Lexikon der Chemie: Pseudohalogenide
Pseudohalogenide, eine Gruppe mehratomiger, resonanzstabilisierter, einwertiger Anionen mit weitgehend symmetrischer Ladungsverteilung, die sich ausgeprägt halogenidanalog verhalten. Zu den P. zählen lineare Anionen X-, wie Cyanid [CN]-, Fulminat [CNO]-, Cyanat [NCO]-, Thiocyanat [NCS]-, Selenocyanat [NCSe]-, Tellurocyanat [NCTe]- und Azid [NNN]-, nichtlineare Anionen, wie Dicyanamid [N(CN)2]-, Dicyanphosphid [P(CN)2]-, Tricyanmethanid [C(CN)3]- und Nitrosodicyanmethanid [NOC(CN)2]-, ferner anionische Übergangsmetallkomplexe, wie Tetracarbonylcobaltat [Co(CO)4]- und Pentacarbonylmanganat [Mn[CO)5]-.
Parallelen in Verhalten und Eigenschaften von Pseudohalogeniden und Halogeniden, auf denen das Pseudohalogenkonzept sich vor allem gründet, zeigen sich an folgenden Beispielen: 1) Bildung der in Wasser schwer löslichen Silber(I)-, Quecksilber(I)-und Blei(II)-Salze AgX bzw. Hg2X2 bzw. PbX2; 2) Existenz von Pseudohalogenwasserstoffsäuren HX, wie Blausäure HCN; 3) Bildung zahlreicher Pseudohalogenokomplexe des homogenen oder gemischten Typs, wie [MX4]2- , [MX6]3-, [MX2L2] und [MX3L3], wobei für die P. Cyanid und Fulminat Koordination über Kohlenstoff, für Azid, Cyanat, Dicyanamid und Tricyanmethanid Koordination über Stickstoff typisch ist; 4) reversible Oxidation einiger der P. zu den entsprechenden molekularen Pseudohalogenen X2 gemäß 2 X-
X2 + 2e (X = CN, SCN, SeCN, C(CN)3 Co(CO)4, Mn(CO)5); 5) Existenz kovalenter Interpseudohalogene, wie Cyanazid NC-N3 Cyanisocyanat NC-NCO, Tetracyanomethan NC-C(CN)3 und Phosphortricyanid NC-P(CN)2, sowie kovalenter Halogenpseudohalogenide, wie Chlorcyan ClCN, Chlorazid ClN3 Chlorisocyanat Cl-NCO, Bromtricyanmethan Br-C(CN)3 und Cobaltcarbonylchlorid Cl-Co(CO)4; 6) halogenidvergleichbare Gruppenelektronegativitäten der P.
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