Lexikon der Ernährung: lipostatische Sättigungstheorie
lipostatische Sättigungstheorie (nach Kennedy), Regulation der Nahrungsaufnahme und des Energiehaushalts in Abhängigkeit von der Größe der Körperfettdepots. Die Anfang der 50er Jahre postulierte l. S. nach Kennedy scheint nach heutigem Wissen die Mechanismen, die an der langfristigen Regulation der Nahrungsaufnahme und der Konstanthaltung des Körpergewichts beteiligt sind, prinzipiell am treffendsten zu erklären (Hunger-Sättigungs-Theorien).
Kennedy ging der Frage nach, welche Mechanismen es dem Körper erlauben, sein Körpergewicht auf einem relativ konstanten Niveau zu halten. Er ging davon aus, dass aus den Körperfettdepots in Abhängigkeit von deren Größe gewisse Stoffwechselsignale freigesetzt werden, die das Gehirn über die Größe der Energiereserven informieren, um so die Nahrungsaufnahme bzw. Energieabgabe entsprechend beeinflussen zu können. Das führt zu einer Konstanthaltung der Körperfettdepots und damit des Körpergewichts. Während die prinzipiellen Postulate der l. S. Gültigkeit zu haben scheinen, geht man heute davon aus, dass nicht Stoffwechselsignale, sondern vor allem die Hormone Insulin und Leptin die entsprechenden Rückkopplungssignale darstellen.
Die Entdeckung von Leptin geht u. a. auf Beobachtungen über spontan auftretende Mutationen bei Mäusen und Ratten zurück, die zu massivem Übergewicht führen, wie die sog. ob / ob Maus (ob für Eobese), die db / db Maus (db für Ediabetic) oder die fa / fa Ratte (fa für Efatty). Leptin selbst wurde aber erst im Jahr 1994 entdeckt, es ist ein Proteohormon und das erste bekannte Hormon des Fettgewebes. Leptin wird vor allem im Fettgewebe produziert, seine Synthese und Produktion steigen mit zunehmender Größe der Fettdepots und vor allem der Größe der Fettgewebszellen an. Die oben erwähnten, zu massivem Übergewicht führenden Spontanmutationen gehen auf einen Defekt im Leptingen (ob / ob) bzw. einen Leptin-Rezeptordefekt (db / db; fa / fa) mit daraus folgender Unempfindlichkeit für Leptin zurück.
Neben Leptin ist das aus der Bauchspeicheldrüse stammende Insulin – neben seiner Funktion bei der Blutzuckerregulation – ein entscheidendes lipostatisches Rückkopplungssignal, da die Plasma-Insulinkonzentration bei zunehmender Größe der Fettdepots (Fettgewebeverteilung) wegen der damit einhergehenden Insulin-Resistenz ansteigt.
Die Konzentration von Insulin und Leptin steigt also mit zunehmender Größe der Körperfettdepots an, und sowohl Insulin als auch Leptin hemmen die Nahrungsaufnahme (Appetitregulation) über eine Wirkung auf den Hypothalamus. Im Hypothalamus scheint der primäre Angriffsort sowohl von Leptin als auch von Insulin der Nucleus arcuatus zu sein. Von dort aus kommt es über eine Beeinflussung mehrerer Neurotransmitter- und Neuropeptidsysteme (Neuropeptid Y, agouti related protein, corticotropin releasing factor, α-Melanocyten stimulierendes Hormon, cocaine and amphetamine regulated transcript, Histamin) zu einer Verringerung der Nahrungsaufnahme, über Leptin zusätzlich zu einer Stimulation der Energieabgabe. Letzteres beruht u. a. auf einer gesteigerten Wärmeproduktion im braunen Fettgewebe. Über die genannten Wirkungen von Insulin und Leptin ist im Körper ein klassisches Rückkopplungs-Regelsystem zur Konstanthaltung der Körperfettreserven und damit des Körpergewichts ausgebildet, da die fettfreie Körpermasse bei adulten Individuen unter den meisten Bedingungen relativ konstant ist. Insulin und Leptin erfüllen also alle Anforderungen, die Kennedy in seiner l. S. an die lipostatischen Rückkopplungssignale gestellt hat.
Im Gefolge der Entdeckung von Leptin zeigte sich, dass in vielen Fällen der humanen Adipositas hohe Leptin-Spiegel kombiniert mit einer Leptin-Resistenz ausgebildet sind. Daneben kommen aber auch bei Menschen Mutationen im Leptin-System vor, die zu massivster Adipositas führen (z. B. genetisch bedingte Leptin-Defizienz, Leptin-Rezeptordefekte, der Defekte Leptin-Signal-Transduktion).
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