Lexikon der Ernährung: Escherichia coli
Escherichia coli, auch als Colibakterien bezeichnet, die bekannteste Art der Gattung Escherichia der Familie Enterobacteriaceae. E. coli ist weitverbreiteter Saprophyt (Organismus, der auf totem Material lebt) im unteren Dünndarm und Dickdarm des Menschen und vieler Warmblüter (Darmflora). E. c. dient als Indikator (Leitkeim) für fäkale Verunreinigungen von Wasser und Lebensmitteln. Die Gesamtzahl im Trinkwasser soll unter 100 Zellen / ml liegen. Die Bedeutung von E. coli als Erreger von Lebensmittelinfektionen wurde durch eine Entdeckung von Konowalchuk et al. offenbar. Sie charakterisierten ein als Verotoxin bezeichnetes Bakterientoxin von E. coli, welches Fibroblasten einer Affen-Zelllinie schädigte. Mittlerweile sind über 250 Serovare von E. coli bekannt, die Verotoxine bilden können. Für den Menschen pathogene Bedeutung haben die enteropathogenen Biotypen (Tab.).
E. c. ist gramnegativ, aerob oder fakultativ anaerob, teilweise peritrich begeißelt oder von einer Kapsel aus Polysacchariden umhüllt, die die Humanpathogenität bedingt. E. c. ist der genetisch und molekularbiologisch am besten untersuchte Organismus. Das Genom mit einer Größe von 4,6 Mega-Basenpaaren besteht aus über 4000 Genen, von denen bisher etwa 1/3 in ihrer Funktion aufgeklärt sind. Außerdem können auch Plasmide – extrachromosomale, meist ringförmige doppelsträngige DNA-Moleküle von 2–200 kbp Länge – in der Zelle vorkommen. Diese Plasmide können neben der Information für die Bildung von Bakterientoxinen (z. B. Verotoxin) u. a. auch Gene für die Ausbildung von Antibiotika-Resistenzen tragen.
E. coli ist derzeit einer der wichtigsten Wirtsorganismen im Rahmen der mikrobiellen Klonierungssysteme der Gentechnik zur Expression heterologer Proteine (z. B. Somatotropin, Insulin, Interferon). Darüber hinaus dient E. c. zur Klonierung, DNA-Amplifikation und Expression von Gensequenzen in der Grundlagenforschung. E. coli als wichtiger Bestandteil der physiologischen Darmflora ruft bei Darmperforation Bauchfellentzündungen und außerhalb des Darmtraktes Infektionen des Urogenitalbereichs hervor. [J. Konowalchuk et al., Infect. Immun.18 (1977) 775–779; R. Steinmüller, Ernährungs-Umschau47 (2000) B 33–B 36]
Escherichia coli: Tab. Merkmale der vier wichtigsten darmpathogenen Gruppen. [veränd. n. R. Steinmüller, Ernährungs-Umschau47 (2000) B 35]
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Synonym | „Shiga-like Toxin” bildende E. coli (SLTC); Verotoxin bildende E. coli (VTEC) | ||||
Vorkommen | verbreitet in Entwicklungsländern, eine der Hauptursachen von Reisediarrhö | in vielen Ländern, auch solchen mit hohem Hygiene-Standard (Deutschland) | hauptsächlich Hospitalinfektionen bei Säuglingen | v. a. in warmen Ländern, eine der Hauptursachen von Reisediarrhö | |
betroffener Personenkreis | alle Altersgruppen | Säuglinge, Kleinkinder, ältere Menschgen und Abwehrgeschwächte | v. a. Säuglinge | alle Altersgruppen | |
Krankheitsbild | Reisediarrhö; Enterocolitis (ruhrähnlich) | wässrig-blutige Durchfälle (hämorrhagische Enterocolitis) | Säuglingsenteritis (wässrig-schleimige Durchfälle) | Reisediarrhö; Gastroenteritis; choleraähnliche, stark wässrige Durchfälle | |
Infektionsdosis | vermutlich 10–100 / g | nicht genau bekannt, vermutlich 10–100 / g | bei Säuglingen vermutlich sehr niedrig, bei Erwachsenen jedoch relativ hoch (>106 / g) | ca. 106–107 / g | |
Übertragung | Schmutz- und Schmierinfektion | infizierte Menschen; Rinder und andere Wiederkäuer sind das natürliche Erreger-Reservoir | Schmutz- und Schmierinfektion | Schmutz- und Schmierinfektion; fäkal-oraler Infektionsweg; kontaminierte Lebensmittel | |
Assoziation mit Lebensmitteln | Hamburgerfleisch und nicht pasteurisierte Milch, Käse | rohes oder ungenügend erhitztes Rindfleisch, nicht pasteurisierte Milch | rohes Rindfleisch und Geflügel, mit Fäkalien verschmutzte Lebensmittel | keine ernste Gefahr in Ländern mit hohen Hygienestandards, jedoch ab und zu in Milchprodukten (Weichkäse) auftretend |
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