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Lexikon der Chemie: Extraktion

Extraktion, auf einem selektiven Lösevorgang beruhende Trennmethode, die als Fest-Flüssig-E. oder als Flüssig-Flüssig-E. durchgeführt werden kann. Bei der Fest-Flüssig-E. werden Komponenten durch bestimmte Extraktionsmittel aus einem Feststoffgemisch gezielt aufgenommen. Wird dazu Wasser als Lösungsmittel verwendet, bezeichnet man den Vorgang als Auslaugen. Diese E. kann z. B. zur Gewinnung von Naturstoffen oder zur Erzaufbereitung angewendet werden. Im Labor wird sie in Soxhlet-Extraktoren durchgeführt (Abb. 1). Bei der Flüssig-Flüssig-E. wird eine Flüssigkeit aus einem Flüssigkeitsgemisch oder ein gelöster Stoff aus einer Lösung abgetrennt. Wird eine Substanz zwischen zwei wenig oder nicht mischbaren flüssigen Phasen A und B verteilt, so stellt sich ein Lösungsgleichgewicht ein, wobei das Konzentrationsverhältnis der Substanz in beiden Phasen durch den Nernstschen Verteilungssatz beschrieben wird: cA/cB = K, wobei cA und cB die Konzentration der Substanz in Phase (Lösungsmittel) A bzw. B und K den Verteilungskoeffizienten bedeuten. Trägt man die Gleichgewichtskonzentration der Substanz in Phase A gegen ihre Konzentration in Phase B auf, so erhält man die Verteilungsisotherme. Sie ist eine Gerade, wenn der verteilte Stoff in den beiden Phasen in der gleichen Molekülart vorliegt. Der Anstieg der Geraden ergibt den Verteilungskoeffizienten.



Extraktion. Abb. 1: Soxhlet-Extraktor. (a) Kolben mit Lösungsmittel, (b) Extraktionsaufsatz mit Extraktionshülse, (c) Heberrohr, (d) Nebenrohr, (e) Rückflußkühler.



Extraktion. Abb. 2: Perforator. (a) Kolben zum Verdampfen der mobilen Phase und zum Sammeln der extrahierten Komponente, (b) stationäre, zu extrahierende Phase, (c) mobile Phase, läuft im beladenen Zustand in den Verdampfungskolben zurück, (d) trichterförmiges Glasohr zum Durchströmen der stationären Phase mit der mobilen Phase, (e) Rückflußkühler.

Nach der Technik des Verteilungsprozesses unterscheidet man die schubweise und die gleichförmige Verteilung. Innerhalb beider Arten muß die einfache und die multiplikative Verteilung unterschieden werden. Bei der schubweisen Verteilung werden die einzelnen Operationen, z. B. Zugabe frischer Phase, Gleichgewichtseinstellung, Phasentrennung, diskontinuierlich durchgeführt (im Laboratorium als Ausschütteln in Scheidetrichtern), während die Methode der gleichförmigen Verteilung kontinuierlich arbeitende Apparaturen verwendet. Die einfache E. (einfache Verteilung) besteht in einer einmaligen Gleichgewichtseinstellung zwischen den in einem Lösungsmittel A befindlichen Extraktionsgut und dem Extraktionsmittel B, wodurch man einen Extrakt und ein Raffinat erhält. In ersterem liegt die abzutrennende Komponente ihrem Verteilungskoeffizienten entsprechend angereichert vor. Die großen Verteilungskoeffizienten vieler organischer Verbindungen gestatten z. B. deren fast vollständige Überführung aus einem wäßrigen in ein organisches Lösungsmittel. Bei Gültigkeit des Nernstschen Verteilungssatzes läßt sich jedoch nachweisen, daß es zweckmäßiger ist, mit kleinen Portionen eines vorgegebenen Volumens an Extraktionsmittel mehrere E. durchzuführen als eine einzige mit dem Gesamtvolumen. Geeignete Apparaturen für die wiederholte E. sind Perforatoren (Abb. 2). Das Lösungsmittel wird dabei in einem Kolben ständig verdampft, in einem Rückflußkühler kondensiert, durchströmt fein verteilt die zu extrahierende Lösung und fließt durch einen Ablauf in den Siedekolben zurück.

Extraktion. Tab.: Verfahren der Flüssig-Flüssig-Extraktion.

Trennproblem Lösungsmittel Verfahren
Extraktion von Aromaten N-Methylcaprolactam
Diethylenglycol
N-Methylpyrrolidon
Tetramethylsulfon
Arex
Udex
Arosolvan
Sulfolan
Extraktion von Butadien Kupferacetat/ Ammoniak/Wasser CAA
Extraktion von Phosphorsäure Butanol Apex
Extraktion von Uranylnitrat Tributylphosphat
Extraktion von Caprolactam Trichlorethylen
Entphenolung von Abwässern Butylacetat
Diisopropylether
Tricresylphosphat
Phenosolvan
Phenosolvan
Extraktion von m-Xylol HF/BF3
Fluorwasserstoffsäure/Bortrifluorid
Mex
Extraktion von Naturstoffen überkritisches Kohlendioxid

Eine Verbesserung des Trenneffektes kann erzielt werden, wenn man das Extraktionsmittel B nach erfolgter einfacher Verteilung mit reinem Lösungsmittel A ausschüttet (retrogrades Ausschütteln, Retroextraktion). Auf diesem Prinzip baut auch die multiplikative E. (multiplikative Verteilung) auf. Bei dieser Vielstufenextraktion werden die beiden flüssigen Phasen im Gegenstrom zueinander bewegt und ständig ins Gleichgewicht gebracht, so daß teilweise mit gelöster Substanz angereicherter Extrakt mit frischer Lösung des Extraktionsgutes und teilweise extrahierte Lösung mit reinem Extraktionsmittel in Berührung kommen. Die verschiedenen Verfahren der multiplikativen E. unterscheiden sich z. B. dadurch, daß die beiden Phasen entweder schubweise oder gleichförmig übergeführt werden oder daß das Extraktionsgut auf einmal zu Beginn der Verteilung oder nach und nach bei jedem Verteilungsschritt zugesetzt wird. Während man im Labor vorwiegend nach Einstromverfahren (Craig-Verteilung, Martin-Synge-Verteilung) arbeitet, werden in der Industrie meist gleichförmige Gegenstromverfahren angewendet.

Mehrstufige Gegenstromextraktionen werden vorwiegend in zylindrischen Säulen (z. B. Drehscheibenkolonne) durchgeführt, wobei durch Einbauten oder Pulsation die Phasengrenze vergrößert wird und der durch Diffusion bestimmte Stoffaustausch zwischen den Phasen gefördert werden soll. Gegenstrom und Phasentrennung werden durch die Schwerkraft bewirkt. Andere Apparaturen (z. B. Mixer-Settler) bestehen aus einer Folge von Misch- und Absetzkammern mit intensiver Durchmischung und anschließender Phasentrennung, durch Pumpen oder ähnliche Dosier- und Transportmittel erfolgt der Phasentransport. Die E. wird in verschiedenartigsten Bereichen der Industrie angewendet, z. B. für die Gewinnung von aromatischen Kohlenwasserstoffen, aus aromatenhaltigen Fraktionen der Schwerbenzinreformierung, in der Naßmetallurgie, bei der Gewinnung von ätherischen Ölen, Fetten und Arzneimitteln. Die E. kann auch bei sehr hohen Drücken mit überkritischen Gasen (z. B. überkritischem Kohlendioxid) zur Gewinnung von Pflanzenextrakten (Gewürze, Koffein, u. a.) eingesetzt werden.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
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Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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