Lexikon der Geographie: Sauer, Carl Ortwin
Sauer, Carl Ortwin , US-amerikanischer Geograph, geb. 24.12.1889 Warrenton, Missouri, gest. 18.7.1975, Berkeley, Kalifornien. Sauer studierte von 1908-1909 an der Northwestern University, Evanston, Illinois, Geologie und Petrologie und von 1909 bis 1913 Geographie an der University of Chicago. Nach zwei Berufsjahren als Lektor eines Kartenverlages und Dozent an der State Norman School, Salem, Massachusetts, wurde ihm 1915 an der Universität Chicago der Doktortitel für eine Arbeit mit dem Titel "The geography of the Ozark Highland of Missouri" verliehen. Sauer erhielt daraufhin eine Dozentur an der Universität Michigan, Ann Arbor. Dort wurde er 1922 zum Professor ernannt. 1923 wechselte er an die University of California, Berkeley. Hier publizierte er 1925 einen seiner einflussreichsten Aufsätze "The Morphology of Landscape", der Auswirkungen auf eine Reihe von theoretischen Ansätzen in der Kulturgeographie hatte und als Kritik einer geodeterministischen Vorstellung (Geodeterminismus) von Geographie zu interpretieren ist. Zu Beginn seiner Tätigkeit in Berkeley beschäftigte sich Sauer vor allem mit den zerstörerischen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Landschaft sowohl in regionalen Studien als auch auf globaler Ebene, wie z.B. in dem Aufsatz "The Agency of Man on Earth" (1956) publiziert. Sauer entwickelte im Laufe seiner Karriere an der Universität Kalifornien eine zunehmend pessimistische Perspektive in Bezug auf die Zukunft der modernen Zivilisation. So erscheint es auch nicht verwunderlich, dass er sich bald einem anderen Feld zuwandte. Sauer versuchte die historischen und anthropologischen Wurzeln menschlicher Kulturen zu verstehen, indem er frühe landwirtschaftliche Aktivitäten, Veränderungen der Familienstrukturen und Lebensweisen vor allem in Lateinamerika untersuchte. Diese Forschungen publizierte er in einer Reihe von Aufsätzen zwischen 1930 und 1940. Eine Zusammenfassung dieser Aktivitäten legte er mit "Agricultural Origins and Dispersals" im Jahr 1952 vor und ergänzte diese in einem späten Aufsatz "Plants, Animals and Man" (1970). Neben Sauers eigenen Publikationen und ihrem Einfluss auf die nordamerikanische Kulturgeographie verbreiteten seine Schüler seine Konzepte. Im Laufe der Jahre betreute Sauer über 40 Doktoranden, von denen eine große Zahl Professuren an nordamerikanischen Universitäten übernahmen und seine Gedanken zur Grundlage kulturgeographischer Lehre und Forschung machten. Heute werden die Konzepte dieser auf Sauer zurückgehenden Autoren als Berkeley School bezeichnet.
In jüngerer Zeit namen kulturtheoretisch orientierte Konzeptionen der Geographie, welche als new cultural geography bezeichnet werden, die Sauer'sche Schule als Ausgangspunkt für z.T. scharfe Kritik und eine konstruktive Erweiterung kulturgeographischer Konzepte (insb. die Paradigmen des "Cultural Materialism" und der "Landscape School"). In Sauers Arbeiten finden sich viele Ansätze, auf die aktuelle Arbeiten immer wieder zu sprechen kommen, wie z.B. die Beachtung materieller Landschaften, Interesse an kulturökologischen Fragestellungen, die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt usw. Sauer verfügte über gute Kenntnisse der deutschen Geographie. Seine Arbeiten wiesen Bezüge zu den Gedanken von Ratzel und insbesondere Herder auf. Sauer, der einen Teil seiner Kindheit auf einer methodistischen Schule in Calw, Baden-Württemberg, verbrachte, hatte enge Kontakte nach Deutschland. 1955 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg, 1959 die Humboldt-Medaille der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Werke (Auswahl): "The Morphology of Landscape", In: Univ. California Publ. Geogr., Vol. 2, Nr. 2, 1925; "Foreword to Historical Geography", In: Ann. of the Ass. of Am. Geogr. 31, 1941; "Agricultural Origins and Dispersals", 1952; "The Agency of Man on Earth", In: Thomas, W.L. (Ed.): Man's Role in Changing the Face of the Earth, 1956; "Plants, Animals and Man", In: Buchanan, R.E., Jones, E. and D. McCourt (Eds.): Man and his Habitat, 1970; "The Fourth Dimension in Geography", In: Ann. of the Ass. of Am. Geogr. 64, 1974; "On the Background of Geography in the United States", In: Heidelberger Geographische Arbeiten, Festgabe zum 65. Geburtstag von Gottfried Pfeiffer, Vol. 15, 1966.
TH
Sauer Sauer, Carl Ortwin
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