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Lexikon der Chemie: Schwefeloxide

Schwefeloxide. Cyclische Schwefeloxide des Typs SnO (n = 6 ... 10) werden am besten durch Einwirkung von Trifluorperessigsäure CF3CO3H auf Sn erhalten. Auch S7O2 ist bekannt.

Dischwefeloxid, S2O, thermodynamisch stabile, jedoch stark zur Polymerisation neigende und deshalb nur in der Gasphase herstellbare Verbindung, die rasch zu Schwefel und Schwefeldioxid zerfällt. Man gewinnt S2O z. B. durch Umsetzung von Metallsulfiden mit Thionylchlorid oder durch Verbrennen von Schwefel bei Sauerstoffunterdruck.

Schwefelmonoxid, SO, kurzlebige, bei der Photolyse von SO2 oder der unter speziellen Bedingungen durchgeführten Verbrennung von CS2 oder COS nachweisbare, thermodynamisch instabile Verbindung, die spontan in Schwefel und SO2 zerfällt. Das SO-Molekül ist ähnlich dem Disauerstoff O2 ein Biradikal.

Dischwefeltrioxid, (S2O3)x blaugrüne, feste Verbindung polymerer Natur, [-S-SO2-O-]x, die man durch Eintragen von Schwefel in flüssiges SO3 erhält.

Schwefeldioxid, SO2 farbloses, stechend riechendes und sauer schmeckendes, giftiges Gas, D. des flüssigen SO2 bei -10 °C 1,46 g cm-3, F. -75,5 °C, Kp. -10,0 °C, krit. Temp. 157,5 °C, krit. Druck 7,88 MPa, krit. D. 0,525 g cm-3.

Eigenschaften. SO2 läßt sich durch Druck oder Abkühlung leicht zu einer farblosen Flüssigkeit verdichten. Die Fähigkeit, zahlreiche anorganische und organische Verbindungen zu lösen, hat flüssiges SO2 zu einem wertvollen Lösungsmittel für viele Reaktionen gemacht. Das SO2-Molekül ist gewinkelt (

O-S-O 119,5°) und wird unter Zugrundelegung einer sp2-Hybridisierung am Schwefel durch die in Abb. 1 dargestellten Grenzstrukturen beschrieben.

Die Mehrfachbindungen haben den Charakter delokalisierter pπpπ-Bindungen neben zusätzlichen pπdπ-Anteilen. SO2 ist in Wasser relativ leicht löslich; 100 g H2O lösen bei 10 °C 15,4 g, bei 20 °C 10,5 g SO2. Der überwiegende Teil des gelösten SO2 liegt hydratisiert vor. Daneben sind in der sauer reagierenden wäßrigen Lösung Hydrogensulfit-Ionen HSO3-, Disulfit-Ionen S2O52- und schweflige Säure H2SO3 nachweisbar. SO2 ist das Anhydrid der schwefligen Säure und löst sich in Metallhydroxidlösungen unter Bildung entsprechender Sulfite. Es ist als Derivat des Schwefels der Oxidationszahl +4 redoxamphoter. Allerdings tritt seine oxidierende Wirkung nur gegenüber sehr starken Reduktionsmitteln in Erscheinung. Ausgeprägter ist die Reduktionswirkung: SO2 reduziert Iod zu Iodid gemäß SO2 + I2 + 2 H2O → H2SO4 + 2 HI, Chlorat zu Chlorid gemäß ClO3- + 3 SO2 + 3 H2O → Cl- + 3 H2SO4 oder Permanganat in saurer Lösung zu Mn2+-Ionen gemäß 2 MnO4- + 5 SO2 + 2 H2O → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 4 H+. Die thermodynamisch begünstigte Oxidation des SO2 mit Sauerstoff zu Schwefeltrioxid gemäß 2 SO2 + O2 → 2 SO3, ΔH = -198 kJ/mol verläuft bei Zimmertemperatur außerordentlich langsam, kann durch Katalysatoren (Pt, V2O5) jedoch beträchtlich beschleunigt werden und stellt die Grundlage für das Kontaktverfahren zur Herstellung der Schwefelsäure dar. Wegen seines starken Reduktionsvermögens wirkt SO2 auf viele organische Farbstoffe bleichend. Niedere Organismen werden durch SO2 in ihrem Wachstum gehemmt bzw. abgetötet. Die Umsetzung von SO2 mit Phosphorpentachlorid liefert Thionylchlorid: PCl5 + SO2 → POCl3 + SOCl2, mit Chlor vereinigt es sich zu Sulfurylchlorid: SO2 + Cl2 → SO2Cl2.



Schwefeloxide. Abb. 1: Schwefeldioxid.

Schwefeldioxid ist ein Reizgas, das die Schleimhäute, insbesondere der Atemwege, angreift. Die Einwirkung von 400 bis 500 ppm SO2-haltiger Luft über einige Minuten kann zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Als Gegenmaßnahme dient die Inhalation von Wasserdampf.

Analytisches. Qualitativ ist SO2 an seinem charakteristischen Geruch erkennbar und seiner Fähigkeit, Iod- oder Permanganatlösung zu entfärben. Zur quantitativen Bestimmung leitet man das zu untersuchende Gas durch eine Iodlösung und titriert das überschüssige Iod zurück.

Vorkommen. SO2 kommt in der Natur in vulkanischen Gasen und Erdgasen vor. Durch Verbrennung schwefelhaltiger fossiler Energieträger und verschiedene Industrieprozesse gelangen gewaltige SO2-Mengen in die Atmosphäre (Smog). Als solches, aber auch in Wasser gelöst, in Form "sauren Regens" (saure Niederschläge) auf die Erde zurückkehrend, bewirkt SO2 ernste Schädigungen der Biosphäre. Das Waldsterben wird – neben weiteren Faktoren – wesentlich von SO2 verursacht. Auch Gebäudefassaden werden durch die schwefeldioxidhaltige Atmosphäre angegriffen. Insgesamt ist SO2 als der wohl bedeutendste Umweltschadstoff einzustufen.

Gewinnung. Großtechnisch fällt SO2 als Zwischenprodukt bei der Gewinnung der Schwefelsäure an. Dabei resultiert das SO2 aus der Verbrennung von Schwefel oder schwefelwasserstoffhaltigen Gasen, aus dem Abrösten sulfidischer Erze oder aus der reduzierenden Spaltung von Calciumsulfat. Zur Gewinnung von reinem SO2 wird das Produkt aus schwefeldioxidhaltigen Gasen durch Kondensation bei -70 °C und 5 MPa Druck oder durch Absorption in alkalischen wäßrigen Lösungen, aus denen es durch Temperaturerhöhung wieder freigesetzt wird, abgetrennt.

Verwendung. SO2 dient hauptsächlich zur Gewinnung von Schwefelsäure. In der organischen Synthese kommt es bei der Sulfoxidation und Sulfochlorierung zum Einsatz. Flüssiges SO2 dient im Edeleanu-Verfahren zur Raffination von Erdöl. Beim Schwefeln von Fässern, Konservengläsern oder ganzen Räumen wird die desinfizierende Wirkung des durch Verbrennen von Schwefel gebildeten SO2 genutzt. Auch zur Bekämpfung von Ungeziefer und zur Konservierung von Lebensmitteln wird es verwendet.

Schwefeltrioxid, SO3, existiert in mehreren festen Modifikationen. Wohl definiert sind das orthorhombische, cyclisch-trimere, eisartige γ-SO3, (Abb. 2a) D. 1,920 g cm-3, F. 16,8 °C, Kp. 44,8 °C, und das polymere, unendliche Ketten bildende asbestartige SO3 (Abb. 2b) von dem zwei Formen mit unterschiedlichen Schmelzpunkten bekannt sind: α-SO3, F. 62,2 °C; β-SO3, F. 30,5 °C. Im asbestartigen SO3 sind die Kettenenden jeweils OH--Gruppen, somit



Schwefeloxide. Abb. 2: Molekülstruktur des eisartigen (a) und des asbestartigen (b) SO3.



Schwefeloxide. Abb. 3: Molekülstruktur des gasförmigen Schwefeltrioxid.

sind α- und β-SO3 im strengen Sinne keine SO3-Modifikationen, sondern Gemische langkettiger Polyschwefelsäuren. In beiden Formen ist der Schwefel tetraedrisch konfiguriert (sp3-hybridisiert). Im Gaszustand ist SO3 monomer und bildet trigonal-planare Moleküle (Abb. 3). SO3 ist das Anhydrid der Schwefelsäure. Es vereinigt sich mit Wasser in heftiger, stark exothermer Reaktion zu Schwefelsäure: SO3 + H2O → H2SO4, ΔH = -95,6 kJ/mol. Man gewinnt SO3 im Laboratorium meist durch Erhitzen rauchender Schwefelsäure, durch Entwässern von Schwefelsäure mit P4O10 oder durch Erhitzen von Disulfaten, z. B. Na2S2O7 → Na2SO4 + SO3. Die katalytische Oxidation von Schwefeldioxid mit Sauerstoff zum Schwefeltrioxid ist ein wesentlicher Verfahrensschritt in der industriellen Gewinnung von Schwefelsäure. Verwendet wird SO3 vor allem als Sulfonierungsmittel.

Schwefeltetroxid (SO4)x und Dischwefelheptoxid (S2O7)x Peroxoverbindungen des Schwefels, farblose, feste, polymere Substanzen, die durch Einwirkung elektrischer Entladungen auf ein Gemisch von SO2 oder SO3 und Sauerstoff gebildet werden. Strukturell leiten sie sich vom asbestartigen SO3 dadurch ab, daß die S-O-S-Brücken im SO4 vollständig, im S2O7 zur Hälfte durch S-OO-S-Brücken ausgetauscht sind. Beide Peroxide sind äußerst starke Oxidationsmittel.

  • Die Autoren
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Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
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Fachkoordination:
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Redaktion:
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