Lexikon der Chemie: Kohlehydrierung
Kohlehydrierung, ein Verfahren der Kohleveredlung (Kohleverflüssigung) zur Gewinnung flüssiger, mineralölähnlicher Produkte durch Hochdruckhydrierung von Braunkohle oder Steinkohle. Die K. wurde Ende der 20er Jahre in Deutschland entwickelt, um den steigenden Bedarf an Kraftstoffen decken zu können. Beim klassischen Bergius-Verfahren wird feingemahlene Braun- oder Steinkohle zusammen mit Eisenoxidpulver und einem Schweröl zu einem Kohlebrei angemaischt und bei 400 bis 490 °C und einem Druck von 23 bis 70 MPa mit Wasserstoff hydriert. Das Reaktionsprodukt zerlegt man anschließend in Benzin, Mittelöl, Schweröl und einen festen Rückstand. Um die Benzinausbeute zu erhöhen, wird das Bergius-Verfahren in zwei Stufen durchgeführt. In der 1. Verfahrensstufe erfolgt die Hydrierung des Kohlebreis in der feststoffhaltigen flüssigen Phase, der Sumpfphase, zu Benzin, hauptsächlich aber zu Mittel- und Schweröl. In der 2. Verfahrensstufe findet in der Gasphase sowohl die Vorhydrierung des Mittelöls als auch die Spaltung des Mittelöls (Benzinierung) zu Benzin statt.
Beim Bergius-Verfahren werden für die Produktion von 1 Mill. t Benzin 14 Mill. t Rohbraunkohle benötigt, wovon nur 37 % in die eigentliche K. eingesetzt werden; der Rest dient zur Wasserstofferzeugung (40 %) und Abdeckung des Energiebedarfs. Der energetische Wirkungsgrad, bezogen auf Benzin- und Flüssiggasausbeute, beträgt 36 %.
Die K. ist wegen des hohen Wasserstoffverbrauchs und der teuren Hochdruckanlagen unwirtschaftlich. In den meisten Hydrierwerken wurden deshalb nicht mehr Stein- oder Braunkohle eingesetzt, sondern Teere aus der Verschwelung oder Rückstände der Erdölverarbeitung. Aus dieser Verfahrensweise hat sich das Tieftemperatur-Hochdruck-Hydrierverfahren (TTH-Verfahren) entwickelt (Hydroraffination), bei dem neben Benzin und Mittelöl langkettige Paraffine (TTH-Paraffine) für die Paraffinoxidation gewonnen wurden. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Hydrierwerke auf die wirtschaftlichere Verarbeitung von Erdöl umgestellt.
Infolge der schwankenden Erdölpreise gewinnt die K. wieder an Interesse (Carbochemie). Schwerpunkt der internationalen Entwicklungsarbeiten ist die Verbesserung des Bergius-Verfahrens durch Absenkung des hohen Druckes von 70 MPa auf Drücke unter 30 MPa bei gleichzeitiger Reduzierung des Wasserstoffverbrauches und Änderung der Rückstandsaufbereitung. In dem beim Bergius-Verfahren zum Anmaischen frischer Kohle eingesetzten Schleuderöl waren in großer Konzentration Asphaltene enthalten, die so immer wieder in den Hydrierreaktor gelangten und nur durch einen hohen Wasserstoffdruck abgebaut werden konnten. In neueren Verfahren wird der bei etwa 400 °C aus dem Heißabscheider abgezogene Hydrierschlamm im Vakuum destilliert, das asphaltfreie Vakuumdestillat zum Anmaischen der Kohle zurückgeführt und der asphalthaltige Rückstand einer Druckvergasung zur Wasserstofferzeugung zugeführt. Beim Synthoil-Verfahren (Abb.) wird eine Aufschlämmung von Kohle in Schweröl mit hoher Turbulenz bei 450 °C und einem Wasserstoffdruck von 12 MPa über einen festangeordneten Reaktor mit Cobalt-Molybdän-Trägerkatalysator geleitet. In einem Abscheider wird das Leichtbenzin abgetrennt und der Rückstand einer Zentrifuge zugeführt. Die Flüssigprodukte werden destilliert, der Filterkuchen wird im Kraftwerk verbrannt oder zur Synthesegaserzeugung eingesetzt. Das Schweröl der Destillation wird zum Anmaischen in den Prozeß zurückgeführt.
Kohlehydrierung. Abb.: Synthoil-Vefahren.
Beim H-Coal-Verfahren wird eine Öl-Kohle-Suspension mit hoher Geschwindigkeit durch einen Reaktor geleitet. Kohlebrei und Wasserstoff werden im Gleichstrom von unten durch den Reaktor geführt und wallen das aus zylinderförmigen Cobalt-Molybdän-Preßlingen bestehende Katalysatorbett (ebullated bed) auf. Die Reaktionsprodukte verlassen den Reaktor am Kopf des Reaktors, der Katalysator wird zur Aufrechterhaltung der Aktivität kontinuierlich ausgetauscht. Die Reaktionstemperatur beträgt 450 °C, der Druck 20 MPa. Die Abtrennung des Kreislauföls erfolgt mittels Hydrozyklons, die der Feststoffe durch Fällung mit einem Lösungsmittel. Die Tabelle zeigt die Zusammensetzung des Abstreiferprodukts.
Das COED-Verfahren stellt eine Kombination von Schwelung und Hydrierung dar. Das Hauptprodukt ist Koks. Der anfallende Schwelteer wird einer Wasserstoff-Druck-Raffination unterzogen.
Neben der K. gewinnt die Kohleextraktion unter Druck mit einem Lösungsmittel an Bedeutung. Katalysatoren werden dabei im allgemeinen nicht eingesetzt.
Das SRC-Verfahren (Abk. für Solvent-Refined-Coal-Verfahren) stellt eine Kombination von K. und Kohleextraktion dar. Die Kohle wird nach dem Anmaischen mit einem Teeröldestillat bei einem Wasserstoffdruck von 10 MPa ohne Katalysator aufgeschlossen. Dabei lösen sich etwa 90 % der Kohlesubstanz. Über Spezialfilteranlagen werden die Feststoffe entfernt, und die flüssige Phase wird destillativ aufgearbeitet.
Kohlehydrierung. Tab.: Zusammensetzung des Produkts beim H-Coal-Verfahren.
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<50 | 11 | |
50 ... 200 | 20 | |
200 ... 340 | 11 | |
340 ... 520 | 12 | |
Rückstand | 38 | |
H2S, NH3, CO2, H2O | 8 |
Ein weiteres indirektes Hydrierverfahren, bei dem die Wasserstoffübertragung aus einem Lösungsmittel genutzt wird, ist das EDS-Verfahren (Abk. für Exxon-Donor-Solvent-Verfahren). Bei einer maximalen Reaktionstemperatur von 480 °C und Drücken bis 17 MPa dient eine Mittelölfraktion als Wasserstoffüberträger. Die "Aufhydrierung" des Lösungsmittels erfolgt bei 360 bis 450 °C und einem Wasserstoffdruck von 20 MPa an Cobalt-Molybdän-Katalysatoren.
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