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Lexikon der Chemie: Erdgas

Erdgas, Naturgas, in der Erdkruste in großen Lagerstätten vorkommendes hochwertiges, brennbares Gas. Es entsteht unter ähnlichen Bedingungen wie Erdöl und kommt deshalb häufig mit ihm zusammen vor, findet sich aber auch vielfach allein, vor allem in porösen Gesteinen. Das mit Erdöl vergesellschaftet vorkommende E. ist je nach dem Lagerstättendruck, der bis zu 100 MPa betragen kann, in Erdöl teilweise gelöst und wird bei der Entspannung des Öles freigegeben (Erdölbegleitgas).

Zusammensetzung. Neben E., die fast nur Methan oder andere leichte Kohlenwasserstoffgase enthalten (trockene E.), kommen andere E. vor, in denen beträchtliche Anteile an leicht zu verflüssigenden Kohlenwasserstoffen, z. B. Propan, Butan, Pentan und auch höhere gesättigte Kohlenwasserstoffe, vorhanden sind (nasse E.). Außer Kohlenwasserstoffen können die E. noch sehr unterschiedliche Mengen an Stickstoff, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff enthalten. Sauerstoff und Kohlenmonoxid treten in E. nur selten und in Spuren auf. Einige E. haben einen bemerkenswerten Gehalt an Helium (bis zu 7 %); sie bilden das wichtigste Ausgangsmaterial für die Heliumgewinnung (Helium). Nicht zu vernachlässigen ist der Gehalt aller E. an Wasserdampf, der vor dem Transport durch geeignete Maßnahmen abgetrennt werden muß.

Gewinnung und Förderung. Das E. vermag durch seinen eigenen Druck durch den Porenraum des Gesteins bis zur Förderbohrung und in dieser bis zur Oberfläche zu strömen. In den meisten Fällen reicht diese Lagerstättenenergie sogar dazu aus, das E. über das Ferngasleitungsnetz bis zum Verbraucher zu transportieren. Die Lagerstättenenergie besteht 1) in dem Druck des komprimierten E. (Gasexpansionstrieb), 2) in dem Druck des nachdrängenden Randwassers wie bei Erdöllagerstätten (Wassertrieb). Die Erdgasausbeute aus einer Lagerstätte erreicht bis zu 90 % des Erdgasvorrates.

Speicherung. Man kann E. wie anderes Gas oberirdisch in beschränktem Umfang in Gassonden speichern. Wirtschaftlicher ist die unterirdische Erdgasspeicherung. Hierbei wird eine schon erschöpfte Öl- oder Gaslagerstätte wieder mit Gas aufgefüllt. Ein derartiger Speicher erfaßt bis zu einigen Mrd. m3. Eine andere, sehr vorteilhafte Speicherart mit hoher Gasverfügbarkeit stellen Kavernen in Salzstöcken dar, die zu diesem Zweck über Bohrungen ausgesolt wurden. Eine Kaverne kann bis 500000 m3 Hohlraumvolumen besitzen und bis zu 50 Mill. m3 Gas speichern.

Der Transport von E. erfolgt vorwiegend in Rohrleitungen (Pipeline), die mit einem Druck von 2 bis 5 MPa arbeiten, es existieren aber auch Hochdruckleitungen mit einem Druck bis 40 MPa.

Aufbereitung. Vor dem Transport und der Weiterverarbeitung muß das E. getrocknet und gereinigt werden, da es sonst in den Rohrleitungen zur Ansammlung von Wasser und zur Ausscheidung von Gashydraten oder Eiskristallen kommen kann. Die Trocknung kann nach verschiedenen Verfahren erfolgen. 1) Bei der Trocknung durch Expansion des Gases scheidet sich durch die Abkühlung ein Teil des Wasserdampfes als flüssiges Wasser ab. 2) Trocknung durch Waschen mit geeigneten Flüssigkeiten, hauptsächlich Diethylenglycol und Triethylenglycol. 3) Trocknung durch feste Adsorptionsmittel, insbesondere Molekularsiebe, Kieselsäuregel oder aktiviertes Aluminiumoxid. Die nassen E. werden durch Adsorption an Aktivkohle oder durch ein Gaswäscheverfahren von den C5- und C6-Kohlenwasserstoffen befreit. Die H2S-haltigen E. werden mit Hilfe eines selektiven Lösungsmittels (Sulfolan/Diisopropanolamin, Sulfosolvanlösung, Diethylenglycol/Triethanolamin u. a.) vom H2S befreit (Abb.).

Eigenschaften. Die Dichte des E. schwankt zwischen 0,7 g dm-3 für ein trockenes E. und 1,3 g dm-3 für ein nasses E. im Normzustand. Trockenes E. hat einen Heizwert von 16000 bis 32000 kJ/m3 (im Normzustand), nasses E. bis zu 50000 kJ/m3. In Feuerungen werden im allgemeinen nur trockene E. verbrannt. Erdgas-Luft-Gemische können bei einem Gehalt von 5 bis 14 % E. explodieren.

Vorkommen. Die wichtigsten Erdgasförderländer sind Rußland, die USA, Kanada, die Niederlande und Algerien. Die wahrscheinlichen Erdgasvorräte in der Welt sind geringer als die Erdölvorräte und werden auf etwa 700 Mrd. t SKE geschätzt. Davon gelten 100 Mrd. t SKE als sichere Vorräte (1 t SKE

29310 MJ

0,7 t Erdöl

830 m3 Erdgas).

Verwendung. E. wird als Rohstoff für die chem. Industrie und als Brennstoff benötigt. Die völlig geruchlosen E. werden dazu schwach odorisiert, damit Undichtigkeiten in den Gasleitungen (vor allem in Haushalten) sofort bemerkt werden. E. verwendet man ferner als Treibgas in Gasturbinen. Durch Pyrolyseprozesse (Pyrolyse) kann E. in das für viele petrolchem. Synthesen außerordentlich wichtige Ethin umgewandelt werden. Ein weiteres wichtiges Erdgaserzeugnis ist Ruß, der durch Verbrennung von E. gewonnen wird.

Die wichtigste Möglichkeit der chem. Verwertung von E. ist die Herstellung von Synthesegas. Von Bedeutung sind weiterhin die Herstellung von Schwefelkohlenstoff:



das Fluohm-Verfahren:



und das Andrussow-Verfahren zur Gewinnung von Blausäure:



und die Methanchlorierung z. B. zu Methylchlorid und Tetrachlorkohlenstoff.



Erdgas. Abb.: Schema der Erdgasaufbereitung.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
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Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
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Dr. Günter Kraus, Halle
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Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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