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Lexikon der Chemie: Elementarteilchen

Elementarteilchen, nach gegenwärtiger Kenntnis kleinste Bausteine der Materie. Bis Ende des 19. Jh. galten die Atome als kleinste, nicht weiter zerlegbare Grundbausteine der Materie. Es erwies sich jedoch, daß die Atome aus einer Hülle von Elektronen und einem Kern bestehen, der in komplizierter Weise aus Protonen und Neutronen aufgebaut ist (Atommodell). Protonen, Neutronen, Elektronen und Photonen werden als klassische E. bezeichnet. Neben diesen klassischen E. ist inzwischen eine große Anzahl weiterer E. entdeckt worden, deren Eigenschaften gegenwärtig noch nicht durch eine einheitliche Theorie beschrieben werden können. Unter geeigneten Bedingungen können aus einem oder mehreren E. andere entstehen. Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen, dessen Eigenschaften in einer typischen Beziehung zu denen des Teilchens stehen. Besitzt ein Teilchen die Ladung Q, so beträgt diejenige des entsprechenden Antiteilchens -Q. In Masse, mittlerer Lebensdauer und Spin, der anschaulich als eine Art Eigendrehimpuls gedeutet werden kann, stimmen die Antiteilchen mit ihren Partnern im wesentlichen überein.

Elementarteilchen. Tab.: Wichtige Beispiele.

Symbol Masse in GeV/c2 Ladung in
at. E.
Spin Lebens-
dauer in s
wichtige Zerfälle
Photon γ 0 0 1
Leptonen
Elektron e- 5,11 · 10-4 -1 1/2
Myon μ- 0,1057 -1 1/2 2,2 · 10-6 e- ν-e νm
Schweres Lepton τ~ 1,782 -1 1/2 ? μ- ν-e νm, e- ν-e νm
Elektron-Neutrino νc 0 0 1/2
Myon-Neutrino νm 0 0 1/2
Mesonen
Pion π° 0,1350 0 0 0,83 · 10-16
Pion π+ 0,1396 +1 0 2,6 · 10-8 μ+νm
Eta-Meson η 0,549 0 0 2γ, 3π°
Kaon K+ 0,494 +1 0 1,24 · 10-8 μ+νm, π+π°,2π°π-
Kaon 0,498 0 0 50% 8,9 · 10-11 π+π-, 2π°, 3π°, π+π-π°
D-Meson D+ 1,868 +1 0 K-π+π+
D-Meson 1,863 0 0 K-π+π°
F-Meson F+ 2,03 +1 0
Baryonen
Proton p 0,9383 +1 1/2 ? p-
Neutron n 0,9396 0 1/2 918 pe- νe
Lambda Λ 1,116 0 1/2 2,6 · 10-10-, nπ°
Sigma Σ+ 1,189 +1 1/2 0,8 · 10-10 pπ°, nπ+
Sigma Σ° 1,192 0 1/2 5,8 · 10-20 Λγ
Sigma Σ- 1,197 -1 1/2 1,4 · 10-10-
Xi Θ° 1,315 0 1/2 2,9 · 10-10 Λπ°
Xi Θ- 1,321 -1 1/2 1,6 · 10-10 Λπ-
Omega Ω- 1,672 -1 3/2 1.0 · 10-10 Θ°π-, Θ-π°, ΛK-
Lambda-Charm Λc+ 2,295 +1 1/2 7,0 · 10-13+K-
Sigma-Charm Σc++ 2,426 +2 1/2 Λπ+π+π+π°

Das Antiteilchen wird meist durch einen Querstrich über dem Symbol bezeichnet, z. B. p- für Antiproton. Abweichend von dieser Regel bezeichnet e+ das Antielektron (Positron) und μ+ das Antimyon. Treffen Teilchen und Antiteilchen aufeinander, so vernichten sie sich gegeseitig unter Freisetzung von Energie, z. B. nach der Gleichung e+ + e- → 2γ (je 0,51 MeV). Dieser Prozeß spielt eine wesentliche Rolle bei der stellaren Energieerzeugung. Die scheinbare Instabilität von p- und e+ im Laboratorium rührt daher, daß sie in einer Umgebung, die Protonen und Elektronen enthält, mit großer Wahrscheinlichkeit einer solchen Paarvernichtung unterliegen. Die Einteilung der E. beruht auf den unterschiedlichen Wechselwirkungen, die zwischen ihnen auftreten. Danach unterscheidet man zwischen Hadronen, Leptonen und intermediären Bosonen, die ein Bindeglied zwischen den beiden erstgenannten E. darstellen und deren bisher einziger Vertreter das Photon ist. Hadronen sind E., die der starken Wechselwirkung unterliegen. Sie werden in Baryonen und Mesonen unterteilt. (Tab.). Baryonen sind schwere Teilchen mit halbzahligem Spin, zu denen auch die Nucleonen Proton und Neutron gehören. Mesonen stellen ausschließlich kurzlebige E. mit ganzzahligem Spin dar, die in der kosmischen Strahlung vorkommen oder in Beschleunigern erzeugt werden können. Ihr Name stammt daher, daß die ersten Vertreter dieser Teilchensorte eine Masse zwischen der des Elektrons und der von Nucleonen aufweisen. Zur Gruppe der Leptonen gehören Elektronen, Myonen, Tauonen sowie alle Arten von Neutrinos. Der Umstand, daß Elektronen und Myonen sehr leichte E. darstellen und Neutrinos wahrscheinlich masselos sind, hat zur Bezeichnung Leptonen, d. h. leichte Teilchen, geführt. Die Besonderheit der Leptonen besteht darin, daß sie nicht der starken Wechselwirkung unterliegen.

Seit etwa 1950 werden in Großbeschleunigern zunehmend neue Teilchen entdeckt, so kennt man heute über 200 Hadronen. Darüber hinaus weiß man seit einiger Zeit aus Streuexperimenten mit Elektronen und Neutrinos, daß Protonen und Neutronen nicht elementar sind, sondern eine "Dreipunkte-Struktur" aufweisen. Diese Befunde führten Gellmann und Zweig (1964) zu der Hypothese, daß Nucleonen aus kleineren Teilchen zusammengesetzt sind, die nach Joyce als Quarks bezeichnet werden. Inzwischen ist die künstliche Erzeugung von Quark-Antiquark-Paaren und deren Nachweis gelungen. Im Gegensatz zu bisherigen Vorstellungen, wonach elektrische Ladungen nur als ganzzahlige Vielfache der Elementarladung auftreten können, beträgt die Ladung der Quarks entweder 2/3 oder -1/3 dieser Bezugsladung. Ihr Spin kann die Werte +1/2 bzw. -1/2 annehmen. Darüber hinaus sind die Quarks noch durch drei weitere Quantenzustände bestimmt. Das Quarkmodell eröffnet die Möglichkeit, die Vielfalt der beobachteten Hadronen auf einige wenige fundamentale Bausteine zurückzuführen. So können drei entsprechende Quarks ein Baryon mit halbzahligem Spin bilden. Die Vereinigung eines Quark mit einem entsprechenden Antiquark ergibt ein Meson mit dem Gesamtspin 0 oder 1. Obwohl bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der Quarkhypothese mit der Suche nach diesen fundamentalen Teilchen begonnen wurde, konnte bisher die Existenz freier Quarks noch nicht nachgewiesen werden. Von Hirai wurde eine über das Quarkmodell hinausgehende Hypothese aufgestellt, wonach es noch kleinere Elementarteilchen geben könnte, aus denen wiederum alle Quarks und Leptonen aufgebaut sind. Er postulierte als unteilbare E. die beiden Reshonen T und V (von Tohu und Vabohu abgeleitet) sowie deren Antiteilchen -T und -V. Insgesamt zeigt dieser kurze und notwendigerweise unvollständige Abriß, daß die Frage nach dem Zusammenhang der Grundbausteine der Materie noch weitgehend offen ist und einen besonderen Schwerpunkt der aktuellen theoretischen und experimentellen Forschung darstellt.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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