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Lexikon der Ernährung: gezügeltes Essverhalten

gezügeltes Essverhalten, Erestraint eating, Essverhalten, dass dadurch gekennzeichnet ist, dass die Nahrungszufuhr bewusst eingeschränkt wird, um das Körpergewicht zu reduzieren bzw. eine Gewichtszunahme zu verhindern. Es umfasst sowohl das wiederholte Durchführen von Schlankheitsdiäten als auch die dauerhafte alltägliche Nahrungsbeschränkung. Das Phänomen des g. E. kann mit dem sog. Boundary-Modell des Essverhaltens (Eboundary, Grenze) erklärt werden, das davon ausgeht, dass die Nahrungsaufnahme durch zwei physiologische Begrenzungen, die Hungergrenze und die Sättigungsgrenze, reguliert wird. Zwischen beiden Grenzen liegt ein physiologischer Indifferenzbereich, in dem die Nahrungsaufnahme z. B. durch emotionale oder soziale Faktoren beeinflusst wird. Die Überschreitung beider Grenzen wird als unangenehm empfunden und entsprechend durch Nahrungsaufnahme bzw. Beendigung der Nahrungsaufnahme entgegengesteuert. Durch Lernerfahrung werden beide Grenzen präventiv gemieden. An welchen Punkten sich Hunger- und Sättigungsgrenze befinden, ist individuell unterschiedlich. Ausgehend von dem Boundary-Modell wird angenommen, dass gezügelte Esser eine niedrige Hunger- und eine hohe Sättigungsgrenze und dadurch einen vergrößerten Indifferenzbereich besitzen.
Zusätzlich verfügen gezügelte Esser über eine dritte, ausschließlich kognitive Grenze, die sog. Diätgrenze (Ediet boundary). Wird die Diätgrenze nur geringfügig überschritten, so wird i. d. R. weitergegessen, bis die Sättigungsgrenze erreicht bzw. überschritten ist, was zu einer höheren Nahrungsaufnahme im Vergleich zu nicht-gezügelten Essern führt (disinhibition effect). Auch Emotionen (z. B. Angst) könnnen die kognitive Kontrolle außer Kraft setzen. G. E. scheint in engem Zusammenhang mit dem Auftreten von Störungen im Essverhalten zu stehen. Erklärt wird dies dadurch, dass der physiologische Hunger-Sättigungsmechanismus durch das Einhalten der kognitiven Grenze und / oder häufige extreme Diäten, Auslassen von Mahlzeiten und emotional ausgelöstem Überessen gestört wird und Essanfälle zur Folge hat. Durch selbstinduziertes Erbrechen werden die physiologischen Regulationsmechanismen weiterhin gestört.
Sowohl der Ess-Sucht als auch der Bulimia nervosa geht meist gezügeltes Essverhalten in Form von Diäthalten voraus. Allerdings ist zwischen rigider und flexibler Kontrolle des Essverhaltens zu unterscheiden. Rigide Kontrolle äußert sich durch die Aufstellung starrer Regeln, z. B. eine Kaloriengrenze, das Verbot bestimmter Nahrungsmittel, Befolgung eines Diätplans etc. Eine minimale Überschreitung wird bereits als Misserfolg interpretiert. Diese Form des g. E. steht in deutlichem Zusammenhang mit gestörtem Essverhalten. Flexible Kontrolle des Essverhaltens ist dagegen in der Regel durch dauerhafte grundsätzliche Verhaltensweisen in Bezug auf Nahrungsmittelauswahl und -menge gekennzeichnet. Anstelle von Ge- und Verboten stehen Bevorzugung und Vermeidung, wobei Ausnahmen zugelassen werden und nicht mit Misserfolgsgefühlen verbunden sind. Diese Form des g. E. geht mit einer geringen Störbarkeit einher. Diese Erkenntnisse sollten generell in der Ernährungsberatung, v. a. aber bei Gewichtsreduktionsprogrammen und in der Therapie von Essstörungen berücksichtigt werden. Patienten sollten immer zu einer flexiblen Kontrolle des Essverhaltens angeleitet werden (Adipositastherapie) – rigide Kontrollmethoden sind als kontraindiziert anzusehen. Gezügeltes Essverhalten kann z. B. mit der Restraint Skala oder dem Fragebogen zum Essverhalten (Eeating inventory) ermittelt werden. Vgl. Externalitätshypothese.

  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
Pool-Zobel, Beatrice, Prof. Dr., Jena
Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
Schiele, Karin, Dr., Heilbronn
Schmid, Almut, Dr., Paderborn
Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
Schwandt, Peter, Prof. Dr., München
Sendtko, Andreas, Dr., Gundelfingen
Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
Wächtershäuser, Astrid, Frankfurt
Wahrburg, Ursel, Prof. Dr., Münster
Weiß, Claudia, Karlsruhe
Wienken, Elisabeth, Neuss
Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

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