Lexikon der Ernährung: chemiosmotische Theorie
chemiosmotische Theorie, Echemiosmotic theory, ein von Peter Mitchell [Nature191 (1961) 144–148] vorgeschlagener Mechanismus zur Erklärung, wie die Freie Energie des exergonischen Elektronenflusses entlang einer Elektronentransportkette (z. B. der Atmungskette) die endergonische Phosphorylierung von ADP antreibt, eine Reaktion, die durch die ATPase-Aktivität eines Enzymkomplexes in derselben Membran katalysiert wird (ATP-Synth[et]ase-Komplex). Wenn Elektronen eine Kette aus Redoxsystemen (Elektronentransportkette) von einem negativeren Potenzial (z. B. –0,32 V für NAD+ / NADH) zu einem weniger negativen Potenzial (z. B. +0,82 V für O2 / H2O) „hinunterfließen“, dann wird die durch die Redoxreaktionen freigesetzte Freie Energie dazu verwendet, Protonen (H+) von einer Seite der Membran auf die andere zu transportieren. Dadurch wird ein elektrochemischer Gradient (d. h. ein Gradient der elektrischen Ladung und elektrischen Konzentration) entlang der Membran aufgebaut. In den Mitochondrien werden die Protonen von der Matrix in den Intermembranraum transportiert (in den Bereich zwischen der inneren und der äußeren Membran). Die Energie, die durch den Elektronenfluss frei wird, wird daher in Form eines elektrochemischen Protonengradienten konserviert. Dieser Gradient stellt eine Kraft dar, der Mitchell den Namen protonenmotorische Kraft (Eproton motive force) gab, die die Protonen über die Membran zurücktreibt (d. h. die Protonen fließen von einer höheren Konzentration zu einer niedrigeren Konzentration und aus einem Bereich höherer positiver Ladung in einen Bereich niedrigerer positiver Ladung). Die Protonen nehmen dabei den Weg über die F0F1-ATP-Synthase, die gezwungen wird, das ATP, das sie aus ADP und Pi gebildet hat, freizusetzen. Auf diese Weise wird die im elektrochemischen Gradienten gespeicherte Freie Energie dazu verwendet die endergonische Phosphorylierung von ADP durchzuführen (ADP + Pi → ATP + H2O; DG0’ = +30,5 kJ / mol). Somit kehren die Protonen auf die Seite der Membran zurück, von der sie gestartet sind. Von hier können sie durch die Wirkung der Elektronentransportkette wieder auf die andere Seite gepumpt werden.
Der fundamentale Grundsatz der c. T. besteht darin, dass Protonen die Membran nur durch die Wirkung einer Elektronentransportkette oder über den F0F1-Komplex überwinden können, und dass die Membran ansonsten impermeabel für sie ist. Des Weiteren muss die Membran strukturell intakt sein und das Kompartiment, aus dem die Protonen herausgepumpt werden, muss völlig von der Membran umschlossen werden. Die innere Mitochondrienmembran erfüllt diese und weitere Voraussetzungen.
Entkoppler trennen die Abläufe des Elektronentransports (Aufbau des elektrochemischen Gradienten) von der ATP-Bildung, indem sie die Membran für Protonen durchlässig machen. Somit können Protonen ohne ATP-Synthese – am F0F1-ATPase-Komplex vorbei – durch die Membran zurückströmen. Dies kann physiologisch erwünscht sein (erhöhte Wärmefreisetzung in braunem Fettgewebe, in dem die Substratoxidation von der ATP-Bildung entkoppelt wird), aber auch die unerwünschte Wirkung toxischer Substanzen sein (Entkoppler).
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