekt). Als Maß für die Größe des Cotton-Effektes gibt man die Amplitude a an, die die Differenz zwischen den molaren Rotationen an den beiden Extremwerten der Kurve darstellt: a = ([Φ1] – [Φ2]·10-2.
Größe und teilweise auch Vorzeichen des Cotton-Effektes sind lösungsmittelabhängig. Der Cotton-Effekt tritt immer dann auf, wenn eine chirale Verbindung in der Nähe des Chiralitätszentrums eine chromophore Gruppe aufweist, z. B. eine Carbonylgruppe.
Bis etwa 1965 wurden aus apparativen Gründen vorwiegend ORD-Messungen vorgenommen. Die Entwicklung kommerzieller Geräte zur Messung des CD haben dazu geführt, daß heute CD-Messungen bevorzugt sind, weil CD-Kurven einfacher in ihrer Form und besonders in komplexen Molekülen mit mehreren chromophoren Gruppen und überlappenden Absorptionen leichter zu interpretieren sind.
Von Faraday wurde festgestellt, daß durch ein Magnetfeld optische Aktivität induziert werden kann ( Faraday-Effekt), so daß auch bei achiralen Verbindungen ORD und CD beachtet werden können, die hier als MCD und MORD bezeichnet werden.
Mit Hilfe empirischer und halbempirischer Regeln können Vorzeichen und Größe des Cottoneffektes mit der Geometrie der Moleküle in Beziehung gebracht werden, wobei hauptsächlich die Bestimmung absoluter und relativer Konfigurationen sowie Konformationsuntersuchungen besonders an Naturstoffen im Vordergrund stehen. Wie empfindlich diese Methode selbst auf geringfügige sterische Unterschiede reagiert, zeigt Abb. 4.
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