Lexikon der Chemie: Thioharnstoff
Thioharnstoff, Thiocarbamid, H2N-CS-NH2, das Diamid der in freiem Zustand nicht isolierbaren Thiokohlensäure. T. kristallisiert in farblosen, rhombischen Prismen; F. 181 bis 182 °C. Er ist in Wasser und heißem Alkohol löslich, in Ether unlöslich. Ähnlich wie Harnstoff bildet T. mit vielen aliphatischen verzweigten und unverzweigten sowie cyclischen Verbindungen Kristallgitter-Einschlußverbindungen. Mit Metalloxiden und anorganischen Salzen entstehen Additions- und Komplexverbindungen. Mit starken Säuren bildet T. Salze. T. ist nur in einer tautomeren Form bekannt. Zahlreiche Reaktionsprodukte des T. weisen jedoch auf eine weitere tautomere Form hin:
Bei Umsetzungen mit Alkyl- oder Acylhalogeniden erfolgt der elektrophile Angriff am S-Atom, z. B. entstehen aus T. und Alkylbromiden stabile S-Alkylisothiuroniumsalze:
H2N-CS-NH2 + R-Br → R-S-C(NH2)=N+H2Br-.
Mit 1,2- und 1,3-Dicarbonylverbindungen reagiert T. unter Bildung von 5- bzw. 6-gliedrigen Heterocy-clen, z. B. bildet sich aus Malonsäurediethylester und T. Thiobarbitursäure. T. kann durch Erhitzen von Ammoniumrhodanid in Analogie zur Harnstoffsynthese nach Wöhler hergestellt werden. Technisch wird T. aus Calciumcyanamid und Schwefelwasserstoff erzeugt: N≡C-NCa + 2 H2S → H2N-CS-NH2 + CaS. T. wird zur Herstellung von Aminoplasten, Arzneimitteln, Lichtpauspapieren, Vulkanisationsbeschleunigern sowie als Zusatz zu Farbentwicklern verwendet.
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