Lexikon der Ernährung: Pflanzengifte
Pflanzengifte, pflanzliche Gifte, Eplant poisons, Inhaltsstoffe von Pflanzen die auf Tier und Mensch negativ, d. h. nach Verzehr oder anderer Aufnahme giftig – evtl. tödlich – wirken können. P. gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, die meisten sind den Alkaloiden und Glycosiden zuzurechnen. P. können infolge Massenvergiftungen bei Weidetieren erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Die massenhafte Vermehrung von giftigen Algen kann zum Fischsterben führen. In entsprechender Dosierung können P. als Arzneimittel bzw. missbräuchlich für Suizide Verwendung finden. Im weiteren Sinne gehören auch die Pilzgifte und die Bakterientoxine zu den P.
Vergiftungen mit Pflanzen resultieren v. a. aus dem Verzehr von Pflanzen oder Pflanzenteilen, wobei besonders Kinder gefährdet sind. Zunehmende Vergiftungszahlen sind aber auch die Folge des Verzehrs von durch „Laien“ kreierten Kräutertees oder von Wildgemüsen, des Konsums von mit anderen Pflanzen (Strychnin aus der Brechnuss) verschnittenen Rauschmitteln sowie des Verzehrs roher Gemüsepflanzen (Kartoffeln, Bohnen).
Eine strenge Einteilung der P. nach dem Wirkort ist kaum möglich, da die Wirkung häufig durch ein komplexes Gemisch aus Inhaltsstoffen verursacht wird. Hinzu kommen Unterschiede im individuellen Vergiftungsbild. Auch variiert der Giftgehalt der Pflanzen in Abhängigkeit vom Standort, Klima oder Jahreszeit. Das Wirkspektrum der P. reicht von hochspezifisch an Rezeptoren physiologischer Transmitter angreifend bis zu völlig unspezifisch oder erst infolge hoher Konzentration toxisch. Trotz hoher Giftstoffgehalte dienen weltweit viele Pflanzen der Ernährung (Maniok, Kartoffeln, Bohnen; Tab.), indem durch die Art der Zubereitung oder durch Entfernen giftiger Pflanzenteile die P. unschädlich gemacht werden.
Erste Maßnahmen nach Vergiftung mit P. zur Gefahrenminderung können Aktivkohlegabe und Verabreichung von Abführmitteln sein. Brechmittel sollten nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden. Meist erfolgt nach der primären Giftentfernung eine symptombezogene Therapie.
Pflanzengifte: Tab. Beispiele wichtiger Pflanzengifte. Unmittelbar als Nahrungs- oder Genussmittel dienende Pflanzen in Fettschrift.
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Tropanalkaloide | Atropin, L-Hyoscyamin und L-Hyoscin | Tollkirsche Stechapfel Bilsenkraut | wirken als Parasympatholytika (10–12 Beeren der Tollkirsche können für Erwachsene tödlich sein) | |
Pyridine / Piperidinalkaloide | Nicotin Coniin | Tabak gefleckter Schierling | Ganglienblocker Verwechslung mit Petersilie möglich | |
Chinolizidinalkaloide | Cytisin
| Goldregen, Stechginster, gelbe Lupine, Besenginster | Ganglienblocker Ganglienblocker | |
Pyrrolizidinalkaloide | Retorsin Heliotrin Jacobin | Kreuzkraut Heliotrop Hanfarten | ausgesprochen lebertoxische Wirkung, zählen zu den natürlichen Cancerogenen | |
Terpenalkaloide | Aconitin | Eisenhut | (gilt als giftigste Pflanze Europas), wirkt zunächst erregend, später lähmend auf das ZNS | |
Mutterkornalkaloide | Claviceps purpurea (Pilz v. a. auf Roggen und Hirse) | Ergotismus | ||
Steroidalkaloide | Solanin | rohe Kartoffeln | führt zu Gastroenteritis und ZNS-Störungen | |
Glucosinolate | ||||
Glycoside | Vicin / Convicin Linamarin | Ackerbohne | können beim Vorliegen eines genetisch bedingten Mangels an Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase zum Favismus führen setzt Blausäure frei | |
Proteine | Lectine | Bohne | hämorrhagische Gastroenteritis |
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