Lexikon der Geowissenschaften: Cyanophyta
Cyanophyta, Cyanobacteriota, Blaualgen, Abteilung der Monera, Prokaryota, die wie die heute durchschnittlich 5- bis 10-fach kleineren Bakterien Murein-Zellwände bauen, aber statt des Bacteriochlorophylls Chlorophyll a zu einer aeroben Photosynthese verwenden. Die typischen Zellformen wie Coccen, Bacillen, Vibrio, Spirillus und Zellhaufen entwickelten sich zu Filamenten und Trichomen und schließlich zu verzweigten Zellfäden fort. Begeißelte Zellen sind unbekannt. Die Cyanophyta entstanden im Archäophytikum aus frühen (Eu-) Bacteria. Gegenüber den bakteriellen Prozessen autotropher Energie- und Stoffgewinnung (Chemolithotrophie, Photolithotrophie und Photoorganotrophie) gelang den Cyanophyta, mit der Entwicklung der Photohydrotrophie, der entscheidende Schritt zu einer sehr effizienten Autotrophie. Diese aerobe Photosynthese erfolgt nach der Gleichung: CO2+2H2O+Lichtenergie→CH2O+H2O+2O mit H2O als Elektronendonator und CO2 als Kohlenstoffquelle. Die Energie des Sonnenlichts dient der Photolyse von Wasser. Der Sauerstoff wird als Abfallprodukt freigesetzt (deshalb aerobe Photosynthese), der Wasserstoff zur Reduktion des CO2 verwendet. Da Sonnenlicht, Wasser und CO2 unbegrenzt und mit sehr weiter Verbreitung für die Primärproduktion zur Verfügung stand, im Gegensatz zu den durch heterotrophen Verbrauch sich verknappenden Nahrungsressourcen der "Ursuppe" und anders auch als die von den Bacteria benötigten, jedoch nur lokal verfügbaren anorganischen Stoffe, konnten Cyanophyta wirkungsvoller als autotrophe Bacteria durch ihre Primärproduktion zur Lösung der Ernährungskrise der Erdfrühzeit beitragen. Ihre aerobe Photosyntheseaktivität mündete jedoch wegen der Freisetzung und allmählichen Anreicherung des für nichtangepaßte Biota giftigen Sauerstoffs in Hydro- und Atmosphäre auch für die Cyanophyta selbst in einer dramatischen Umweltkrise. Mit der Evolution der Atmung gelang es, den Sauerstoff zu tolerieren und schließlich für den Energiestoffwechsel zu nutzen. Cyanophyta sind ein weites Temperaturspektrum tolerierende Selbstversorger und haben weltweite Verbreitung. Sie leben sogar in heißen Quellen, auf Gletschern, in ariden Wüsten und in hypersalinarem Wasser. Manche Taxa leben bei sehr niedrigem Sauerstoffgehalt oder sind wie ihre Vorfahren aus dem Archäophytikum anaerob. Da ihr Pigment auch bei wenig Licht arbeitet, kommen Cyanophyta im Boden bis 30 cm und im Meer bis ca. 1000 m Wassertiefe vor. Heutige Taxa sind sehr resistent gegen UV-Licht. Diese Eigenschaft dürfte Cyanophyta bei einer frühen Landbesiedlung geschützt haben. Hohe Vermehrungsraten, aber auch Ruhesporen (Akineten) erhöhen ihre Chance, ökologische Katastrophen oder zyklisch wiederkehrende, temporäre Extrembedingungen doch mit einigen Individuen zu überleben, die rasch eine neue Population aufbauen. Aufgrund ihres Energie-Stoffwechsels und ihrer hohen Vermehrungsrate haben die Cyanophyta große Bedeutung für die Sauerstoffproduktion (v.a. in der Erdfrühzeit) und in verschiedensten geochemischen Kreisläufen des Systems Erde. Cyanophyta liefern als Primärproduzenten große Mengen organischer Substanz für die Nahrungskette. In sog. Heterocysten können einige Taxa Luftstickstoff binden. Durch die Stoffwechselaktivitäten werden Eisenhydroxid, v.a. aber Kalk abgeschieden. Cyanophyta sind gesteinsbildend am Aufbau organo-sedimentärer Riffe (Stromatolithe) beteiligt oder überziehen als Sedimentbinder Sedimentoberflächen mit einem Film, verkleben damit das Sediment und schützen es vor Erosion. Die ältesten fossil belegten Cyanophyta sind die bis zu 3,1 Mrd. Jahre alten Stromatolithe der Bulawayo-Formation Simbabwes. Sie sind auch am Aufbau der ältesten kohligen Schiefer in der Rice-Lake-Serie von Winnipeg (2,5 Mrd. Jahre) beteiligt und in hervorragender Zellerhaltung in den Hornsteinen der Gunflint-Formation Ontarios (2 Mrd. Jahre) überliefert. [RB]
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