Lexikon der Geowissenschaften: Erdöl
Erdöl, Erdöl ist ein natürliches flüssiges Gemisch aus Kohlenwasserstoffen mit darin gelösten Anteilen von Gas (Erdgas). Es entsteht in überwiegend marinen, lokal aber auch lakustrischen feinkörnigen Sedimenten, d.h. Silt- bis Tonsteinen, Mergeln oder mikritischen Kalksteinen, die einen hohen Gehalt an organischer Substanz, im wesentlichen von Mikroorganismen (Plankton), aufweisen. Bedingungen zur Ablagerung von Sedimenten reich an organischem Material befinden sich auf dem Kontinentalabhang, in Gebieten mit ruhigem Wasser, z.B. Lagunen, Deltas und tiefen Becken mit eingeschränkter Wasserzirkulation. Durch reduzierende Bedingungen (Sauerstoffdefizit) in diesem Sediment (Erdölmuttergestein) wird der Abbau der organischen Substanz (im wesentlichen Oxidation zu Kohlendioxid und Wasser) verhindert. Diese reduzierenden Bedingungen haben eventuell bereits während des Ablagerungsvorganges im Wasserkörper vorgelegen (euxinisches Milieu), oder sie sind erst nach Ablagerung innerhalb des Sedimentes entstanden, begünstigt durch dessen Feinkörnigkeit, die die Beweglichkeit von Stoffen im Sediment und damit den Zugang von Sauerstoff erschwert.
Das geförderte und mehr oder weniger entgaste Erdöl (Rohöl) wird aus einigen hundert verschiedenen organischen Verbindungen aufgebaut und enthält durchschnittlich 83-87 Gew.-% Kohlenstoff sowie 11-14 Gew.-% Wasserstoff. Dazu kommt Schwefel – bei 1 Gew.-% wird die Grenze zwischen schwefelreichen und -armen Rohölen gezogen –, 2 Gew.-% Sauerstoff und 1,5 Gew.-% Stickstoff, die in Verbindungen wie z.B. Fett- und aromatischen Säuren und Thioalkanen auftreten. Die Kohlenwasserstoffverbindungen gehören zu den drei homologen Reihen der Alkane (Paraffine, Methanreihe), Cycloalkane (Naphtene) und Aromate, die den Hauptanteil des Rohöles ausmachen und durch ihre unterschiedlichen Verhältnisse je nach Vorkommen den Charakter des jeweiligen Öles bestimmen. Weiterhin sind halbfeste bis feste Bestandteile, z.B. Asphaltene, Harze und Wachse enthalten.
Als Spurenelemente sind für Erdöl die Schwermetalle Vanadium, Molybdän und Nickel typisch, die in metallorganischen Porphyrin-Verbindungen auftreten, wobei noch nicht klar ist, ob sie vom organischen Ausgangsmaterial geerbt, wegen ihrer katalytischen Eigenschaften für die Bildung der Kohlenwasserstoffverbindungen konzentriert oder beim Aufstieg durch Kationenaustausch aus den Porenwässern aufgenommen wurden. Bei der Entstehung von Erdöl kommt es im Zuge der mit der Versenkung der Schichten einhergehenden Temperaturerhöhung zu diagenetischen (Diagenese) Veränderungen im Gestein, bei denen durch Abbauprozesse in der organischen Substanz (organische Metamorphose) über Zwischenstufen (Protobitumen) Kerogen entsteht. Daneben bleiben durch Pflanzen und Tiere gebildete organische Moleküle als sog. geochemische Fossilien erhalten, die zwar für die Entstehung von Erdöl nur eine geringe Bedeutung haben, aber für Korrelationen und Rekonstruktion des Ablagerungsraumes wie auch der weiteren Prozesse wichtig sind.
Im Stadium der Ablagerung bis früher Diagenese des Sedimentes bildet sich durch biochemische (mikrobiologische) Prozesse ein sog. unreifes Gas aus Methan und untergeordnet Kohlendioxid (Diagenese-Stadium, bis 50-60°C). Mit weiterer Versenkung wird im Katagenese-Stadium (bis 175-200°C) aus dem Kerogen in zunehmenden Maße Rohöl zusammen mit zunächst untergeordneten Mengen von sog. Naßgas gebildet. Das Optimum liegt hierfür bei Temperaturen zwischen 70 und 100°C, entsprechend einer Tiefe zwischen 2000 und 3000 m. Dabei hängt die Menge des generierten Öls im wesentlichen von der Muttergesteins-Fazies bzw. dem daraus resultierenden Kerogentyp, von den Temperaturen, die durchlaufen werden und von der Absenkungsgeschichte ab. Bei weiterem Temperaturanstieg – in erster Linie durch weitere Versenkung – nimmt die Ölbildung wieder ab, wohingegen die Gasmenge gegenläufig ansteigt, um schließlich im Metagenese-Stadium (über 200°C) als sog. Trockengas das einzige Produkt darzustellen ( Abb. ). Die Bildung der Kohlenwasserstoffe aus dem Kerogen ist nur abhängig von der Versenkungsgeschichte und nicht davon, wann die einschließenden Sedimente (Erdölmuttergesteine) entstanden sind.
Neben den Temperaturbedingungen ist der Kerogentyp, der wiederum von der Zusammensetzung des Ausgangsmaterials abhängt, für die abgeschiedenen Anteile von Öl und Gas entscheidend. So begünstigt aus Algen hervorgegangenes Kerogen die Entstehung von Öl, aus höheren Pflanzenresten die Entstehung von Gas. Bei geeigneten Diagenesebedingungen kann Erdöl auch aus Humus- und Sapropelkohlen gebildet werden. Erst die Trennung vom Erdölmuttergestein ("Expulsion") läßt aus den Kohlenwasserstoffen Erdöl und Erdgas werden. Gefördert durch zunehmende Versenkung wird die Trennung durch die Kompaktion (Verdichtung) der Sedimente, d.h. Verminderung des Porenraums, und die höhere Mobilität der Kohlenwasserstoffe bei steigenden Temperaturen gesteuert. Zusammen mit dem Porenwasser wandern (migrieren) die Kohlenwasserstoffe in Abhängigkeit vom Druckgefälle ab, wobei die gegenüber Wasser geringere Dichte die Migration nach oben begünstigt. Man unterscheidet eine primäre Migration mit Abwandern vom feinkörnigen Muttergestein in die nächste Sedimentschicht mit hoher Durchlässigkeit (Permeabilität) von einer sekundären Migration innerhalb hochpermeabler Schichten.
Ohne abdichtende Deckschichten können die Kohlenwasserstoffe die Erdoberfläche erreichen und austreten. Auf diese Weise kommt es z.B. zu Naturgasfackeln, die schon seit der Antike bekannt sind, und Asphaltseen oder, wenn durch Trennung und Abwandern der leichten Fraktion die schwerere Fraktion nicht mehr migrationsfähig ist, zu Teersanden.
Beim Aufstieg werden die Kohlenwasserstoffe i.a. jedoch durch undurchlässige Deckschichten, meist Ton- oder Salzgesteine, zurückgehalten und sammeln sich darunter in den Hohlräumen eines Speichergesteins, wo sie – meist in den morphologisch höchsten Bereichen – durch sog. Erdölfallen am Weiteraufstieg gehindert werden und eine Lagerstätte bilden können. Dort wird das als Formationswasser bezeichnete und stark salzhaltige Porenwasser verdrängt, wobei entsprechend der Dichte das Erdöl den Raum über dem Formationswasser einnimmt, abhängig vom Lösungsdruck häufig überlagert vom Erdgas als eigenständiger Phase (Gaskappe).
In Abhängigkeit von den Druckverhältnissen in der Lagerstätte, dem sog. Lagerstättendruck, erfolgt die Förderung des Erdöles entweder eruptiv, d.h. das Öl tritt nach Anbohren der Lagerstätte frei aus, oder es muß gepumpt werden. Das wird bestimmt vom Verhältnis des vom Gas aufgebauten Druckes zum hydrostatischen Druck. Mit der Migration des Erdöls löst sich ein Teil des darin enthaltenen Gases entsprechend dem Druckabfall beim Aufstieg und trägt so zur Gaskappe über dem Erdöl in der Lagerstätte bei. Das neben dem Rohöl in größerer Tiefe gebildete Gas, das sich ebenfalls in der Gaskappe sammelt, kann einen Überdruck aufbauen, der zu eruptiver Förderung beiträgt. [HFl]
Erdöl: Bildung von Kohlenwasserstoffen in Abhängigkeit von der Versenkungstiefe und damit einhergehender Temperaturerhöhung der Erdölmuttergesteine; die genaue Tiefenlage wird bestimmt vom geothermischen Gradienten, von der Versenkungsgeschichte und vom Kerogentyp. Erdöl:
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