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Lexikon der Ernährung: Lebensmittelbestrahlung

Lebensmittelbestrahlung, Efood irradiation, modernes Haltbarmachungsverfahren zur Keimreduktion in Lebensmitteln durch gezielte Behandlung von Lebensmitteln mit ionisiernden Strahlen (Elektronen-, γ- oder Röntgenstrahlen). Zugelassen sind hierzu γ-Strahlen von Kobalt-60- oder Caesium-137-Isotopen, Elektronenstrahlen bis zu einer Energie von 10 Megaelektronenvolt (MeV) sowie Röntgenstrahlen bis zu einer Energie von 5 MeV. Durch die L. wird dem Lebensmittel Energie zugefügt, die ionisierend wirkt, d. h. es werden Elektronen aus den Elektronenhüllen der Atome und Moleküle herausgestoßen. Die bestrahlten Lebensmittel werden dabei nicht radioaktiv, da die bei der L. eingesetzten Energien nicht hoch genug sind, um Reaktionen mit dem Atomkern auszulösen. Ziel der L. ist es, bestimmte erwünschte und nützliche biologische Effekte auszulösen. Dabei sind v. a. Veränderungen der aufgrund ihrer Molekülgröße besonders strahlenempfindlichen Erbsubstanz von Mikroorganismen, Insekten oder Parasiten entscheidend. Die Zellteilung wird gehemmt und somit mikrobieller Verderb und die Vermehrung gesundheitsschädlicher Mikroorganismen vermindert.
Rechtliche Situation: 1999 wurden zwei Richtlinien erlassen, die innerhalb der Europäischen Union die Rechtsvorschriften über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel harmonisieren. Diese wurden am 14. Dezember 2000 in deutsches Recht umgesetzt, und die Lebensmittelbestrahlungsverordnung trat am 21. Dezember 2000 in Kraft. Europaweit dürfen nun getrocknete aromatische Kräuter und Gewürze mit einer maximalen absorbierten Gesamtdosis von 10 Kilogray (kGy) bestrahlt werden. Weitere, in einzelnen Mitgliedsstaaten derzeit ebenfalls zur Bestrahlung zugelassene Lebenmittel, wurden bislang nicht in diese erste Gemeinschaftsliste (Positivliste) aufgenommen. Bis zur Entscheidung über eine Ergänzung der Positivliste können die Mitgliedsstaaten ihre bislang geltenden einzelstaatlichen Genehmigungen beibehalten, haben aber keinen Anspruch, diese Lebensmittel in Mitgliedsstaaten zu exportieren; eine Einfuhr nach Deutschland ist nach wie vor untersagt. Eine Liste der zur Zeit in den Mitgliedsstaaten zur Behandlung mit ionisierenden Strahlen zugelassenen Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht. Einige Beispiele sind die Bestrahlung von tiefgefrorenen Froschschenkeln in Belgien, Frankreich und den Niederlanden, von tiefgefrorenen, geschälten Garnelen in Belgien und Frankreich sowie die Bestrahlung zur Keimhemmung von Zwiebeln und Knoblauch in Belgien, Frankreich und Italien (Tab.). Die neue Regelung schreibt eine umfassende Kenntlichmachung bestrahlter Produkte sowie der damit hergestellten Lebenmittel vor. Unabhängig von der Menge der Zutat ist eine Bestrahlung immer mit der Angabe „bestrahlt“ oder „mit ionisierenden Strahlen behandelt“ kenntlich zu machen. Dies gilt sowohl für verpackte als auch für lose abgegebene Lebensmittel. Es dürfen nur Lebensmittel in einwandfreiem Zustand bestrahlt werden, die L. darf nicht als Ersatz für Hygiene- oder Gesundheitsmaßnahmen sowie für Gute Herstellungspraxis (GMP) eingesetzt werden. Weiterhin wird die Zulassung und Überwachung von Bestrahlungsanlagen geregelt.
Die häufigste Anwendung der L. ist die Bestrahlung von Gewürzen. Weltweit werden jährlich etwa 100.000 Tonnen Gewürze bestrahlt. Aufgrund der häufig hohen mikrobiellen Belastung und dem Wegfall der Möglichkeit der Ethylenoxidbegasung (Bildung von carcinogenem Ethylenchlorhydrin) wird die Gewürzbestrahlung als technisch sinnvoll und aus Gründen der Hygiene notwendig erachtet.
Einfluss auf den Nährwert: Makronährstoffe wie Proteine, Kohlenhydrate und Fette sind verhältnismäßig stabil gegenüber ionisierenden Strahlen. Einige Vitamine (z. B. A, C und E) reagieren empfindlich, die Verluste sind jedoch bei den für die praktische Anwendung in Frage kommenden Dosisbereichen mit denen üblicher Verarbeitungs- und Konservierungsverfahren vergleichbar und können durch geeignete Bedingungen minimiert werden.
Sicherheit: Zahlreiche Untersuchungen auf internationaler Ebene in den letzten Jahrzehnten belegen die gesundheitliche Unbedenklichkeit bestrahlter Lebensmittel. Zuletzt kam 1997 eine gemeinsam von WHO, FAO und IAEO berufene Studiengruppe zu dem Schluss, dass selbst Dosiswerte größer als 10 kGy nicht zu Veränderungen führen, die unter toxikologischen Gesichtspunkten eine nachteilige Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben könnten.
Nachweismethoden: Es stehen für die meisten Anwendungsgebiete der L. analytische Nachweismethoden zur Verfügung. Sie beruhen i. d. R. auf Verfahren der Thermolumineszenz und der Chemilumineszenz, der ESR-Spektroskopie oder auf der Messung der strahleninduzierten Veränderungen in Fetten. Neuere Methoden beschäftigen sich mit dem Nachweis von Aminosäure-Radiolyseprodukten. Es handelt sich größtenteils um validierte und genormte Methoden, die eine analytische Kontrolle nicht gekennzeichneter oder nicht zugelassener bestrahlter Produkte durch die Behörden ermöglichen.
Momentane Situation in Europa: Zurzeit findet die L. in der Praxis in Europa nur sehr wenig Anwendung. Ausnahmen bilden v. a. die Bestrahlung von Gewürzen, Froschschenkeln und Garnelen. In Deutschland spielt die Bestrahlung praktisch keine Rolle. Der Grund hierfür dürfte die große Unsicherheit der Bevölkerung bezüglich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit bestrahlter Produkte und die daraus resultierende mangelnde Akzeptanz sein.

Lebensmittelbestrahlung: Tab. Anwendungsbereiche.

Zweck     Dosis in
     kGy
Beispiele
Keimhemmung0,05–0,15Kartoffeln, Zwiebeln
Insektenbekämpfung0,15–0,75Getreide, Hülsenfrüchte
Parasitenbekämpfung0,15–0,75Fisch, Fleisch
Reifungsverzögerung0,25–1,0frische Früchte und Gemüse
Haltbarkeitsverbesserung1–3frischer Fisch, Erdbeeren
Pasteurisation (Ausschalten von Verderbnis- und Krankheitserregern)1–10Gewürze, Geflügel, Eiprodukte, Meeresfrüchte, Camembert
Verbesserung produkttechnischer Eigenschaften2–7Saftausbeutenerhöhung bei Trauben, Verkürzung von Kochzeiten
Sterilisation25–50Astronautenkost, sterilisierte Krankenhauskost, medizinische Produkte
  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
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Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
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Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
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Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
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Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
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Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
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Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

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