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Lexikon der Geographie: japanische Burgstadt

japanische Burgstadt, Jokamachi [von japanisch=Stadt unter der Burg], kulturgenetischer Stadttyp. Die japanische Burgstadt geht auf die Feudalzeit von der Zweiten Hälfte des 16. Jh. bis 1867 zurück. In dieser Zeit gründeten die Daimyo (Landesherren) lokale Zentren zur Sicherung ihrer administrativ und wirtschaftlich autonomen Provinzen, aus denen in der Folgezeit die meisten und bedeutendsten japanischen Städte hervorgegangen sind. Die Anlage der Städte erfolgte aus militärstrategischen Gründen meist in zentraler Verkehrslage zur Kontrolle der wichtigen Landstraßen und um die großen Heere bewegen zu können. Den Mittelpunkt der Jokamachi bildet der nach Möglichkeit auf einem Hügel am Fluss angelegte Burgbezirk mit dem Herrensitz des Daimyo, der durch mehrere Wassergräben und Wälle geschützt wird. Ringförmig um den Burgbereich ordnen sich von innen nach außen die Wohngebiete der Samurai höheren und mittleren Ranges (Samuraimachi) an, die wiederum von einem Grabensystem umgeben sind. Außerhalb der Befestigungsanlagen erstrecken sich entlang der mehrfach geknickten Hauptstrasse und auf der dem Fluss abgewandten Seite die bürgerliche Unterstadt der Handwerker und Kaufleute (Choninmachi) sowie daran anschließend die Samuraimachi der niederen Ränge und deren Bediensteter. Zur Sicherung und eindeutigen Abgrenzung der Stadt nach außen befinden sich am Stadtrand die Tempelareale (Teramachi) und Schreine ( Abb. 1). Mit der 1590 erzwungenen Festlegung des Standes wurde eine Klassengesellschaft geschaffen, die eine klare Trennung zwischen Stadt und Land ermöglichte und zudem die Basis für die Bestimmung der Stadtgröße (Einkommen des Daimyo, das auch die Anzahl der Samurai bestimmt) sowie die dem sozialen Status der Bewohner entsprechende Zonengliederung (Sozialraumanalyse) der Stadt bildete. Die Stadt ist in einer Stufenfolge von Norden nach Süden geordnet, wobei der Sozialgradient vom Burgbezirk ausgehend nach außen hin abnimmt. Umzüge waren prinzipiell nur innerhalb des Klassenviertels und mit Zustimmung aller Quartiersbewohner möglich. Innerhalb der Choninmachi bestanden keine Statusunterschiede, aber Kaufleute und Handwerker derselben Branche siedelten sich meist im gleichen Bezirk an. Häufig waren die einzelnen Quartiere durch Tore gegeneinander abgeriegelt. Die Aufteilung der Stadtfläche erfolgte nach Blöcken unterschiedlicher Maßeinheiten. Die Grundeinheit bildete ein Quadrat von 133m Seitenlänge (Cho), welches dem Status und den Bedürfnissen der jeweiligen Bewohner entsprechend in Untereinheiten aufgeteilt wurde. Block- bzw. Grundstücksgröße und bauliche Elemente (Palast des Daimyo, Samuraihaus, Bürgerhaus) spiegeln somit den Sozialstatus wider, je niedriger der Status desto kleiner die Maßeinheit ( Abb. 2). Die Jokamachi ist somit das räumliches Abbild einer Klassengesellschaft. Soziale Umwälzungen und neue Elemente der Stadtentwicklung führen im 19. und 20. Jh. zu einem grundlegenden Wandel im Gefüge der japanischen Burgstadt. Mit der Auflösung der Feudalordnung durch die "Meiji Restoration" (auch "Meiji Revolution") 1868 beginnt für die japanische Stadt die Phase der bürgerlich-kapitalistischen Stadtentwicklung. Daimyo und Samurai verlieren ihre Privilegien und müssen sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Dies hat sowohl eine Durchmischung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen als auch einen Funktionswandel der einzelnen Quartiere zur Folge. Während die Choninmachi sich ausweiten und differenzieren, rückt der Burgbezirk näher an den Zentrumsrand. Er fungiert mit seinen Grünflächen als innerstädtisches Erholungsgebiet und übernimmt Verwaltungsfunktionen. Die Samuraimachi verlieren weitgehend ihre Funktion als gehobene Wohnviertel und werden statt dessen zum Standort von Gewerbe- und Industriebetrieben. Es entstehen gemischte Wohn- und Gewerbezonen, in die später vermehrt Handelsbetriebe vordringen. Nach dem Verlust der Vormachtstellung als Territorialzentren konnten sich vor allem diejenigen Jokamachi weiterentwickeln, die als Provinzhauptstädte neue Funktionen oder Industrien an sich zogen. Trotz des starken Flächenwachstums und des Wandels der inneren Gliederung sind die meisten japanischen Städte bis heute in ihrem Kern durch die einstigen feudalen Strukturen bestimmt.

AKs


japanische Burgstadt 1: japanische Burgstadt 1: Innere Gliederung.

japanische Burgstadt 2: japanische Burgstadt 2: Soziale Gliederung.
  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Geogr. Christiane Martin (Leitung)
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle
Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier

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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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