Lexikon der Geographie: Ökosystem
Ökosystem
Otto Fränzle, Kiel
Ökosystem ist einer der Zentralbegriffe der Systemökologie. Eine eingehendere semantische Analyse der auf Transley (1935) folgenden einschlägigen Literatur, die seit den 1960er-Jahren rasch wuchs, lässt freilich erkennen, dass mit dem Wort Ökosystem ein breites Spektrum von z.T. sehr unterschiedlichen Begriffsbildungen verknüpft ist. Diese spiegeln unterschiedliche epistemologische Standpunkte, die sich in fünf Punkten zusammenfassen lassen (Jax 1992) wider: a) Ökosysteme stellen reale Raumeinheiten dar und sind als solche abgrenzbar. b) Ökosysteme sind Konstrukte des Beobachters. c) Ökosysteme bestehen aus wechselwirkenden biotischen und abiotischen Komponenten. d) Ökosysteme befinden sich im Zustand eines Fließgleichgewichts oder streben einen solchen an. e) Ökosysteme sind kybernetische Systeme mit einer (begrenzten) Fähigkeit zur Selbstregulation. In den drei letztgenannten Fällen wird auf Eigenschaften abgehoben, die sich – im Rahmen einer operationalen Fassung der räumlichen und zeitlichen Systemgrenzen – bestenfalls als Ergebnis einer entsprechend langen und differenzierten Untersuchung ermitteln lassen. Als apriorische Kennzeichen von Ökosystemen kommen sie daher nicht in Frage. Das Gleiche gilt für die Forderung von Klötzli (1993), dass Ökosysteme als Ganzheiten auf Inputs anders reagieren müssen, als es die isolierten Bestandteile tun würden, d.h. emergente Eigenschaften besitzen, die sich erst aus dem Zusammenwirken von Standort und Lebewesen ergeben (Breckling & Müller 1997). In Bezug auf die erstgenannten Punkte ist festzuhalten, dass jede Systembeschreibung von theoretischen Annahmen abhängt und schon deshalb kein objektives Bild der "Wirklichkeit" liefert. Das zu untersuchende System wird vielmehr vom Beobachter selbst definiert und dies geschieht immer in Hinblick auf spezifische Fragestellungen. Das jeweilige wissenschaftliche Problem bestimmt damit die Festlegung des räumlichen Rahmens, des zeitlichen Bezugs sowie der zu bearbeitenden Elemente und Relationen (Breckling & Müller 1997, Jörgensen & Müller 2000).
Zusammenfassend lassen sich i.S. eines theoretischen Minimalkonsenses folgende Eigenschaften für eine operationelle Definition eines Ökosystems festhalten: Es ist erstens im Rahmen der jeweiligen thermodynamischen Randbedingungen offen gegenüber seiner Umgebung in Bezug auf Stoff-, Energie- und Informationsflüsse und zweitens belebt als Ausdruck seiner biotischen Komponenten. Ein sehr allgemeines Konzept der Verflechtung der Eigenschaften Offenheit und Belebtheit liefert der Begriff der Selbstorganisation (Krohn & Küppers 1990). Dies beinhaltet die Evolution komplizierter Baupläne und Verhaltensmuster von ein- und vielzelligen Phänotypen. Eine notwendige Bedingung für ein selbstorganisiertes System ist daher die selbstreferentielle Kopplung und Lösung klassifikatorischer und konstruktiver Aufgaben (Evolution von Ökosystemen, Fitness). Als strukturell wie funktional interpretierbaren Ausdruck der oben als operationaler Minimalkonsens bezeichneten Auffassung mag das – im Kern auf Ellenberg zurückgehende – Ökosystem-Modell dienen ( Abb. 1 ).
Das Ökosystem als Beziehungsgefüge von Biotop und Biozönose
Das Biotop umfasst die abiotischen Ökofaktoren der Lebensgemeinschaft eines Ökosystems. Sie stellen zum einen den Rahmen für den potenziellen Organismenbesatz dar, zum andern beeinflussen sie die Umsatzraten ökologischer Prozesse, denn diese laufen immer unter Beteiligung der abiotischen Systemkomponeten ab, die häufig Transport-, Puffer- und Speicherfunktionen besitzen. Auch Ein- und Austräge von Stoffen und Energie finden in beträchtlichem Umfang im Rahmen abiotischer Prozesse statt. Die Standortfaktoren bilden damit wichtige Grundlagen für den Selbstorganisationsprozess von Ökosystemen. Wichtig für die Persistenz und die Abundanz der jeweiligen Populationen sind dabei nicht nur die aktuellen Größen der abiotischen Faktoren, sondern auch ihre Schwankungsbreiten (Minima, Maxima) und deren zeitlicher Verlauf. Die verschiedenen Standortfaktoren haben in Hinblick auf die Lebensprozesse unterschiedliche Bedeutung und sie wirken immer als Komplex zusammen. Dabei kann es sowohl zur begrenzten Kompensation eines Faktors durch einen anderen wie auch zu synergetischen Effekten kommen. Vielfach ist es allerdings kaum oder gar nicht möglich, die Wirkung eines einzelnen Faktors und die damit verbundenen komplexen Folgewirkungen auf das Ökosystemgefüge insgesamt mit hinreichender Genauigkeit abzuschätzen (Hörmann 1995).
Die Gesamtheit der an einem Ort (Biotop) direkt und indirekt wechselwirkenden Organismen bildet die Biozönose. Sie ist Träger der Lebens- und Stoffwechselprozesse im Ökosystem und sie stellt mit den Organismen die entscheidenden Prozessoren für die funktionalen Leistungen des Systems (biotische Ökofaktoren). Dabei sind die trophischen Beziehungen von besonderer Bedeutung; sie lassen sich (mit jeweils fließenden Übergängen) verschiedenen Untertypen zuordnen: Beim Neutralismus erfolgt keine gegenseitige Beeinflussung, während bei Antibiose ein Partner behindert, bei Parabiose dagegen gefördert wird; symbiotische Beziehungen (Symbiose) unterschiedlichen Grades gereichen schließlich beiden Partnern zum Vorteil (Breckling & Müller 1997).
Unter funktionellen Gesichtspunkten wird die Biozönose meist durch Gruppierung der biotischen Stoff- und Energieflussterme beschrieben. Die Primärproduzenten sind Organismen, die durch Nutzung der Energiebasis des Ökosystems photo-autotroph aus anorganischen Ausgangsstoffen organisches Material bilden können. In den meisten Fällen handelt es sich um grüne Pflanzen (holzige Pflanzen und Gräser in Landökosystemen, einzellige Algen in aquatischen Ökosystemen), deren Chlorophyll als Photonenakzeptor dient (Photosynthese). Unter besonderen Bedingungen, z.B. in sauerstofffreien durchlichteten Stillgewässern kann die Primärproduktion z.T. auch von Bakterien geleistet werden, die Energiegewinnung aus Licht durch ein besonderes, nicht chlorophyllhaltiges Pigmentsystem betreiben können. An einigen vulkanischen Gasaustrittstellen und in heißen Quellen am Meeresgrund (mittelozeanische Rücken) sind Ökosysteme zur Ausbildung gekommen, deren Primärproduzenten chemo-autotrophe Bakterien sind. Sie können beispielsweise in Abwesenheit von Sauerstoff austretende Gase zu Methan bzw. Schwefelwasserstoff reduzieren und mit der dabei gewonnenen chemischen Energie die Synthese ihrer organischen Substanz leisten.
Die Gruppe der Sekundärproduzenten umfasst alle Organismen, die ihre Biomasse nicht vollständig aus anorganischen Primärstoffen aufbauen können. Als Heterotrophe assimilieren sie die von anderen Organismen gebildete organische Substanz, die ihnen als stoffliche und energetische Grundlage für den eigenen Stoffwechsel und Energiehaushalt dient. Organismen, die grüne Pflanzen verzehren, werden als Herbivore bzw. Phytophage bezeichnet; wenn betont werden soll, dass sie von autotrophen Organismen leben, werden die Bezeichnungen Primärkonsumenten oder Konsumenten erster Ordnung verwendet. Die Organismen, die sich von diesen ernähren, werden entsprechend als sekundäre Konsumenten oder Konsumenten höherer Ordnung bezeichnet. Als Destruenten (Detritivore) bzw. Saprophage werden Heterotrophe bezeichnet, die zumindest überwiegend von toter Biomasse leben. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Rückführung von anorganischen Nährstoffen, die in der organischen Substanz gebunden sind und den Primärproduzenten erst nach Freisetzung wieder zur Verfügung stehen. In dieser Funktion werden sie auch als Remineralisierer bezeichnet (Zersetzung).
Die Gesamtheit der trophischen Beziehungen eines Ökosystems bildet das Nahrungsnetz. Innerhalb des Netzes können sich verschiedene Organisationstypen ergeben: Diese sind linear, wenn die trophischen Pfade von einem Anfangs- bis zu einem Endglied im Wesentlichen unverzweigt verlaufen; sie umfassen selten mehr als fünf Glieder. Nichtlineare Pfade sind divergent oder konvergent, wenn gemeinsame Anfangsglieder zu unterschiedlichen Endpunkten führen bzw. von unterschiedlichen Anfangspunkten der Weg zu gemeinsamen Endpunkten führt. Bei limnischen Öksystemen sind beispielsweise die Anfangsstufen des Nahrungsnetzes – ausgehend von wenigen dominanten Algenarten – zunächst divergent; die Endglieder sind jedoch häufig infolge des relativ weiten Nahrungsspektrums der Top-Konsumenten konvergent. Die meisten Ökosysteme sind durch starke Vernetzungen zwischen unterschiedlichen Stufen gekennzeichnet, wobei auch zirkuläre Abläufe bedeutsam werden können (Higashi & Burns 1991).
Hinzu kommt, dass die Nahrungsbeziehungen innerhalb eines Ökosystems üblicherweise stark spezialisiert und hoch differenziert sowie in zeitlicher und räumlicher Hinsicht recht variabel sind (Pahl-Wostl 1998). Während in Landökosystemen häufig die grünen Pflanzen als Primärproduzenten den größten Anteil an der Biomasse stellen und die Gesamtheit der Konsumenten und Destruenten nur einen vergleichsweise geringen Teil ausmacht, kann dies in aquatischen Ökosystemen grundlegend anders sein. Hier kann eine biomassemäßig kleinere Gruppe von einzelligen Algen aufgrund ihrer hohen Produktivität bzw. Turnover-Rate eine bezüglich der Biomasse wesentlich größere Gruppe von Konsumenten ernähren, deren Umsatzraten entsprechend geringer sind.
Die Lebenstätigkeit der Organismen kann eine Modifikation der Standortfaktoren bewirken; ein Standort kann dadurch für einige Organismen ungeeignet werden, während sich für andere erst geeignete Lebensbedingungen ergeben. Diese funktionalen und strukturellen Lebensmöglichkeiten werden auch als ökologische Nische bezeichnet; ihre verallgemeinerte Darstellung ist Gegenstand der Nischentheorie (Jörgensen 1992, Fränzle et al. 1997). Als Beispiele dafür, wie Organismen einen gegebenen Lebensraum umgestalten und damit das Nischenspektrum verändern können, sei hier auf die Bildung von Hochmooren (Moore) oder die Verlandung von Seen verwiesen. Die damit verbundene Veränderung der Artenzusammensetzung wird als Sukzession bezeichnet und von der Sukzessionstheorie beschrieben. Da mit einer Sukzession Veränderungen der räumlichen und zeitlichen Organisation des Ökosystems, d.h. die Ausbildung selbstorganisierter Strukturen auf überorganischem Niveau, einhergehen, ist diese Theorie zugleich Bestandteil einer umfassenderen (und in wesentlichen Bereichen erst zu formulierenden) Theorie ökosystemarer Selbstorganisation (Jörgensen & Müller 2000).
Energie- und Bioelementflüsse in Ökosystemen
Der Energiefluss innerhalb eines Ökosystems ist überwiegend linear und beinhaltet nur einen relativ geringen Anteil zirkulär transportierter Energie. Dies ist darin begründet, dass für die Tätigkeit der Lebewesen nur der Teil der Energie von Nutzen ist, der in Arbeit umgesetzt werden kann; in thermodynamischer Sprache wird er als Exergie bezeichnet. Ein Teil der Exergie wird bei jeder Transformation in nicht mehr nutzbare Energieformen degradiert und dementsprechend ist der Anteil verfügbarer Exergie bei den Primärproduzenten am höchsten und verringert sich auf den höheren trophischen Ebenen. Sofern zyklische Nahrungsnetzbeziehungen vorliegen, wird mit diesen auch ein Teil der Exergie zirkulär transportiert; der jeweilige Anteil verringert sich aber mit zunehmender Pfadlänge immer weiter. Energiebilanzen wurden zur Kennzeichnung des Gesamtzustandes für viele Ökosyteme erstellt, indem die betrachteten Organismen zu Gruppen zusammengefasst und für diese die jeweiligen Größen für Aufnahme, Speicherung und Abgabe ermittelt werden. Zurzeit wird diskutiert, ob die Gesamtmenge der degradierten Energie zusammen mit der Struktur des Degradierungspfades als Integralindikator für den Zustand eines Ökosystems bzw. für die Richtung seiner Veränderung heranzuziehen ist (Breckling & Müller 1997).
Zwischen den Häufigkeiten unterschiedlicher Bioelemente in den Organismen von Phyto- und Zoozönosen bestehen mehr oder weniger enge Korrelationen. Sie können unterschiedliche Ursachen haben wie ausgeprägte chemische Ähnlichkeit oder Assoziation zwischen Metallionen und Ligandenatomen (O, N, S, Se) in komplexen Verbindungen, ferner Nahrungsnetzbeziehungen usw. Diese Ursachen lassen sich schon recht weitgehend mithilfe einer dynamischen Analyse der zu Grunde liegenden biochemischen Prozesse bestimmen, wobei eine Reduktion auf die chemischen Eigenschaften und funktionalen Besonderheiten von autokatalytischen Systemen erfolgt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihren chemischen oder anderen Reaktionen eine bestimmte (chemische) Spezies aus dem Reaktionsgemisch heraus reproduziert und dabei häufig vervielfältigt wird, wobei es zu einer evolutionsgenetisch angelegten selektiven Auswahl bestimmter Elemente kommt (Fränzle & Markert 2000).
Ein Recycling dieser Bioelemente ist im strengen Sinne nur in künstlichen Systemen (Mikrokosmen) über Jahre und Jahrzehnte möglich, sofern eine geeignete Energiebasis, z.B. in Form von Licht, zur Verfügung steht. Im Freiland und vor allem in urban-industriellen Ökosystemen finden jedoch stets Stoffausträge statt. Diesen Verlusten stehen Stoffeinträge gegenüber, die sich aus verschiedenen Quellen speisen. Stoffbilanzen über einen längeren Zeitraum liefern daher wertvolle Aufschlüsse über die Entwicklung von Ökosystemen (Baccini & Bader 1996). Die Abbildung 2 zeigt eine derartige (selektive) Stoffbilanz aus dem Bereich der Bornhöveder Seenkette (Schleswig-Holstein), einem der Schwerpunkträume der deutschen Ökosystemforschung.
Ökosystemmodellierung
Neben der beschreibenden Darstellung von Ökosystemen haben statistische Verfahren (Statistik) große Bedeutung für die ökologische Modellbildung. Die ihrer Kalibrierung und Validierung zu Grunde gelegten Daten müssen als Ergebnis von Messvorgängen den Prüfkriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität genügen (Beier 2000).
Gegenstand der deskriptiven Statistik ist die übersichtliche Darstellung der gewonnenen Beobachtungs- bzw. Messdaten und die Ableitung von Zusammenhängen, die aus der Betrachtung der einzelnen Befunde oft nicht direkt ablesbar sind (Schröder et al. 1994).
Der Geltungsbereich ökologischer Hypothesen, die häufig probabilistischer Natur sind, lässt sich mithilfe der analytischen Statistik bestimmen. Statistische Tests entscheiden darüber, ob eine derartige Hypothese angenommen werden kann oder zu verwerfen ist; genauerhin liefern sie neben der Bestimmung des Wahrheitswertes auch Angaben über den Erklärungswert der Hypothese.
Im Sinne der allgemeinen Modelltheorie Stachowskis (1973) lässt sich der Prozess ökologischer wie wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt als Kette von Modellbildungsschritten beschreiben, die von der primären Außenweltperzeption bis zum Simulationsmodell oder zur erklärenden Theorie reicht (Peters 1999). Da die Modellierung also abhängig ist von den jeweils verwendeten Konstruktionsmitteln, gewinnen die Auswahl bzw. die ihr zu Grunde liegenden Kriterien für konkrete Modellbildung besondere Relevanz.
Modelle sind nicht optimal, wenn sie das Original möglichst identisch abbilden, sondern dann, wenn sie für den beabsichtigten Verwendungszweck angemessen sind. Idealerweise werden im Modell nur solche Ereignisse und Randbedingungen abgebildet, die auch mit deterministischen oder statistischen Gesetzen in Verbindung zu bringen und damit wissenschaftlich erklärbar sind.
Dabei ist die Anwendung mathematischer Techniken zur Simulation des Ablaufs komplexer ökologischer Phänomene, verglichen mit dem Einsatz statistischer Verfahren, verhältnismäßig jung und hat sich bezüglich des methodischen Inventars seit kurzem stark erweitert. Zielsetzung ist es dabei im Sinne des in Abbildung 3 wiedergegebenen iterativen Verfahrensganges, zu Modellvorstellungen im Sinne von operationalisierten Hypothesen über Phänomenbereiche zu gelangen, die aufgrund ihrer Komplexität begrifflich nicht direkt zugänglich sind.
Die wichtigsten Techniken sind: a) Simulation des Ökosystemverhaltens anhand einfacher oder partieller Differenzialgleichungen (Reiche et al. 1999); b) objektorientierte Programmierung und Simulation (Anwendung vor allem im Bereich der Populationsdynamik und der Selbstorganisation von Biozönosen); c) Expertensysteme, welche durch die enge Verbindung begrifflicher Beschreibungen und logischer Formalisierung eine präzise Darstellung und damit eine strenge Konsistenzprüfung des Wissens, das vor allem als Entscheidungsgrundlage für Managementmaßnahmen in genutzten Ökosystemen herangezogen wird, ermöglichen; d) Fuzzy-Logic-Modellierung (Diese gründet auf der Möglichkeit, durch Einführen einer Zugehörigkeitsfunktion primär unscharfe Begriffe einer mathematisch formalen Behandlung zugänglich zu machen. Dies ist im ökologischen Kontext wichtig, weil für viele Prozesse keine genauen Daten, wohl aber ein mehr oder weniger ausgeprägtes Expertenwissen verfügbar ist. Salski et al. 1996); e) Geographische Informationssysteme (GIS), die es in Verbindung mit Simulationsmodellen und Expertensystemen gestatten, ökologisch bedeutsame landschaftsdynamische Prozesse zu untersuchen, die anderen Techniken kaum zugänglich sind und f) ökologische Informationssysteme (Diese erst in Entwicklung befindlichen Systeme liefern eine systematische Verknüpfung aller verfügbaren Schichten ökologischer Information (Breckling & Asshoff 1996). Abbildung 4 ist das Schemabild eines am Projektzentrum für Ökosystemforschung in Kiel entwickelten Prototyps eines derartigen Informationssystems.).
Die wissenschaftliche und umweltpolitische Bedeutung der Ökosystemforschung
Nichtlinearität und Zusammenwirken der vielen biotischen und abiotischen Komponenten eines Ökosystems führen zu neuen Gesetzmäßigkeiten und hierarchischen Strukturen, die nur im mathematischen Modell durchschaubar werden. Als Simulation sind sie zugleich Voraussetzung für die Entwicklung planungsrelevanter Prognoseinstrumente und Szenarien mithilfe Geographischer Informationssysteme. Damit hat die Forschung eine neue Dimension erhalten; denn neben die Analyse, die Erforschung immer feinerer Details, tritt die umfassende Synthese (Jörgensens & Müller 2000). Die neue Dimension ist in zweierlei Hinsicht außerordentlich wichtig: Zum einen als Grundlagenforschung, weil klargeworden ist, dass komplexe Objekte erst durchschaubar werden, wenn die Muster verstanden sind und nicht nur die Details; zum anderen in praktischer Hinsicht, weil dieses Verstehen langfristig die Voraussetzung für das Überleben sein wird. Ein vertieftes Verständnis der Stoff- und Energiebilanzen von Ökosystemen und ihrer komplizierten Regelungsmechanismen kann wesentlich dazu beitragen, Umweltschutz an strategisch wichtigen Stellen wirken zu lassen und Belastungsgrenzen an ökologischen Erfordernissen zu orientieren (v. Osten & Rami 1986). Vertiefte Kenntnisse über die Regelungsprinzipien unterschiedlich naturnaher Ökosysteme können zum zweiten wichtige Hinweise geben, wie Technik in Zukunft ökologisch verträglich gestaltet werden kann. Schließlich sollte eine weitergehende Berücksichtigung ökologischer Systemprinzipien bei der Gestaltung technischer Systeme zu besserer Energieauslastung und erhöhtem Stoffrecycling führen sowie effizientere Rückkopplungen und stabilisierende Regelungen bewirken.
Literatur:
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[21] TANSLEY, A.G. (1935): The use and abuse of vegetational concepts and terms. Ecology 16.
Ökosystem 1: Ökosystem 1: Modell eines Ökosystems (nach H.-J. Klink).
Ökosystem 2: Ökosystem 2: Calciumbilanz eines norddeutschen Moder-Buchenwaldes (Bornhöveder Seenkette, Schleswig-Holstein).
Ökosystem 3: Ökosystem 3: Grundmethodik der Modellentwicklung.
Ökosystem 4: Ökosystem 4: Ökologisches Informationssystem KERIS des Projektzentrums für Ökosystemforschung der Universität Kiel.
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