Lexikon der Chemie: Verfahrenstechnik
Verfahrenstechnik, ein Zweig der Ingenieurwissenschaft, der sich mit dem Entwurf und der Projektierung sowie dem Betreiben von Verfahren und Anlagen der Industrie befaßt. Die wichtigsten Aufgaben der chem. V. sind die Übertragung der im Laboratorium entwickelten Prozesse in den wirtschaftlich optimalen großtechnischen Maßstab und die Vorausberechnung der Leistungsfähigkeit sowie des Rohstoff- und Energiebedarfs der großtechnischen Prozesse und Anlagen. Die Übertragung vom Labormaßstab in die Großtechnik kann dabei entweder durch direkte Berechnung der Produktionsanlagen oder bei technisch noch unbekannten und neuen Verfahren durch vorhergehende Berechnung und experimentelle Untersuchung in Pilotanlagen erfolgen.
Im Mittelpunkt der chem. V. steht die chem. Reaktion (Reaktionstechnik), deren physikalische Vorgänge durch verfahrenstechnische Maßnahmen hydrodynamischer und thermodynamischer Art gelenkt werden. Die einzelnen Arbeitsschritte bei der chem. Reaktion werden als Unit Processes bezeichnet. Man versteht darunter Grundverfahren, z. B. Oxidation, Neutralisation, Reduktion, Kondensation, Polymerisation u. a. Die chem. V. beschäftigt sich hierzu mit den Reaktionsapparaten und deren Auslegung unter Berücksichtigung der Energieverhältnisse der Reaktionen, mit der Art der zu- oder abgeführten Energie, mit der Art des Reaktionsablaufes, mit dem Gleichgewichtsverhalten sowie mit dem Einfluß von Reaktionsgeschwindigkeit und Reaktionsweg.
Zu diesen Aufgaben kommen in der chem. V. die Vorbereitung der Rohstoffe für die Reaktion und die Aufarbeitung der Reaktionsprodukte, was vorwiegend durch physikalische Prozesse erfolgt. Die einzelnen Arbeitsschritte für diese Aufgaben werden als Unit Operations bezeichnet. Man versteht darunter Grundoperationen, d. h. elementare Verfahrensstufen der chem. Technik, die ohne Stoffumwandlung auf gleichartigen physikalischen Vorgängen beruhen. Die Grundoperationen werden eingeteilt in Wärmeübertragen, Vereinigen, Trennen, Formen, Fördern; ferner rechnet man dazu noch Zerteilen, Agglomerieren, Lagern und Verpacken.
Aufgrund ihrer verwandten physikalischen Gesetzmäßigkeiten werden die einzelnen Grundoperationen nach energetischen Gesichtspunkten eingeteilt und bearbeitet. Die Aufgaben der mechanischen V. sind die Berechnung der Prozesse und Apparate für das Brechen, Brikettieren, Granulieren, Mahlen, Tablettieren und Zerstäuben zum Formen der Stoffe, für das Emulgieren, Kneten, Mischen, Rühren, Suspendieren, Verschäumen und Zerstäuben zum Vereinigen der Stoffe und für das dekantieren, Filtrieren, Flotieren, Klassieren, Klären, Pressen, Sieben, Sichten, Sortieren und Zentrifugieren zum Trennen der Stoffe. Die thermische V. berechnet die Prozesse und Apparate für das Erstarren, Kondensieren, Schmelzen, Sublimieren, Verflüssigen und Verdampfen zum Formen der Stoffe und für das Absorbieren, Adsorbieren, Desorbieren, Destillieren, Extrahieren, Kondensieren, Kristallisieren, Rektifizieren, Sublimieren, Trocknen und Verdampfen sowie die Thermodiffusion zum Trennen der Stoffe. Neben diesen beiden Arbeitsrichtungen zählen zum Aufgabenkomplex der V. auch die Grundoperationen unter Anwendung elektromagnetischer Energie, wie Elektrophorese, Elektroosmose, Elektrodialyse, elektrische Gasreinigung und Magnetscheidung. S. auch Bioverfahrenstechnik.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.