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Lexikon der Chemie: Lacke

Lacke, Anstrichstoffe, flüssige bis pastenförmige Stoffe oder Stoffgemische, die durch Streichen, Spritzen, Tauchen oder Übergießen auf die zu lackierenden Flächen oder Gegenstände gebracht werden und durch physikalische oder chem. Trocknung einen auf dem Untergrund fest haftenden Überzug, meist eine sehr dünne Schicht (Anstrichfilm), ergeben.

Zusammensetzung. L. bestehen aus einer Auflösung geeigneter organischer Filmbildner und Weichmacher in einem Lösungsmittel oder einem Lösungsmittelgemisch, gegebenenfalls unter Zusatz von Sikkativen (Trockenstoffe) oder auch Pigmenten. Pigmentierte L. werden als Lackfarben bezeichnet.

Als Filmbildner verwendet man meist makromolekulare Stoffe, seltener niedermolekulare Produkte, die erst während des Trockenprozesses in höhermolekulare Produkte übergehen. Die wichtigsten Filmbildner sind pflanzliche Öle, Cellulosenitrat, Vinylpolymerisate, Alkydharze, Polyester, Polyurethane, Chlorkautschuk, Harnstoff-, Melamin-, Phenol-, Epoxid- und Naturharze. Mit steigender relativer Molekülmasse des eingesetzten Filmbildners verbessern sich bis zu einem gewissen Grade die mechanischen Eigenschaften der L., z. B. Glanz, Härte, Schleif- und Polierbarkeit.

Als Weichmacher, die die Elastizität des Anstrichfilms erhöhen sollen, werden vorwiegend Phthalsäureester verwendet, außerdem Ester der Phosphorsäure, der Adipinsäure und höherer Fettsäuren. Ölhaltigen L. setzt man Sikkative hinzu, um die auf der Anstrichfläche während der Trocknung stattfindende Polymerisation zu beschleunigen. Man verwendet hierzu vorwiegend Schwermetallsalze von Fettsäuren. Pigmente verleihen dem Lack Farbe und Deckvermögen und erhöhen seine Beständigkeit. Die verwendeten Pigmente können anorganischer Natur sein, z. B. Erd- und Mineralpigmente wie Baryt, Roteisenstein, Graphit, oder organischer Natur, z. B. Pigmentfarbstoffe wie Pigmentbordeaux, Permanentrot, Heliogenblau. Als Lösungsmittel setzt man vorwiegend Ether, Aceton, Toluol, Benzin, Essigsäureester oder Terpentinöl ein.

Bezeichnung. Die Bezeichnung der L. kann erfolgen nach ihrer Zusammensetzung (z. B. Öl-, Cellulosenitrat-, Chlorkautschuk-, Alkydharzlacke), nach ihrem Verwendungszweck (z. B. Möbel-, Auto-, Fußboden-, Holz-, Bootslacke), nach ihren gewünschten Eigenschaften (z. B. Isolierlacke, treibstoffeste L., Klebelacke), nach ihrem Aussehen (farblose L., pigmentierte L.), nach ihrer Verarbeitungsform (z. B. Streichlacke, Spritzlacke, Einbrennlacke) und nach ihrer Verarbeitungsreihenfolge (z. B. Grund-, Schleif-, Deck-, Überzugslacke).

Eigenschaften. Maßgebend für die Eigenschaften der L. ist der Lackkörper (Bindemittel), d. h. der nichtflüchtige lösliche Anteil der L. Das Trocknen, d. h. der Übergang des flüssigen Anstrichmittels in den festen Anstrichfilm, kann im wesentlichen auf zwei Arten erfolgen (s. auch Tab.).

Bei den physikalisch trocknenden L., wie Cellulosenitratlacke, Celluloseetherlacke, Chlorkautschuklacke und L. aus Polyvinylverbindungen, erfolgt die Filmbildung durch Verdunsten des Lösungs- oder Dispersionsmittels. Der Vorgang ist reversibel, d. h., der Film kann durch die Lösungsmittel wieder aufgelöst werden. Von großer Wichtigkeit für den industriellen Gebrauch ist die schnelle Trocknung dieser L.

Bei den chemisch trocknenden L. geht die Filmbildung durch chem. Reaktionen vor sich. Grundsätzlich können alle drei Reaktionsarten, bei denen makromolekulare Stoffe entstehen, also Polymerisation, Polykondensation und Polyaddition, zu einer Filmbildung führen. Chemisch trocknende L. kann man einteilen in a) oxidativ trocknende L., bei denen nach Verdunsten der Lösungsmittel die Filmbildung durch Aufnahme von Luftsauerstoff und anschließende Polymerisation erfolgt (z. B. Öllacke, Alkydharzlacke), und b) L., deren Filmbildung nach Verdunsten der Lösungsmittel durch Polykondensation (z. B. Phenolharzlacke, Harnstoff-Melamin-Alkydharz-Lackgemische), durch Polyaddition (z. B. Polyurethanlacke), durch Wärmezufuhr (Einbrennlacke) oder durch Katalysatoren (z. B. säurehärtende L.) herbeigeführt wird. Die chem. Trocknung ist irreversibel, d. h., der Film ist in Lösungsmitteln unlöslich.

In vielen Fällen besteht der aufgetragene Anstrich aus mehreren Schichten. Die einfachste Form eines Anstrichsystems besteht aus der Grundierung und dem Decklack. Während die Grundierung eine gute Haftfestigkeit auf dem Untergrund bewirkt, schützt der Decklack vor mechanischen und chem. Einflüssen sowie Witterungseinflüssen und gibt der Anstrichfläche das gewünschte Aussehen.

Wichtige L.Spirituslacke stellen Auflösungen von Naturharzen (z. B. Schellack, Kopale, Kolophonium) oder Kunstharzen (z. B. Novolake, Alkydharze, Vinylpolymerisate) in flüchtigen organischen Lösungsmitteln dar. Das am häufigsten verwendete Lösungsmittel ist 90- bis 96%iges Ethanol. Spirituslacke werden besonders als Schellack-Möbelpolituren, Spiritus-Emaillelack für die Spielzeugindustrie sowie zur Lackierung von Musikinstrumenten, Korbwaren u. a. verwendet.

Lacke. Tab.: Trocknungsart und -zeit verschiedener Filmbildner.

Filmbildner Festkörper des Lackes in % Trocknungsart Trocknungszeit in Stunden bei angegebener Temperatur
Leinölfirnis 95 ... 100 chemisch 20°C 36
Öl 70 ... 80 chemisch 20 °C 24
Alkydharz 50 ... 60 chemisch 20 °C
80 °C
130 °C
12
1/2
1
Cellulosenitrat/Alkydharz (1:2) 40 ... 45 physikalisch und
chemisch
60 °C 1
Cellulosenitrat 20 ... 25 physikalisch 20 °C 1/2
Polyester/Polyurethan 20 ... 25 chemisch 180 °C 1/2

Öllacke sind Lösungen von Natur- oder synthetischen Harzen und trocknenden Ölen mit Zusätzen von Sikkativen in flüchtigen organischen Lösungsmitteln, wie Terpentinöl oder Benzin. Als trocknende Öle verwendet man hauptsächlich Leinöl, ferner Tallöl, Ricinusöl, Oiticicaöl und Perillaöl. Durch Erhitzen werden die Öle zu Standölen verkocht. Die Naturharze oder synthetischen Harze, die als Füllharze dienen, werden an die Ölmoleküle gebunden. Als Harze verwendet man natürliche Kopale, die vorher bei etwa 360 °C ausgeschmolzen werden, durch Kolophonium modifizierte Phenolharze und weitere synthetische Harze. Im allgemeinen verringern sich mit steigendem Verhältnis Harz : Öl die Trocknungszeit, die Geschmeidigkeit und die Witterungsbeständigkeit der Öllacke, während ihre Härte zunimmt.

Alkydharzlacke enthalten als Filmbildner Ester aus mehrwertigen Alkoholen, wie Glycerin, Trimethylolpropan, Pentaerythrit und Sorbit, mit mehrbasigen Carbonsäuren, meist Phthalsäure und Isophthalsäure, aber auch Adipin- und Sebacinsäure. Frei bleibende Hydroxygruppen der mehrwertigen Alkohole werden anschließend mit ungesättigten Fettsäuren verestert. Die mit Polyamiden modifizierten Alkydharze zeigen eine starke Thixotropie, so daß sie an senkrechten Anstrichflächen nicht herablaufen. Durch Zusatz von Cobalt, Blei und Mangan in Form ihrer Oleate oder Naphthenate kann man den Trockenprozeß von Alkydharzfilmen wesentlich beschleunigen. Alkydharzlacke gehören strenggenommen zu den Öllacken, erweisen sich klassischen Öllacken aber in Glanz, Trocknung und Farbbeständigkeit der Anstriche überlegen und sind als luft- und wärmetrocknende L. sowie als Einbrennlacke im Handel.

Siliconharzlacke: Durch Umsetzung siliciumorganischer Verbindungen mit Monomeren sowie höhermolekularen Verbindungen, z. B. Epoxiden, Melamin-, Phenol-, Alkyd- und Polyesterharzen, werden die lacktechnischen Eigenschaften wie Oberflächenhärte, Deckvermögen und Pigmentverträglichkeit erhöht. So ergeben Siliconalkydharze Anstrichfilme mit erhöhter Wärme- und Chemikalienfestigkeit sowie erhöhter Glanz- und Farbtonbeständigkeit. Große Bedeutung haben die Siliconharz-Einbrennlacke, Polysiloxane.

Polyesterlacke sind Lösungen ungesättigter Polyester (z. B. Maleinsäureglycolester) in einem Monomeren (z. B. Styrol), denen man organische Peroxide als Reaktionsbeschleuniger zusetzt. Polyesterlacke werden als lösungsmittelfreie oder lösungsmittelarme L. verwendet. Die erhaltenen Filme besitzen eine hohe Witterungs- und Chemikalienbeständigkeit. Das Hauptverwendungsgebiet der Polyesterlacke bildet die Herstellung von farblosen und pigmentierten Holzlacken sowie von Spachtelmassen für Holz und Eisen.

Cellulosenitratlacke (Nitrolacke) sind am längsten unter der Bezeichnung Zaponlacke bekannt. Zaponlacke stellen Lösungen von Collodiumwolle in Aceton und Essigsäureestern dar. Fast alle Cellulosenitratlacke enthalten Weichmacher. Zur Erhöhung des Lackkörpergehaltes und zum Verbessern der Haft- und Wetterfestigkeit, des Glanzes sowie der Schleif- und Polierbarkeit setzt man den Cellulosenitratlacken Harze zu, z. B. Schellack, Kolophonium, Kopale sowie Phenol-, Harnstoff-, Keton- und ölmodifizierte Alkydharze. Die Alkydharze bewirken eine besonders hohe Wetterbeständigkeit der Cellulosenitratlacke. Sie können mit Spritzpistolen im kalten und auch im heißen Zustand bei Temperaturen von 70 bis 80 °C aufgetragen werden. Man kann so lösungsmittelarme und damit deckfähige Cellulosenitratlacke verarbeiten, die sehr schnell trocknen und auf Hochglanz poliert werden können. Man verwendet Cellulosenitratlacke als Möbel-, Leder-, Papier- und Metallacke (Fahrzeuglacke), besonders für industrielle Serienlackierungen.

L. aus Vinylpolymerisaten verfügen über hohe Lichtechtheit und ausgezeichnete Elastizität. Als Rohstoffe setzt man Polyvinylchlorid, nachchloriertes Polyvinylchlorid, Polyvinylacetat, Polyvinylalkohole, Polyacryl- und Polymethacrylsäurederivate, Polystyrol und Polyvinylether ein. Die einzelnen Polyvinylverbindungen zeigen spezielle Eigenschaften, die daraus hergestellten L. werden daher auf besonderen Gebieten eingesetzt. So verwendet man L. aus nachchloriertem Polyvinylchlorid für Flugzeuge und L. aus Polyacrylsäurederivaten für Leichtmetalle und elastische Spachtelmassen.

Epoxidharzlacke geben chemikalienfeste Filme von ausgezeichneter Haftfestigkeit (besonders auf Metallen) und Lösungsmittelbeständigkeit. Man verwendet sie vorwiegend für industrielle Anstriche, z. B. von Tanks, Kesselwagen, Maschinenteilen, Baustoffplatten, Rohrleitungen u. dgl.

Polyurethanlacke zeichnen sich durch sehr gute Härte und Elastizität sowie durch hervorragende Beständigkeit gegenüber Feuchtigkeit, Chemikalien und Alterung aus, besitzen ferner gute elektrische Eigenschaften. Polyurethanlacke eignen sich besonders als Isolierlacke, ferner für Metall- und Unterwasseranstriche.

L. aus Harnstoff-, Melamin- und Phenolharzen werden entweder durch Temperatureinwirkung gehärtet (Einbrennlacke) oder aber durch Zugabe von Säuren (säurehärtende L.). Während man Harnstoff- und Melaminharzlacke vorwiegend für dekorative Zwecke verwendet, setzt man Phenolharzlacke meist für Schutzlackierungen ein, da sie von vornherein gelb bis braun gefärbt sind.

In den Chlorkautschuklacken dient der aus natürlichem Kautschuk gewonnene Chlorkautschuk als Filmbildner. Diese schnell trocknenden L. sind in hohem Maße wasser- und chemikalienbeständig, sie werden vorwiegend in Bergwerken und chem. Betrieben verwendet.

Asphalt-, Bitumen- und Teerpechlacke (Schwarzlacke) erhält man durch Schmelzen der bituminösen Bindemittel und anschließende Zugabe von Lösungsmitteln. In vielen Fällen verwendet man dabei unpolare Kohlenwasserstoffe. Bei Verwendung geeigneter Emulgatoren lassen sich sowohl Bitumen als auch Teerpechbindemittel in Wasser emulgieren. Die durchgetrockneten Anstriche sind wasserbeständig und von beachtlicher chem. und mechanischer Widerstandsfähigkeit.

Japanlack wird aus dem japanischen Lackbaum Rhus vernicifera gewonnen, er nimmt eine Sonderstellung ein. Man benutzt ihn als Lack für kunstgewerbliche Gegenstände, für industrielle Zwecke ist er weitgehend unbrauchbar.

Korrosionsschutzlacke sind mehr oder weniger alle L., jedoch werden unter dieser Bezeichnung im allgemeinen solche L. verstanden, die den Metalluntergrund besonders gegen aggressive Flüssigkeiten, Gase, Dämpfe und Rostbildung schützen.

Für alle L. lassen sich die Lackrohstoffe im Rahmen ihrer Verträglichkeit miteinander kombinieren, so daß die Herstellung zahlreicher Kombinationslacke mit besonderen Eigenschaften für spezielle Verwendungen möglich ist.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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