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Lexikon der Ernährung: Adipositastherapie

Adipositastherapie, Eweight reduction, therapy of obesity, diätetische und andere Maßnahmen zur Gewichtsredukion bei Adipositas.
Die Indikation für eine A. besteht bei einem body mass index (BMI) von  ≥ 30 aufgrund des erhöhten Risikos von Begleit- und Folgeerkrankungen. Die Behandlung von Übergewicht (BMI 25–29,9) muss dagegen nur dann erfolgen, wenn mit dem Übergewicht assoziierte Symptome (Kurzatmigkeit, Gelenkschmerzen etc.) und / oder Folgeerkrankungen vorliegen und / oder psychosozialer Leidensdruck besteht. Während der Schwangerschaft und Stillperiode sowie bei konsumierenden Erkrankungen (Krebs, Tuberkulose u. a.) ist eine Gewichtsreduktion kontraindiziert.
Vor der Therapie steht die Diagnostik. Die Ernährungsgewohnheiten, das Essverhalten, der Gewichtsverlauf, körperliche Aktivitäten, die psychosoziale und berufliche Situation sowie familiäre Belastungen sind wesentliche anamnestische Kriterien. Die körperliche Untersuchung betrifft die Bestimmung des BMI, die Bewertung der Fettverteilung aus Hüft-und / oder Taillenumfang (waist-hip-ratio) sowie die Blutdruckmessung. Die Labordiagnostik beinhaltet die Bestimmung der Blutlipide, von Blutzucker und Harnsäure sowie von Parametern, die die Schilddrüsenfunktion charakterisieren. Die exakte Bestimmung des Körperfettgehalts ist schwierig und bleibt speziellen Einrichtungen vorbehalten, jedoch können Abschätzungen über indirekte Methoden (Hautfaltendickenmessung mittels Caliper, bioelektrische Impedanz) vorgenommen werden.
Ziele: Die A. soll einen langfristig angelegten, stufenweisen, den Patienten nicht überfordernden Gewichtsverlust, die Reduktion von Begleiterkrankungen und die Verbesserung des Gesundheitsverhaltens der Patienten erreichen. Nebenwirkungen sind weitestgehend zu vermeiden. Die Gewichtsreduktion soll vorrangig durch die Reduktion des Körperfettanteils erreicht werden, der Abbau von Proteinen sollte weitestgehend verhindert werden.
Maßnahmen: Ein wesentlicher Bestandteil der A. ist die Ernährungstherapie zur Reduktion des Körpergewichts durch verminderte Energieaufnahme, insbesondere geringere Fettaufnahme. Bei einer Energiezufuhr von weniger als 1200 kcal / d ist eine regelmäßige ärztliche Betreuung und Überwachung erforderlich. Die diätetischen Maßnahmen umfassen die energiereduzierte Mischkost (die bei ausgewogenem Nährstoffgehalt ein Energiedefizit von mindestens 500 kcal / d zum Ziel hat), Reduktionskost mit einem Energiegehalt von 700–1000 kcal / d (die entsprechend der Diätverordnung von 1988 und den EU-Richtlinien von 1996 Mindestmengen an Nährstoffen und von Ballaststoffen enthalten muss) sowie hypokalorische Diäten (extrem niedrig kalorische Kost, Every low calorie diets, VLCD) mit 450–700 kcal / d. Die Zusammensetzung der VLCD muss ebenfalls bestimmten Vorgaben entsprechen. Sie dürfen nur ärztlich verordnet und sollten nicht länger als 4–6 Wochen angewendet werden. Ihr Einsatz ist auf Patienten mit hohem gesundheitlichem Risiko beschränkt, bei denen aus dringenden medizinischen Gründen eine schnelle Gewichtsreduktion erforderlich ist. Modifiziertes Fasten, d. h. Fasten mit kontrollierter Zufuhr mindestens erforderlicher essenzieller Nährstoffe, sollte vorzugsweise bei stark übergewichtigen Patienten (Adipositas Grad II–III) und nur in der Klinik erfolgen. Es führt zum höchsten Fettverlust aller bekannten energiereduzierten Diäten.
Kommerzielle Programme zur Gewichtsreduktion bzw. zum Gewichtsmanagement können ohne ärztliche Betreuung bei einem BMI von 25–29,9 durchgeführt werden, sofern keine Begleiterkrankungen vorliegen. Sie unterliegen regelmäßig einer Qualitäts- und Erfolgskontrolle. Ebenso spricht nichts gegen vegetarische, insbesondere ovo-lacto-vegetabile Kostformen mit dem Ziel einer moderaten Gewichtsabnahme. Außenseiterdiäten mit extremer, den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen nicht entsprechender Zusammensetzung, können dagegen nicht empfohlen werden.
Die Erhaltung des diätetisch reduzierten Körpergewichts ist der schwierigste Teil der Adipositastherapie. Eine langfristige Modifikation des Essverhaltens ist unbedingt erforderlich. Vorteilhaft ist eine Ernährungsumstellung, die eine deutliche Verminderung des Fettverzehrs bei gleichzeitiger flexibler Kontrolle des Verzehrs kohlenhydratreicher Lebensmittel zur Grundlage hat. Der besondere Sättigungseffekt einer kohlenhydratreichen Ernährung unterstützt die angestrebte Gewichtsstabilisierung.
Bereits in der Phase der Gewichtsreduktion ist die Verhaltenstherapie ein wesentlicher Teil der Gesamtstrategie. Auch für den Langzeiterfolg einer A. ist sie unentbehrlich. Verhaltenstherapeutische Ziele sind die Verstärkung der Selbstkontrolle durch Verhaltenstraining, der Abbau rigider, einschränkender, auf Dauer nicht durchhaltbarer Kontrollen und das Erlernen flexibler, auf überschaubare Zeiträume und Größenordnungen gerichteter Kontrollen. Ziel dieser und weiterer verhaltenstherapeutischer Maßnahmen ist eine dauerhafte Änderung des Essverhaltens (fettreduziert, kohlenhydratreich) sowie die Bewältigung psychischer und sozialer Folgeprobleme der Adipositas.
Auch die Bewegungstherapie (Ausdauertraining und / oder Krafttraining) ist in der Phase der Gewichtsreduktion ein wesentlicher Teil der therapeutischen Maßnahmen. Die Domäne der Bewegungstherapie ist aber die Stabilisierung des Körpergewichts nach Gewichtsreduktion. Körperliche Aktivität mittlerer Intensität bedingt nicht nur einen zusätzlichen Energieverbrauch und einen bevorzugten Abbau von Körperfett, womit Tendenzen der Wiederzunahme des Körpergewichts entgegengewirkt wird. Die Bewegungstherapie erhöht und stabilisiert auch die körperliche und insbesondere die kardiovaskuläre Leistungfähigkeit und hat positive psychologische Auswirkungen (Steigerung des Selbstvertrauens Adipöser, verminderte Depressivität und Angst). Die Bewegungstherapie wird am effektivsten in Gruppen durchgeführt. Wandern, Radfahren, Schwimmen und Alltagsbewegungen wie Treppensteigen sind zu fördern.
Die medikamentöse Therapie der Adipositas muss ärztlich verordnet und regelmäßig überwacht werden. Ohne gleichzeitige Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungstherapie ist die medikamentöse Behandlung der Adipositas sinnlos. Sie kann in Kombination mit diesen Maßnahmen die Gewichtsreduktion begünstigen und vor allem die Stabilisierung eines therapeutisch verminderten Körpergewichts unterstützen. Als Medikamente stehen zurzeit Appetitzügler (Anorektika), Sättigungsverstärker und ein die Fettresorption partiell hemmendes Pharmakon zur Verfügung.
Bei extrem übergewichtigen Adipösen (BMI > 40) kann unter Beachtung genau definierter Kriterien eine chirurgische Therapie angezeigt sein. Zurzeit werden vorwiegend die vertikale Gastroplastik und die Implantation eines Magenbandes als operative Verfahren eingesetzt. Beide haben zum Ziel, durch die Verminderung der Aufnahmekapazität des Magens eine Einschränkung der Nahrungszufuhr und damit eine Gewichtsreduktion zu bewirken. Eine langfristige Kontrolle der Patienten ist zwingend notwendig. Plastische Operationen wie z. B. die Liposuktion (Fettabsaugung) haben nichts mit der chirurgischen Therapie der Adipositas zu tun.
Die Bewertungskriterien in der Adipositastherapie (Ecriteria for the evaluation of obesity therapy) orientieren sich an der Zielstellung der Therapie. Diese sind generell:

ein langfristiger Gewichtsverlust,die Reduktion von Begleiterkrankungen,die Verbesserung des Gesundheitsverhaltens unddie weitestgehende Vermeidung von Nebenwirkungen.

Vor Beginn einer langfristig angelegten A. sollte eine realistische Zielvereinbarung erfolgen. Überhöhte Therapieerwartungen (etwa im Sinne des veralteten Begriffs „Abmagerung“) führen zu erhöhten Rückfallquoten. Deshalb hat sich eine stufenweise Reduktion des Körpergewichts bewährt. Das Ziel sollte dann jeweils bei entsprechendem Erfolg neu definiert werden. Konkrete Therapieziele richten sich nach dem BMI, der Fettgewebeverteilung und der Komorbidität. Bei einem Übergewicht mit einem BMI von 25–29,9 mit peripherer (gynoider) Fettverteilung ohne Begleiterkrankungen genügt die Verhinderung einer weiteren Gewichtszunahme. Liegt bei diesem BMI aber eine viscerale (androide) Fettverteilung vor oder bestehen Folgekrankheiten, sollte das Gewicht um mindestens 5 % reduziert werden. Besteht eine Adipositas mit einem BMI von 30–34,9 ist eine Gewichtsabnahme (5 %) in jedem Fall indiziert. Adipöse mit einer starken Adipositas (BMI 35–39,9) sollten 10 % des Ausgangsgewichtes abnehmen, um einen gesundheitlichen Vorteil zu erreichen. Langfristig sollte bei Adipösen mit einer extremen Adipositas (BMI von 40 und mehr) die Gewichtsabnahme 20 % und mehr erreichen. Allerdings ist dieses Ziel nur schwer, oft nur mit operativem Eingriff zu erreichen.

  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
Pool-Zobel, Beatrice, Prof. Dr., Jena
Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
Schiele, Karin, Dr., Heilbronn
Schmid, Almut, Dr., Paderborn
Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
Schwandt, Peter, Prof. Dr., München
Sendtko, Andreas, Dr., Gundelfingen
Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
Wächtershäuser, Astrid, Frankfurt
Wahrburg, Ursel, Prof. Dr., Münster
Weiß, Claudia, Karlsruhe
Wienken, Elisabeth, Neuss
Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

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