Lexikon der Geographie: Weichsel-/Würm-Kaltzeit
Weichsel-/Würm-Kaltzeit, umfasst den Zeitraum vom Ende der Eem-Warmzeit (Quartär) bis zum Beginn des Holozän. Die letzte Eiszeit wird in Norddeutschland als Weichsel-Kaltzeit, im alpinen Vereisungsgebiet als Würm-Kaltzeit bezeichnet. Äquivalente Bezeichnungen sind in England (Devensian), Irland (Fenitian), Polen (Vistulian) und Nordamerika (Wisconsinan). Die Frühphase der Weichsel-/Würm-Kaltzeit war durch starke Klimaschwankungen gekennzeichnet. Während in den Kaltphasen Permafrost herrschte, drang im Brörup-Interstadial und im Odderade-Interstadial noch einmal Waldvegetation bis nach Norddeutschland vor. Erst danach setzte sich endgültig das kaltzeitliche Klima durch. In der Weichsel-Kaltzeit kam es zweimal zur Ausbildung ausgedehnter Eisschilde, die in den meisten Gebieten deutlich hinter der maximalen Ausdehnung der vorausgegangenen Vereisungen zurückblieben. Der erste große Eisvorstoß der Weichsel-Kaltzeit entspricht dem Sauerstoffisotopenstadium 4 der Tiefsee-Chronologie (Sauerstoffisotopenkurve, Eiszeittheorie). Er erfolgte etwa um 70.000 v.h. Seine genaue Ausdehnung ist ungewiss. Fest steht, dass sie fast überall geringer war als die der Spätweichsel-Vereisung. Die Spätweichsel-Vereisung erreichte um etwa 20.000-18.000 v.h. ihr Maximum. Sie entspricht dem Sauerstoffisotopenstadium 2. In Deutschland stießen die Gletscher bis südlich von Berlin vor (Brandenburger Stadium). Die Elbe wurde wahrscheinlich nicht vom Eis überschritten. Zwischen den beiden Eisvorstößen blieb Norddeutschland im Einflussbereich kalten Klimas. An verschiedenen Orten sind interstadiale organische Ablagerungen gefunden worden. Pflanzenreste und Pollen weisen auf eine schüttere Tundra-Vegetation hin. Die Grenzen der Weichsel-Vereisung sind im Nordostteil des nordeuropäischen Vereisungsgebietes noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Kara-See im Spätweichsel nicht vergletschert gewesen ist. Dasselbe gilt für das westsibirische Tiefland. Für diese Gebiete wird eine erheblich weitere Ausdehnung der Frühweichsel-Vereisung angenommen. Am Ende der Weichsel-/Würm-Kaltzeit gab es mehrere deutliche Klimaschwankungen. Im Alleröd wurden in Norddeutschland bereits sehr milde Temperaturverhältnisse erreicht; in der darauffolgenden Jüngeren Dryaszeit kehrte für mehr als tausend Jahre der Permafrost nach Deutschland zurück.
Die jüngste Kaltzeit im Gebiet der Alpenvereisung wird nach dem bayrischen Fluss Würm als Würm-Kaltzeit bezeichnet. Durch Vergleich mit der Tiefsee-Stratigraphie ist die Klimageschichte der Würm-Kaltzeit in groben Zügen bekannt. Eine erhebliche Klimaverschlechterung setzte um 70.000 v.h. ein. Ob es im alpinen Raum zu dieser Zeit eine nennenswerte Vergletscherung gegeben hat, ist nicht geklärt. Um 35.000 v.h., zu einer Zeit, als in Norddeutschland nur schüttere Vegetation wuchs, hatte sich in Kärnten ein rotbuchen- und tannenreicher Fichtenwald ausgebreitet. Bändertone beweisen, dass das Inntal bei Innsbruck noch zwischen 31.600 und 26.800 v.h. eisfrei war. Die Vereisung im Hochwürm setzte erst rund 25.000 v.h. ein und erreichte um etwa 20.000 v.h. ihr Maximum. Um 17.000 v.h. setzte der Eiszerfall ein, der jedoch von Stillständen des Eisrandes und von erneuten Gletschervorstößen unterbrochen wurde. Mit dem Egesen-Stadium in der Jüngeren Dryaszeit endete die Würm-Vereisung.
Während des Weichsel-Hochglazials ereignete sich in Europa der Übergang vom Mittelpaläolithikum zum Jungpaläolithikum. Der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) trat an die Stelle des Neanderthalers. Nordamerika wurde in der Weichsel-Kaltzeit erstmalig von Menschen besiedelt, die über die Bering-Landbrücke von Asien her einwandern konnten. Das Aussterben zahlreicher Großsäuger gegen Ende der Weichsel-Kaltzeit (u.a. Mammut) ist nach heutiger Erkenntnis nicht allein auf die Ausbreitung des Menschen zurückzuführen (Overkill-Theorie), sondern in starkem Maße auf die allgemeine Änderung der ökologischen Bedingungen zurückzuführen.
JE
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