Lexikon der Chemie: Purpureaglycoside
Purpureaglycoside, zu den herzwirksamen Glycosiden gehörende Digitalisglycoside aus dem Roten Fingerhut Digitalis purpurea. In der Blattdroge sind 0,2 bis 0,6 % P. enthalten, es wurden etwa 30 verschiedene herzwirksame Glycoside aufgefunden. Daneben finden sich auch herzunwirksame Steroidverbindungen, die Digitanolglycoside; außerdem Saponine, beispielsweise Digitonin.
Die Gewinnung der P. erfolgt aus Zuchtrassen, aus denen Digitoxin in relativ hoher Ausbeute erhalten werden kann. Die Aglykone der P. sind Digitoxigenin, Gitoxigenin und Gitaloxigenin, sie gehören zur Gruppe der Cardenolide. In den Blättern der Pflanze finden sich als wichtigste native Primärglycoside Purpureaglycosid A und B, aus denen beim Trocknen enzymatisch der endständige D-Glucosylrest unter Bildung der Sekundärglycoside Digitoxin und Gitoxin abgespalten wird. In diesen Verbindungen ist eine Kette von drei Digitoxoseresten mit den Aglykonen β-glycosidisch verknüpft. Die Digitoxosereste sind miteinander (1→4)-β-glycosidisch verbunden.
Die P. sind instabile Verbindungen. Als Glycoside von Desoxyzuckern sind sie säurelabil, passieren aber zu einem hohen Prozentsatz den sauren Magen. Besonders leicht spaltbar sind die Verbindungen mit einer 16β-O-Formylstruktur. Unter Säureeinwirkung erfolgt auch die Abspaltung der 14β-OH-Gruppe zusammen mit einem nachbarständigen H-Atom unter Bildung von Anhydroverbindungen. Bei den sich vom Gitoxigenin ableitenden Verbindungen wird auch die 16β-OH-Gruppe unter Bildung eines konjugierten Systems von Doppelbindungen abgespalten (Dianhydroverbindung). Im alkalischen Milieu kann Isomerisierung erfolgen, wobei der Lactonring geöffnet und ein neuer Ring unter Einbau des 14β-O-Atoms entsteht. Die entstehenden Isoverbindungen sind therapeutisch unwirksam.
Von therapeutischer Bedeutung ist nur Digitoxin, das nach oraler Gabe zu über 80 % resorbiert wird. Die Abklingquote liegt je Tag unter 10 %. Dadurch kann es bei unsachgemäßer Dosierung leicht zur Kumulation und damit zur Intoxikation kommen. Digitoxin wird wie alle herzwirksamen Glycoside bei Herzmuskelinsuffizienz eingesetzt. Es erhöht die Schlagkraft und verlangsamt die Schlagfolge des Herzens und erschwert die Erregungsleitung. Die Wirkung wird auf eine teilweise Hemmung des Mg2+-abhängigen Na+-K+-ATPase-Systems der Herzzellwand zurückgeführt.
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