Lexikon der Geographie: Dienstleistungen
Dienstleistungen, gewinnen in weit entwickelten Volkswirtschaften dominierende Bedeutung (Sektorentheorie, Sektorenwandel). Ihre Abgrenzung gegenüber den produzierenden Sektoren (Landwirtschaft, Verarbeitendes Gewerbe) ist jedoch schwierig. Lange Zeit galten Dienstleistungen als Restbereich der Wirtschaft, in den alle nicht mit der Herstellung von Sachgütern verbundenen Aktivitäten eingeordnet wurden. Heute dienen die Merkmale "Immaterialität von Produkten", deren "fehlende Lagerfähigkeit", die große "Humankapital- oder Arbeitsintensität" bei der Herstellung und das "uno-actu-Prinzip" beim Vertrieb zur Charakterisierung. Letzteres besagt, dass eine unmittelbare Interaktion zwischen dem Erbringer und dem Nutzer einer Dienstleistung erfolgen muss, da Produktion und Verwendung der Dienstleistung räumlich und zeitlich zusammenfallen (z.B. bei einem Haarschnitt genauso wie bei einer Investmentberatung). Zwischen der materiellen Warenherstellung und Dienstleistungen gibt es jedoch Überschneidungen; Industriebetriebe führen nicht nur operativeTätigkeiten (Warenherstellung), sondern auch dispositive Tätigkeiten (z.B. Forschung/Entwicklung, Verwaltung, Verkauf, Werbung, Logistik) durch. Dienstleistungen besitzen damit eine größere Bedeutung als ihr statistischer sektoraler Anteil (z.B. an Bruttoinlandsprodukt Beschäftigten) ausdrückt. Hinsichtlich der inneren Gliederung des Dienstleistungssektors gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Unterscheidungen nach der Qualität identifizieren einen Tertiären Sektor, mit eher klassischen einfacheren Serviceleistungen (z.B. Handel, personenbezogene Dienste), und einen Quartären Sektor, mit moderneren höherwertigen Aktivitäten (z.B. Forschung, Entwicklung, Beratung). Die Gliederung nach der Fristigkeit – kurzfristig (z.B. Handel, Gastronomie), mittelfristig (z.B. Arzt, Reparatur), langfristig (z.B. Versicherung) – basiert auf der Häufigkeit der Nutzung. Häufig verwendet wird eine Aufteilung nach Art und Zielgruppe der Dienste; unterschieden werden distributive Dienstleistungen (z.B. Verkehr), öffentliche Dienstleistungen (z.B. Gesundheitswesen, Verwaltung), konsumentenorientierte Dienstleistungen (z.B. Handel, Fremdenverkehr, Unterhaltung) und unternehmensorientierte Dienstleistungen (z.B. Wirtschafts-/Ingenieurberatung). Entsprechend ihrer Merkmale besitzen bei der Standortwahl Einflüsse der Nachfrageseite (Nähe zu Nachfragern, Nachfragevolumen) als Standortfaktoren von Dienstleistungen entscheidende Bedeutung und prägen das Standortsystem von Dienstleistungen.
Die Entwicklungsdynamik von Dienstleistungen zeigt einen generellen Beschäftigtenzuwachs des Gesamtsektors in hoch entwickelten Volkswirtschaften, der jedoch in den einzelnen Teilbranchen unterschiedlich ausgeprägt ist; parallel treten Wachstums-, Stagnations- und Schrumpfungstendenzen auf. Die Entwicklung wird geprägt durch einen Nachfragezuwachs nach Dienstleistungen, Substitutionsprozesse (z.B. durch langlebige Konsumgüter) und Produktivitätsfortschritt (begrenzt Beschäftigtenzuwachs). Humankapitalintensive unternehmensorientierte Dienstleistungen verzeichnen durch stärkere Nachfrage (z.B. wegen Globalisierung, kürzerer Produktlebenszyklen, Auslagerungen aus Unternehmen) den höchsten Zuwachs. Auch die Beschäftigtenzahl von Finanz- und Versicherungsdienstleistern vergrößert sich (Globalisierung, internationale Finanzgeschäfte), jedoch führt hier der Einsatz neuer Technologien (z.B. EDV, Telekommunikation, Bankautomaten) zur Erhöhung der Beschäftigtenproduktivität. Stark steigt der Bedarf an distributiven Dienstleistungen, jedoch finden hier neue arbeitssparende Technologien (z.B. Containerverkehr, Güterverkehrszentren) Verwendung. Die Nachfrage nach konsumentenorientierten Dienstleistungen vergrößert sich auch, jedoch begrenzen Produktivitätserhöhungen und Substitutionsprozesse den Beschäftigtenzuwachs. So konnten Einzelhandelsunternehmen durch neue Betriebsformen (z.B. Super-, Verbrauchermarkt) den Umsatz steigern und den Personalbestand reduzieren (z.B. durch Selbst- statt Fremdbedienung). Einfachere auf Endverbraucher orientierte Dienste (z.B. Boten, Putzhilfe, Wäscherei) werden durch langlebige Konsumgüter (z.B. PKW, Staubsauger, Waschmaschine) substituiert. Zuwachs zeigen Bereiche, in denen nur begrenzt die Personalproduktivität (z.B. Gastronomie, Fremdenverkehr) zu erhöhen ist. Auch bei öffentlichen Dienstleistungen steigt in hochentwickelten Volkswirtschaften der Bedarf (z.B. Altenpflege), jedoch begrenzen die verfügbaren staatlichen Mittel den Zuwachs ( Abb.).
Prognosen gehen davon aus, dass auch in Zukunft einfachere produktionsorientierte Tätigkeiten und konsumentenorientierte Dienste durch Einsatz neuer personalsparender Techniken und Substitutionsprozesse einen geringen Zuwachs verzeichnen. Dagegen steigt der Bedarf nach höherwertigen Diensten und führt zu einem Beschäftigungszuwachs bei beratenden, lehrenden und forschenden Tätigkeiten.
EK
Dienstleistungen: Dienstleistungen: Prognose des Erwerbstätigenanteils nach Dienstleitungs- und Tätigkeitsgruppen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.