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Lexikon der Chemie: Klebstoff

Klebstoff, ein nichtmetallischer Werkstoff, der feste Körper durch Adhäsion und Kohäsion verbinden kann, ohne daß sich das Gefüge und andere Eigenschaften der zu verbindenden Körper wesentlich ändern. Der Hauptbestandteil, der Klebgrundstoff, besteht zum überwiegenden Teil aus polymeren Verbindungen oder deren Monomeren, er ist der wesentliche Träger der Klebeigenschaften. Der Klebgrundstoff muß flüssig oder durch Lösungsmittel gelöst, dispergiert oder geschmolzen vorliegen. Neben Löse- bzw. Dispergiermitteln können Füllstoffe, Streckmittel, Härter, Beschleuniger, Weichmacher, Netzmittel, Stabilisatoren und Verschnittmittel im K. enthalten sein. Die Klebfestigkeit beruht auf der Haftung (Adhäsion) der Moleküle des K. auf der Oberfläche des zu klebenden Werkstoffes und der inneren Festigkeit des K. (Kohäsion). Der K. schafft zwischen den Fügeteilen eine kraftschlüssige Verbindung. Bei einer mechanischen Beanspruchung der Klebverbindung verläuft der "Kraftfluß" von einem Fügeteil durch die Klebstoffschicht in das andere Fügeteil. Die Adhäsion stellt eine Energie je Fläche dar. Sie kann auch als Arbeit zur Überwindung eines Widerstandes angesehen werden. Da sie durch verschiedene Kräfte bewirkt wird, können verschiedene Arten der Adhäsion genannt werden. Die mechanische Adhäsion geht von der Beobachtung aus, daß der flüssige K. in die Vertiefungen und Poren des Fügeteiles eindringt, aushärtet und dort wie Dübel oder Druckknöpfe mechanisch verankert ist. Dieses Modell erklärt hinreichend die Haftung an porösen und faserigen Flächen, z. B. an Papier, Holz, Ziegelstein, Beton und ähnlichen Werkstoffen. Für die Haftung an Glas oder polierten Metallen kann die mechanische Adhäsion keine befriedigende Erklärung geben. Die spezifische Adhäsion beschreibt die Haftung durch molekularphysikalische und thermodynamische Vorgänge an der Grenzfläche sowie durch die Ausbildung chem. Bindungen. Die molekularphysikalische Deutung der Adhäsion geht vom Dipolcharakter der Moleküle aus (Polarisationstheorie). Sie besagt, daß K. und Fügeteil von annähernd gleichartiger Polarität sein müssen, um Adhäsion zu erzielen. Der Abstand zwischen Klebstoff- und Fügeteilmolekülen muß kleiner als 5·10-8 cm sein. Die Dipolmoleküle entwickeln eine Adhäsion, die der dritten Potenz ihres Abstandes umgekehrt proportional ist. Die Untersuchung der zwischenmolekularen Kräfte an der Grenzflächenschicht führt zur elektrostatischen Adhäsionstheorie. Diese geht von der Existenz einer elektrischen Doppelschicht in der Grenzflächenschicht von K. und Fügeteil aus. Die elektrostatischen Wechselwirkungen stehen in Korrelation zur Adhäsion. Ihre Bildung wird zurückgeführt auf die Diffusion von elektrischen Ladungsträgern, die an den Kontaktstellen zu einem thermodynamischen Gleichgewicht streben. Eine weitere Vorstellung geht von der Diffusion von Molekülen und Molekülsegmenten des K. zum Fügeteil oder umgekehrt aus. Die Diffusion von Molekülen oder -segmenten durch die Phasengrenzen führt zu einer "stoffschlüssigen Verbindung". Diese Theorie hat sich besonders bei der Interpretation von Kunststoffklebverbindungen bewährt. Das thermodynamische Modell geht von der Beobachtung aus, daß von jeder festen Oberfläche Kräfte ausgehen, die fremde Stoffe an dieser Fläche binden. An der Oberfläche wirken die nach außen gerichteten Kräfte auf die angrenzende Phase, die zur Adhäsion führen. In Einzelfällen wird die Ausbildung einer chem. Bindung zwischen K. und Fügeteiloberfläche für die Adhäsion bestimmend. Diese Anschauung wird z. B. durch die Schwefelbrücken zwischen Metall und vulkanisiertem Gummi gestützt. Der experimentelle Beweis der chem. Bindung in der Grenzschicht ist nur in wenigen Fällen gelungen. Die unterschiedliche Interpretation der Adhäsion zeigt den komplexen Charakter. Keines der Modelle ist allein zur vollständigen Erklärung der Adhäsion imstande. Die Kohäsion ist eine Kraft, die das Stoffgefüge zusammenhält. Sie wird vornehmlich durch die Molekülhauptkette erzeugt. Somit ist die innere Festigkeit des Klebstoffilmes von der Größe der Moleküle abhängig. Da andererseits die Adhäsion mit wachsender Molekülmasse abnimmt, sind K. durch eine Molekülgröße gekennzeichnet, die ein Maximum der Klebfestigkeit ergibt.

Einteilung der K. Man unterscheidet zwischen Leim, Klebdispersion, Kleblack, Reaktionsklebstoff und Schmelzklebstoff.

Leime sind wäßrige, meist kolloidale Lösungen von natürlichen und synthetischen Polymeren. Als natürliche pflanzliche Rohstoffe werden Stärke, Cellulose und vereinzelt Pflanzengummi eingesetzt. Die Hauptanwendung der Leime liegt im Bereich der Papier-, Kartonagen- und Textilindustrie. So bestehen Büro- und Etikettenleime für die Getränkeindustrie häufig aus Stärke oder Dextrin, einer chemisch oder thermisch abgebauten Stärke. Sehr hochviskose Lösungen werden auch als Kleister bezeichnet. Für Tapetenleime und für das Kleben von Zigarettenfiltern wird mit Erfolg der Methylether der Cellulose eingesetzt.

Aus natürlichem tierischem Eiweiß werden Glutin- und Caseinleime gefertigt. Die Glutinleime werden aus dem Kollagen der Häute (Hautleime), Knochen (Knochenleime) und Lederabfällen (Lederleime) gewonnen. Die Caseinleime werden aus Magermilch durch Ansäuern hergestellt. Caseinleim besteht aus pulverförmigem Casein, Calciumhydroxid, anorganischen Salzen und gegebenenfalls Konservierungsmitteln. Caseinleime werden mit kaltem Wasser angerührt. Die Glutin- und Caseinleime werden teilweise noch für die Holzverleimung und die Sperrholzherstellung verwendet. Speziell für die Produktion von Zündhölzern und Buntpapier sowie für Schmirgel- und Reibbeläge kommt Glutinleim zum Einsatz.

Für synthetische Leime werden bevorzugt Phenol-, Resorcin- und besonders Harnstoff-Formaldehyd-Harze verwendet. Diese Kondensationsharze werden in wasserlöslicher Form im Leim eingesetzt. Durch Härterzugabe wird die Kondensation in der Leimfuge zum Ende geführt (Resitzustand). Es entstehen recht stabile Klebverbindungen. Die Anwendung erfolgt bei der Herstellung von Sperrholz und Furnieren sowie als Bindemittel für Spanplatten.

In Klebdispersionen bildet der Klebgrundstoff die dispergierte Phase. Das Dispersionsmittel besteht aus Wasser. Die bedeutendsten Klebgrundstoffe sind Polyacrylat, Polyvinylacetat sowie Natur- und Synthesekautschuk. Der Feststoffgehalt liegt mit 40 bis 60 % bedeutend über dem der Kleblacke. Die Klebdispersionen werden durch Zusätze stabilisiert, z. B. die Polyvinylacetatdispersionen mit Polyvinylalkohol und die Naturkautschukdispersionen mit Ammoniak. Durch Füllstoffe können die Klebeigenschaften meist verbessert werden. Speziell mit Weichmachern, Harzen und Lösungsmitteln erfolgt eine Modifizierung der Polyvinylacetatdispersionen. Die Kautschuk- und Polyacrylatdispersionen werden für Klebebänder und Haftverbindungen genutzt. Die Polyvinylacetatdispersionen werden in der Möbelindustrie für Montageklebungen und im graphischen Gewerbe für buchbinderische Arbeiten eingesetzt.

Die Kleblacke sind Lösungen von Polymeren in organischen Lösungsmitteln. Nahezu alle löslichen Kunststoff- und Elastwerkstoffe sind geeignete Klebegrundstoffe. In der Praxis haben sich Natur- und Synthesekautschuk, Polyurethan, Polyacrylat, Polyvinylacetat, Polyvinylether, Polystyrol, Cellulosenitrat und nachchloriertes Polyvinylchlorid durchgesetzt. Um die Klebrigkeit der Kautschuklösungen zu erhöhen, werden häufig Zinkoxid oder Harze zugesetzt. Durch Vulkanisation mit Schwefel oder durch Vernetzung mit Isocyanaten wird die Wärme- und Alterungsbeständigkeit stark verbessert.

Reaktionsklebstoffe, vorzugsweise Metallklebstoffe, binden (härten) durch eine chem. Reaktion ab. In der Klebfuge wird aus einer flüssigen niedermolekularen Verbindung eine feste hochpolymere Verbindung gebildet. Die wichtigsten Verbindungen sind Enoxid-, Phenol- und ungesättigte Polyesterharze, Polyurethane, Siliconkautschuk und Polyacrylate. Sie werden als Zweikomponentensysteme, mitunter aber auch als Einkomponentensysteme angeboten. Ihre Anwendung besteht im Kleben von Metallen und allen diffusionsfesten Werkstoffen. Siliconkautschuk eignet sich besonders für das Verbinden von Glas, Keramik und Email. Die Anwendung von Phenolharzen mit Polyvinylformal ist als Redox-Verfahren für temperaturfeste Metallklebungen bekannt geworden. Unter der Bezeichnung Sekundenklebstoff sind Einkomponenten-Acrylat-Verbindungen entwickelt worden, die bevorzugt in der Feinmechanik und Optik verwendet werden. Sie zeichnen sich durch eine äußerst elegante Verarbeitung aus. Die Metallklebverbindungen erreichen Scherfestigkeiten, die mit Löt- und Nietfestigkeiten konkurrieren können; gegenüber Biegespannungen sind sie jedoch anfällig.

Schmelzklebstoffe werden im geschmolzenen Zustand auf die Klebflächen aufgetragen. Die Abbindung erfolgt durch Erstarren der Schmelze in der Klebfuge. Geeignete Rohstoffe sind Ethylen-, Vinylacetat-Copolymere, Fettsäurepolyamide, Polyester- und Ethylenwachs. Sie bilden einen homogenen Schmelzfluß, sind gegenüber Überhitzungen nicht anfällig und haben einen engen Erweichungs- bzw. Schmelzbereich. Schmelzklebstoffe zeichnen sich durch eine sehr hohe Abbindungsgeschwindigkeit aus, die im Bereich von wenigen Sekunden liegt. Diese Eigenschaft macht die Schmelzklebstoffe geeignet für das Kleben von Schachteln und Beuteln, die auf schnellaufenden Verpackungsautomaten hergestellt werden. Die Schmalflächenfurnierung von Möbelflächen sowie das Buggen (Umlegen) von Leder- und Textilkanten, aber auch die Buchrückenklebung werden mit Erfolg mittels Schmelzklebstoffen ausgeführt. Ein Nachteil der Schmelzklebstoffverarbeitung ist die aufwendige Verarbeitungstechnik.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
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Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
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Fachkoordination:
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Redaktion:
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