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Lexikon der Geowissenschaften: Biomineralogie

Biomineralogie, die Biomineralogie befaßt sich mit Vorgängen, bei denen von Lebewesen gelöste mineralische Stoffe aufgenommen und in einer für ihre Lebensfunktionen wichtigen Weise in fester Form wieder abgeschieden werden. Forschungsobjekte der Biomineralogie sind neben dem Wachstum und der Umbildung von Knochen, Zähnen, Schalen und anderen Hartteilen der Wirbeltiere die Skelette von rezenten und fossilen Tieren. Weitere Forschungsobjekte sind pathogene menschliche und tierische Bildungen (Harn-, Gallen-, Speichel-, Magen- u.a. sog. Körpersteine bzw. Konkremente), krankhafte Veränderungen von Knochen und Zähnen, Arteriosklerose, Zahnstein, Pneumokoniosen (Staublungenkrankheiten), Silikose und Asbestose wie auch Biomineralisate rezenter und fossiler Pflanzen. Ein breites Anwendungsgebiet liegt im medizinischen Bereich, wo neben den Prozessen der physiologischen Mineralisation wie Knochenbildung v.a. umweltbedingte Erkrankungen durch Mineralstäube, Schwermetalle und Radioaktivität im Vordergrund stehen.

Radioaktive Isotope wie 90Sr, die durch die Atemluft, durch Trinkwasser oder Nahrungsaufnahme in die Lunge und in den Magen gelangen, werden in die Mineralphase Hydroxylapatit der Knochen und Zähne eingebaut. Auch die calciumhaltigen Mineralphasen der Harnsteine, der Harnsedimente, aber auch der Gallen-, Nieren- und Blasenkonkremente, die beim Menschen aus Calcit bestehen, reichern 90Sr an. Durch die Mineraldiagnose krankhafter Konkremente wie Gallensteine können aufgrund der Kenntnis ihrer Zusammensetzung Therapiemaßnahmen durchgeführt werden. Die Untersuchung der biologisch wirksamen Oberfläche von Mineralstäuben und deren spezifischer Schädlichkeit auf den menschlichen Organismus nimmt im Rahmen der biomineralogisch-medizinischen Forschung und ihrer Anwendung auf die Bewältigung der Umweltprobleme einen breiten Raum ein. Um über die Wirkungsmechanismen der Mineralstäube mehr Klarheit zu erhalten, sind in den letzten Jahren verstärkt Untersuchungen zur spezifischen Schädlichkeit von Feinstäuben, insbesondere aus Gruben des europäischen Steinkohlenbergbaus, durchgeführt worden. Aufgrund dieser Untersuchungen weiß man, daß zwar ein Zusammenhang zwischen der zellschädigenden Wirkung und dem Mineralinhalt eines Feinstaubes besteht, daß aber bei vergleichbaren Mineralgehalten Stäube aus verschiedenen Revieren ein sehr unterschiedliches toxisches Verhalten aufweisen. Aus physikalischen und kristallographischen Untersuchungen über die Oberflächenbeschaffenheit der Mineralphasen in den Stäuben, insbesondere des Quarzes, geht hervor, daß die schädigende Wirkung bei den SiO2-Modifikationen und beim Quarz durch die Elektronenstruktur der [SiO4]-Tetraeder bestimmt wird. Diese Wirkungen können durch Verwachsungen und Kontaminationen der Oberfläche sehr stark verändert werden. Ebenso können auch andere Mineralphasen aufgrund ihrer bisher weitgehend noch nicht bekannten Wirkung auf das biologische Geschehen die Toxizität eines Mineralstaubes positiv oder negativ beeinflussen.

Die Kontamination der Umwelt mit Schwermetallen und Pestiziden führt in zunehmendem Maße zu Gleichgewichtsverschiebungen bei der Bildung biomineralogischer Strukturen. Eine dadurch bedingte Veränderung der Eischalenqualität bzw. der Eischalenfestigkeit führt nicht nur zum Aussterben von Vogel- und Reptilienarten, sondern auch im landwirtschaftlichen Produktionsbereich zu großen finanziellen Einbußen durch Schalenbruch bei Hühnereiern. Auch Mißbildungen von Austernschalen sowie die fortschreitende Zerstörung von Perlmuschelkulturen und der Korallen bringen wirtschaftliche Probleme mit sich.

Manche Tiere und Pflanzen erzeugen in ihrem Lebensraum so viel Mineralsubstanz, daß diese später zu einer nutzbaren Lagerstätte wird. Heute kennt man 40 Mineralarten als Produkte in Lebewesen. Die im Gehör eingelagerten Mineralkörper vermitteln das Gleichgewichtsgefühl und ermöglichen den Empfang von Schallwellen. Die magnetischen Eigenschaften mancher Biominerale ermöglichen die Orientierung im erdmagnetischen Feld, insbesondere bei Haustauben, Honigbienen und bei magnetotaktischen Bakterien.

Für den Geologen ist das Mineralskelett ( Abb. ) meist das einzige von Lebewesen überlieferte Zeugnis, und selbst Bakterien, die zu den erdgeschichtlich ältesten Gruppen zählen, wie das Cyanobakterium oder das Eisenbakterium, können dickwandige Außenskelette hinterlassen. Magnetotaktische Bakterien erzeugen Ketten aus Magnetitkristallen, die in einer organischen Scheide stecken und als Nadel beim Schwimmen als biomagnetischer Kompaß dienen. Die am meisten verbreiteten Biominerale sind Carbonate, Opale, Eisenoxide und -hydroxide sowie Phosphate. Die Aufklärung der Biomineralisationsprozesse bringt auch Erkenntnisse für die Entwicklung z.B. biokeramischer Werkstoffe. [GST]


Biomineralogie: Biomineralisation am Beispiel der Kieselskelette von Radiolarien; elektronenrastermikroskopische Aufnahme. Biomineralogie:
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