Lexikon der Ernährung: Sauermilcherzeugnisse
Sauermilcherzeugnisse, Esour milk products, curdled milk products, im engeren Sinne unter Verwendung von mesophilen Milchsäurebakterien (z. B. Streptococcus lactis, S. cremoris, S. diacetylactis, Leuconostoc cremoris aus erhitzter Milch oder Sahne hergestellte saure Milcherzeugnisse, im weiteren Sinne werden auch Jogurterzeugnisse und Kefir eingeschlossen (Tab.). Homofermentative Bakterien bilden aus der Lactose (Milchzucker) nur Milchsäure, heterofermentative Kulturen bilden neben der Milchsäure auch andere Produkte (Aromastoffe, z. B. Diactetyl und Acetoin in Butter, Acetaldehyd in Jogurt, geringe Mengen Alkohol, CO2). Die Säuerung bewirkt eine mehr oder weniger starke Dicklegung der Erzeugnisse durch Koagulation des Caseins sowie eine Verlängerung der Haltbarkeit. Die mit mesophilen Milchsäurebakterien hergestellten S. sind i. d. R. milder im Geschmack als die mit thermophilen Milchsäurebakterien hergestellten Jogurterzeugnisse. Zur Gewinnung von Kefir und Kumyß werden zusätzlich Hefekulturen eingesetzt, wodurch es zur Bildung von Alkohol kommt.
Ernährungsphysiologische Bewertung: Zu den ernährungsphysiologisch günstigen Eigenschaften von S. zählen die verdauungsregulierende Wirkung, die Bildung leicht verdaulicher Abbauprodukte des Milcheiweißes, die Verbesserung der Milchzuckerverwertung bei Lactose-Intoleranz (Lactasebildung der Milchsäurebakterien) und die Verbesserung der Calciumversorgung (Milchsäure erhöht die Calciumresorption) sowie die Erhöhung der Aufnahme von B-Vitaminen (Milchmischerzeugnisse). S. besitzen eine regulierende Wirkung auf die Säureproduktion des Magens und unterstützen eine günstige Darmflora.
Säuglingsernährung: Bis zur Einführung der adaptierten Milchnahrung wurde in der Säuglingsernährung die Säuglings-Sauermilchnahrung eingesetzt, die sich gegenüber nicht-gesäuerter Milch durch eine bessere Verträglichkeit auszeichnete und heute noch als Säuglings-Heilnahrung Verwendung findet. Während früher die rechtsdrehende Milchsäure als positiv für die Gesundheit und die linksdrehende als „körperfremd“ und nicht zu verstoffwechseln beurteilt wurde, ist inzwischen nachgewiesen worden, dass auch die linksdrehende Milchsäure – allerdings langsamer – verstoffwechselt wird. Zu einer Übersäuerung des Blutes kommt es nicht. Nur Säuglinge sollten in den ersten Lebensmonaten keine linksdrehende Milchsäure bekommen, da ihr Stoffwechsel noch nicht voll funktionsfähig ist.
In Deutschland liegt der Verbrauch von S. und Milchmischerzeugnissen bei ca. 23 kg pro Kopf und Jahr (1996), davon entfielen 14,6 kg auf Jogurt. Obwohl der Verbrauch an Frischmilcherzeugnissen insgesamt zurückgeht, zeigt Jogurt (neben Sahne) einen signifikant positiven Trend.
Sauermilcherzeugnisse: Tab. Warenübersicht.
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Jogurt | Streptococcus thermophilus, Lactobacillus bulgaricus, z. T. auch Lactobacillus acidophilus, Bifidobacterium bifidum | typisches Aroma durch Acetaldehydstichfeste oder gerührte Produkte in Fettgehaltsstufen entsprechend der Ausgangsmilch (Vollmilchjogurt, fettarmer Jogurt, Magermilchjogurt) und Sahnejogurt (10 % Fett)Zusatz von Dickungsmitteln möglich (Kennzeichnung) | |
Dickmilch (Sauermilch, dickgelegt) | Streptococcus lactis, S. cremoris, S. diacetylactis | mit Milchsäurebakterien mild gesäuert und dickgelegtFettgehaltsstufen entsprechend der Ausgangsmilch, außerdem Sahnedickmilch mit 10 % Fett | |
Sauermilch (Trinksauermilch) | Streptococcus lactis, S. cremoris, S. diacetylactis | durch Milchsäurebakterien gesäuerte, nicht dickgelegte Milch (gerührt) Fettgehaltsstufen entsprechend der Ausgangsmilch, außerdem Sahnedickmilch mit 10 % Fett | |
Buttermilch | Streptococcus lactis, S. cremoris, bei Nachsäuerung auch Luconostoc citrovorum | bei der Butterung anfallendes, flüssiges Erzeugnisbei Herstellung von Sauerrahmbutter bereits gesäuert, bei Süßrahmbutter ist eine nachträgliche Säuerung zulässigButtermilch darf bis zu 10 % Fremdwasser oder 15 % Magermilch aus dem Butterungsprozess (Butterwaschwasser) enthalten, auch eine Erhöhung der Trockenmasse ist möglich„reine Buttermilch” enthält weder Fremdwasser noch Magermilch | |
Kefir | Milchsäurebakterien:Streptococcus lactis, S. cremoris, S. diacetylactis, Lactobacillus kefir, L. brevis, L. caucasicus, Leuconostoc spp. lactosevergärende Hefen: Candida kefir, Kluyveromyces lactis, Turola kefir, Saccharomyces kefir | ursprünglich mit Kefirknöllchen, einer Symbiose aus Mikroorganismen, koaguliertem Casein und quellfähigem Polysaccharid (Kefiran), industriell mit Starterkulturen hergestelltleicht moussierendes, alkoholhaltiges Sauermilchgetränkdurch die Hefen werden typische Aromastoffe, Alkohol und CO2 produzierttraditionell hergestellter Kefir enthält ca. 5 g Alkohol pro Liter, industriell hergestellter Kefir durchschnittlich 0,09 g | |
Kumyß | Milchsäurebakterien:Streptococcus lactis, S. thermophilus, Lactobacillus bulgaricus, Torula kumyß, lactosevergärende Hefen: Saccharomyces-Hefen | traditionelles, aus Stutenmilch durch alkoholische und milchsaure Gärung hergestelltes Heil- und Nahrungsmittel aus Zentralasiennach dem Lebensmittelrecht keine Milcherzeugnis, da es aus Stutenmilch hergestellt wird (Lebensmittel eigener Art) enthält 0,5–2,5 % Ethanolindustriell kaum angeboten |
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