Lexikon der Ernährung: Multipler Carboxylase-Defekt
Multipler Carboxylase-Defekt, Emultiple carboxylase deficiency, MCD, ein autosomal-rezessiv biochemischer Defekt (erbliche Stoffwechselerkrankungen), der über einen Biotin-Mangel zu multiplen Carboxylase-Mangelzuständen führt. Die Erstbeschreibung erfolgte 1977 durch L. Sweetman. Der Aktivitätsmangel der drei mitochondrialen Carboxylasen (Biotinenzyme) Propionyl-CoA-Carboxylase (EC 6.4.1.3), Pyruvat-Carboxylase (EC 6.4.1.1) und β-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase sowie der cytosolischen Acetyl-CoA-Carboxylase (EC 6.4.1.2) führt zu einer Beeinträchtigung des Stoffwechsels der verzweigtkettigen Aminosäuren, der Gluconeogenese und der Fettsäuresynthese mit einem typischen Metabolitenmuster im Urin.
Der m. C. ist die Folge von erworbenem oder genetisch determiniertem Biotinmangel aufgrund eines Defektes der Biotinidase (vgl. Biotinidasemangel), die aus dem mit der Nahrung aufgenommenen BiocytinBiotin freisetzt. Die klinischen Symptome können sich bereits in den ersten Lebenstagen oder (meistens) im Alter von 2–5 Monaten manifestieren. Es kommt zu lebensbedrohlichen ketoacidotischen Attacken mit erhöhten Lactat- und Ammoniakspiegeln im Blut. Ferner treten neurologische Störungen mit Ataxie (Koordinationsstörungen), Muskelhypotonie, Hörverlust, Atrophie des Sehnervs und Krämpfe auf. Hautausschläge (atopische Dermatitis) und diffuser Alopezie (Haarausfall) sind möglich. Insgesamt liegt eine beträchtliche interfamiliäre Variabilität der Symptomatik vor. Unbehandelt führt der M. C. zu irreversiblen Hirnschäden und in einigen Fällen sogar zum Tode. Gelingt die Diagnosestellung im Rahmen des Neugeborenen-Screening frühzeitig, können irreparable Schäden durch eine gezielte Ernährungstherapie vermieden werden.
Neben dem Biotinidasemangel (Inzidenz ca. 1 : 60.000) kann auch der noch seltener auftretende Defekt der Holocarboxylase-Synthetase (HCS; Eholocarboxylase synthetase deficiency; fehlende Aktivierung der Apoenzyme durch Biotin) zu einem multiplen Carboxylase-Mangel führen.
Ernährungstherapie: M. C. wird durch orale Gaben von freiem Biotin behandelt, ggf. in pharmakologischer Dosis, bei HCS-Mangel 10–80 mg, bei Biotinidasemangel 5–10 mg/d. Rohes Eiklar (Avidin) wird aus der Nahrung ausgeschlossen; weitere Ernährungsmaßnahmen sind nicht erforderlich. Bei frühzeitigem Behandlungsbeginn wird die Prognose mit gut angegeben.
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