Lexikon der Geowissenschaften: Fernerkundung des Meeres
Fernerkundung des Meeres, Erkundung des Meeres bzw. die Messung ozeanographischer Parameter aus der "Ferne". Das Meßinstrument befindet sich dabei nicht vor Ort im Wasserkörper, von dem ozeanographische Daten gewonnen werden sollen, sondern kann sowohl im Wasser als auch darüber plaziert sein. Zu den Fernerkundungsmethoden des Meeres zählt auch die Vermessung des Ozeans mit akustischen Instrumenten, die sich im Wasser befinden (Hydrophonen). Über dem Wasser können Fernmeßinstrumente an der Küste oder auf Meeresplattformen, Schiffen, Hubschraubern, Flugzeugen oder Satelliten installiert sein. Insbesondere die Fernerkundung von Satelliten aus, die weltweite Messungen von ozeanographischen Parametern ermöglicht, hat in den letzten Jahren in der Ozeanographie eine große Bedeutung erlangt (Satellitenozeanographie).
Folgende ozeanographische Größen können gemessen werden: die Rauhigkeit und die Neigung der Wasseroberfläche, die Temperatur der obersten Wasserschicht, die Wasserfarbe und die Oberflächenströmung. Es werden große Forschungsanstrengungen unternommen, um ein Fernerkundungsgerät zu entwickeln, das in der Lage ist, auch den Salzgehalt der obersten Wasserschicht zu messen. Diese direkt meßbaren ozeanischen Größen enthalten jedoch Informationen, die nicht nur die Eigenschaften der Wasseroberfläche wiedergeben. So kann man aus Veränderungen der Rauhigkeit der Wasseroberfläche auch Informationen über Phänomene im Inneren des Ozeans erhalten, z.B. über interne Wellen, und aus Veränderungen der Neigung Rückschlüsse über das ozeanische Strömungsfeld ziehen.
Die elektromagnetischen Wellen, die zur Fernerkundung des Meeres von Satelliten aus verwendet werden, reichen von ultravioletten bis zu Mikrowellen mit Wellenlängen im Bereich von Zentimetern bis Dezimetern. Von der Küste aus werden jedoch auch Hochfrequenz-Radare zur Messung von Meeresoberflächenströmungen eingesetzt. Diese Radargeräte arbeiten mit Wellenlängen im Bereich 5-20 m. Weiterhin werden sowohl passive als auch aktive Sensoren eingesetzt. Zu den passiven Sensoren gehören photographische Kameras, multispektrale Scanner und Radiometer, die sowohl im infraroten, sichtbaren und ultravioletten Wellenlängenbereich als auch im Mikrowellenlängenbereich arbeiten. Photographische Kameras und multispektrale Scanner werden zur Messung der Wasserfarbe verwendet und Radiometer zur Messung der Wassertemperatur und Windgeschwindigkeit über dem Ozean. Zu den aktiven Sensoren gehören das Windscatterometer, das Radaraltimeter und die abbildenden Radargeräte wie das Radar mit realer Apertur (Real Aperture Radar; RAR) und das Radar mit synthetischer Apertur (Synthetic Aperture Radar; SAR).
Das Windscatterometer ist ein aktives Mikrowellengerät, das über mehrere Antennen (meistens 3) mit unterschiedlichen Blickrichtungen zur Flugrichtung die Wasseroberfläche mit Radarpulsen bestrahlt und dann die rückgestreute Radarintensität, eine Funktion der kurzskaligen Rauhigkeit der Wasseroberfläche und damit der Windgeschwindigkeit, mißt. Auf den Europäischen Fernerkundungssatelliten ERS-1 und 2 befindet sich ein solches Windscatterometer, das in Auflösungszellen von 50 × 50 km in einem 500 km breiten Streifen rechts zur Satellitenlaufbahn die Windgeschwindigkeit in Betrag und Richtung mißt.
Das Radaraltimeter ist ebenfalls ein aktives Mikrowellengerät, das im Gegensatz zum Windscatterometer die Wasseroberfläche nicht unter einem schrägen Einfallswinkel (Winkel zwischen Nadir und Antennenblickrichtung) bestrahlt, sondern unter dem Einfallswinkel Null (in Nadirrichtung). Aus der Zeitdifferenz zwischen Aussendung und Empfang der extrem kurzen Radarimpulse kann der Abstand zur Wasseroberfläche mit einer Genauigkeit im Zentimeterbereich gemessen werden. Aus den Radaraltimeterdaten lassen sich dann globale Karten über die Verformung des Meeresspiegels erstellen. Diese Verformung wird verursacht durch das räumlich-variable Schwerekraftfeld der Erde und durch Ozeanströmungen, die aufgrund der Corioliskraft eine Neigung der Wasseroberfläche verursachen. So fällt der Wasserspiegel z.B. am Puertorikanischen Graben, der mit einer starken Schwerkraftanomalie verbunden ist, auf einer Entfernung von 100 km ungefähr 15 m ab. Der Golfstrom, dessen Geschwindigkeit etwa 1-1,5 m/s beträgt, verursacht am Rand einen Sprung im Wasserspiegel um etwa 1 m. Außerdem kann man aus den Radaraltimeterdaten auch die mittlere Wellenhöhe und den Betrag der Windgeschwindigkeit erhalten. Die Information über die mittlere Wellenhöhe erhält man aus der Verformung des rückgestreuten Radarsignals und die Windgeschwindigkeit aus der Intensität des rückgestreuten Radarpulses.
Die abbildenden Radarsysteme (RAR und SAR) senden ebenfalls kurze Radarpulse seitlich zur Flugrichtung aus. Die rückgestreute Radarintensität von kleinen Flächen auf der Wasseroberfläche (Auflösungszellen) wird mit möglichst großer Genauigkeit gemessen und dann zu einem Radarbild zusammengefügt. SARs, die auf Satelliten installiert sind, liefern Bilder von der Wasseroberfläche mit hoher geometrischer Auflösung (bis zu 25 m). Da die Intensität des rückgestreuten Radarpulses von der kurzskaligen Rauhigkeit der Wasseroberfläche abhängt, können atmosphärische Phänomene (Grenzschichtrollen, konvektive Zellen, Fronten, Land-Seewinde, katabatische Winde in Küstennähe und Regenzellen), die diese Oberflächenrauhigkeit verändern, mit Hilfe von abbildenden Radars detektiert werden. Zu den ozeanischen Phänomenen, die mittels Fernerkundung untersucht werden können, zählen langwelliger Seegang, Unterwasserbänke in Tidengewässern, interne Wellen, ozeanische Fronten, ozeanische Wirbel und Ölflecken auf dem Meer. [WAlp]
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