Lexikon der Geographie: saurer Regen
saurer Regen, acid rain, die durch hohen Gehalt an Säuren und Wasserstoffionen (H +) stark angesäuerten Niederschläge, die in Europa und Nordamerika pH-Werte von 3-4 besitzen und in Einzelfällen noch wesentlich darunter (bis pH von 2,2) liegen können. Der saure Regen, seit Beginn der 1970er-Jahr bekannt, wird ausgelöst durch die bei Verbrennungsprozessen von Kohle, Braunkohle, Benzin (Kraftfahrzeuge) sowie bei der Raffinerie von Erdöl entstehenden Abgase und Rauchgase mit gewaltigen Mengen an den säurebildenden Gasen Schwefeldioxid und Stickoxiden. Hinzu kommen noch weitere sauere Gase (HCl, HF) aus Industrieanlagen. In Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit bilden diese Gase saure Aerosole und Nebel, die vorwiegend schweflige Säure, Schwefelsäure, salpetrige Säure und Salpetersäure enthalten und die als saurer Regen, saurer Nebel, saurer Morgentau oder saurer Raureif und z.T. auch als sog. trockene Deposition (u.a. gebunden an Stäube) niedergeschlagen werden. Da viele der Schadgase aus hohen Schornsteinen abgegeben werden, können sie mit der Luftströmung über Hunderte von Kilometern transportiert werden und fallen dann als saurer Regen weitab von den emittierenden Industriezentren in Regionen, die man eher als "Reinluftgebiete" bezeichnen würde. Zwar weist auch natürlicher Regen aus Reinluftgebieten durch das in ihm gelöste Luft-CO 2 bereits einen leicht sauren pH-Wert von 5,6 auf, jedoch ist die Kohlensäuremenge darin gering und das ungestörte Ökosystem daran angepasst. Saurer Regen mit seinen niedrigen pH-Werten ist anthropogen bedingt und ein Negativbeispiel für den Eingriff des Menschen in die Natur. Er schädigt die terrestrischen und aquatischen Ökosysteme und ist einer der Hauptauslöser der neuartigen Waldschäden.
Der saure Regen führt in den deutschen Mittelgebirgen, insbesondere auf den basenarmen Sandsteinböden des Schwarzwaldes, zu verstärkter Auswaschung der Kationen K +, Ca 2+ und Mg 2+, was zu Bodenversauerung und schließlich auch zur Mobilisierung von Aluminium (Al 3+)- und Schwermetall-Ionen (Zn 2+, Cd +, Mn 2+, Fe 2+) führt, wodurch die Pufferkapazität der Böden zerstört wird. Auf Silicatböden werden durch sauren Regen vor allem Mg 2+ und Ca 2+ ausgelaugt und durch Sickerwasser und Abflusswasser dem Boden entzogen. Bei pH-Werten niedriger als 4 werden Tonminerale zerstört und Metallhydroxide gelöst, darunter auch toxische Schwermetalle. Auf Kalkböden wird vor allem lösliches Ca(HCO 3) 2 ausgeschwemmt, der pH-Wert sinkt nicht so stark ab, aber es entsteht u.a. Kalium- und Eisenmangel. Darüber hinaus wird durch sauren Regen die Nitrifikation gehemmt und Phosphat als Komplex ausgefällt. Dadurch entsteht ein zu hohes Verhältnis von NH 4+/NO 3- und eine geringe Verfügbarkeit von Phosphat, was zusammen mit den anderen Auswirkungen der Bodenversauerung zu einem stark gehemmten Wachstum der Pflanzenwurzeln und der Waldbäume führt. Das hat auch zur Folge, dass das Regenwasser durch die dadurch kleineren Wurzelballen weniger zurückgehalten wird. Es fließt aus den Waldböden viel rascher aus als noch vor 40 oder 50 Jahren, und die basischen Kationen werden zunehmend schneller ausgeschwemmt.
Die Ansäuerung der Seen in Skandinavien, die sich häufig auf Granitböden befinden und keine Säurepufferkapazität haben, auf pH-Werte von 3-4 und z.T. noch niedriger durch die aus den Industriezentren von England und Mitteleuropa herangetragenen sauren Regen war zwar schon seit Ende der 1960er-Jahre bekannt. Die hierfür verantwortlichen Industrieländer wurden jedoch erst dann aktiv, als der saure Regen spätestens Anfang der 1980er-Jahre die mitteleuropäischen Wälder zerstörte. Auch aus USA ist der Ferntransport der sauren Gase bekannt. So werden die in den Industriezentren und Ballungsräumen gebildeten sauren Schadgase nach Osten verweht, fernab vom Entstehungsort in Vermont als saurer Regen niedergeschlagen und führten dort in den 1980er- und 90er-Jahren wie in Europa zu Bodenversauerung und zu großflächigen Waldschäden. Der Einbau von Entschwefelungs- und Entstickungssystemen in Großfeuerungs- und Industrieanlagen und in Raffinerien sowie der Einbau von Katalysatoren in Kraftfahrzeuge sind einige der erforderlichen Maßnahmen zur Reduktion der Emission von sauren Schadgasen und zur Minderung der dadurch ausgelösten katastrophalen Folgen für die Natur, die Wälder und die Ökosysteme. Während allerdings die Emission von SO 2 in Mitteleuropa seit 1990 zurück gegangen ist, hat jene von NO und NO 2 durch ständig steigenden Verkehr eher noch zugenommen. Abb.
HLi
saurer Regen: saurer Regen: Die von verschiedenen Emittenten (Kraftfahrzeuge, Industrie, Braunkohlekraftwerken) an die Atmosphäre abgegebenen sauren Oxide (SO 2, NO x, NO) wandeln sich mit der Luftfeuchtigkeit zu Säuren und Protonen um und werden dann, meist weit entfernt von den Industrie- und Ballungszentren, als saurer Regen niedergeschlagen.
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