Lexikon der Geowissenschaften: Geothermobarometrie
Geothermobarometrie, Thermobarometrie, wird als Oberbegriff für die Bestimmung der Temperatur- und Druckbedingungen verwendet, unter denen geologische Proben bei ihrer Bildung oder danach gestanden haben. Wenn nur die Temperatur von Interesse oder bestimmbar ist, spricht man von Geothermometrie; bei der Geobarometrie ist der Druck Gegenstand der Betrachtung. In den allermeisten Fällen basieren Geothermometer und Geobarometer auf chemischen (inklusive isotopengeochemischen) Gleichgewichten zwischen festen (Minerale eines Gesteins) und/oder flüssigen Phasen (z.B. Wasser und Minerale). Die theoretische Basis für diese Geothermobarometer liegt in der Temperatur- und Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten K einer Reaktion, die mehrere Phasen des zu untersuchenden Systems miteinander in Beziehung setzt. In einem sich im thermodynamischen Gleichgewicht befindenden System nimmt bei gegebenem Druck und gegebener Temperatur die Gibbssche freie Energie G (freie Enthalpie) den minimalen Wert an. Die Temperatur- und Druckabhängigkeit von K wird beschrieben durch:
ΔG = 0 = -ΔST,PdT+ΔVT,PdP+(RT·ln(K))dT+(RT·ln(K))dP,
wobei ΔS für die Änderung der Entropie bei der Reaktion steht, ΔV für die Änderung des Volumens (beides bei P und T der Gleichgewichtseinstellung), R ist die Gaskonstante. Aus dieser Gleichung lassen sich die partiellen Differentiale für konstanten Druck bzw. konstante Temperatur ableiten zu:
(H = Enthalpie der Reaktion, X = chemische Zusammensetzung der Phasen) und
Aus der ersten der beiden Gleichungen läßt sich ablesen, daß Reaktionen mit einer großen Änderung von Entropie oder Enthalpie eine große Temperaturabhängigkeit von K zeigen werden, mithin als Geothermometer geeignet sein sollten. Die letzte Gleichung zeigt, daß Reaktionen, bei denen sich das Volumen stark ändert, eine große Druckabhängigkeit von K zeigen werden und daher potentiell als Geobarometer nutzbar sind.
Metamorphite sind in besonderem Maß Gegenstand geothermometrischer und geobarometrischer Betrachtungen. Die Methodik läßt sich aber auch auf magmatische oder sedimentäre Systeme anwenden. Probleme in der Anwendung von Reaktionen als Geothermometer oder Geobarometer liegen unter anderem darin, daß in die Gleichgewichtskonstante die Aktivitäten der beteiligten Phasen eingehen, wobei die Beziehung zwischen Aktivität und Konzentration nicht immer gut bekannt ist. Außerdem sind zur Kalibrierung oft Experimente bei hoher Temperatur nötig, die bei Anwendung zu niedrigerer Temperatur extrapoliert werden müssen. Die Geschwindigkeit von chemischen und Isotopenaustauschreaktionen ist exponentiell von der Temperatur abhängig. Bei Aufheizung eines Gesteins wird eine Reaktion zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnen, bei seiner Abkühlung zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Erliegen kommen, und verschiedene Reaktionen werden bei unterschiedlichen Temperaturen einsetzen bzw. einfrieren. In vielen metamorphen Gesteinen geben Minerale wie Granate oder Plagioklase durch chemische Zonierungen Hinweise darauf. Zu den Reaktionen, die für die Geothermometrie und Geobarometrie nutzbar sind, gehören:
a) Austauschreaktionen: Sie sind durch den Austausch sich chemisch ähnlich verhaltender Atome zwischen verschiedenen Phasen (interkristalliner Austausch) oder auch zwischen zwei kristallographisch unterschiedlichen Positionen innerhalb desselben Minerals (intrakristalliner Austausch) gekennzeichnet. Da bei solchen Reaktionen Phasen weder abgebaut werden noch neu entstehen, sind die damit verbundenen Volumenänderungen im Gegensatz zu Änderungen in Entropie und Enthalpie gering. Solche Reaktionen zeigen daher i.d.R. nur eine geringe Druckabhängigkeit, eignen sich aber potentiell als Geothermometer. Die am häufigsten angewandten Geothermometer dieser Art beruhen auf dem Austausch zwischen Mg2+ und Fe2+ zwischen Mineralen wie Granat, Ortho- und Klinopyroxen, Amphibol, Olivin, Biotit, Chlorit, Cordierit und Ilmenit. Strukturell ähnliche Minerale wie Ortho- und Klinopyroxen, Chalkopyrit und Sphalerit oder die Feldspäte Anorthit, Albit und Kalifeldspat zeigen eine starke temperaturabhängige gegenseitige Löslichkeit ineinander, wobei die Mischungslücke mit sinkender Temperatur größer wird. Dies ist die Grundlage für Solvusthermometer. Zur Kategorie der Austauschthermometer gehören auch solche, die auf dem Austausch zweier stabiler Isotope leichter Elemente (insbesondere Sauerstoff, Kohlenstoff, Schwefel) zwischen Phasen beruhen (Isotopenthermometer, Abb. 1 ). Während auf chemischem Austausch basierende Geothermometer und Geobarometer gemäß der ersten Gleichung eine Variation der Gleichgewichtskonstanten mit der reziproken Temperatur zeigen, variiert die Gleichgewichtskonstante (hier als Fraktionierungsfaktor α) bei Isotopenaustauschreaktionen mit 1/T2:
1000·ln(α) = A/T2+B.
A und B sind Konstanten, α = R1/R2, wobei R das Verhältnis des schwereren zum leichteren Isotop eines Elementes ist, z.B. 18O/16O. Die Indizes 1 und 2 stehen für verschiedene Phasen, T für die absolute Temperatur. Beim Austausch der Wasserstoffisotope zwischen Mineralen und wäßrigen Lösungen ist zusätzlich noch eine signifikante Druckabhängigkeit möglich.
b) polymorphe Umwandlungen: Sie vollziehen sich in einem Druck-Temperatur-Diagramm entlang univarianter Reaktionskurven (Gibbssche Phasenregel). Da die Gleichgewichtseinstellung in einem Gestein nur selten exakt auf einer derartigen Kurve eingefroren vorliegt, gestatten in mehreren Modifikationen vorkommende Verbindungen i.d.R. nur eine grobe Festlegung von P und T. Wichtige Mineralgruppen, die in mehreren Modifikationen auftreten, sind die Al2SiO5-Phasen (Andalusit, Sillimanit, Disthen), SiO2 (Tiefquarz, Hochquarz, Tridymit, Cristobalit, Coesit, Stishovit), CaCO3 (Calcit, Aragonit) und C (Graphit, Diamant).
c) Nettotransferreaktionen ( Abb. 2 ): Dies sind Reaktionen, bei denen Minerale abgebaut werden und neue Minerale entstehen. Wenn sie mit signifikanten Volumenänderungen verbunden sind, können sie als Geobarometer geeignet sein. Wenn an der Reaktion Minerale teilhaben, die Mischkristalle bilden, sind die Reaktionen multivariant (Gibbssche Phasenregel), d.h. je nach der chemischen Zusammensetzung kann die Paragenese über einen beträchtlichen Druck-Temperatur-Bereich koexistieren. Nettotransferreaktionen zeigen i.d.R. auch eine erhebliche Temperaturabhängigkeit. Um den Bildungsdruck für ein Gestein zu berechnen, ist es dann nötig, zunächst mit einer anderen Methode die Temperatur zu bestimmen. Die Bildungsbedingungen metamorpher Gesteine werden vorzugsweise durch eine Kombination verschiedener Thermometer und Barometer der Typen a) bis c) ermittelt. Mit intern konsistenten thermodynamischen Datensätzen lassen sich für ein Gestein mit den darin auftretenden Mineralen alle möglichen Gleichgewichte berechnen, deren Schnittpunkt in einem Druck-Temperatur-Diagramm der Gleichgewichtseinstellung des Metamorphits entspricht. Ein oft einfacherer Weg ist der Vergleich der Mineralparagenese mit einem Druck-Temperatur-Diagramm, in das viele univariante Reaktionskurven eingetragen sind, welche Bildung und Zerfall der im Gestein auftretenden Minerale wiedergeben (petrogenetisches Netz).
d) andere Verfahren: Bei der Diagenese gibt das Reflexionsvermögen von Vitrinit Hinweise auf die Temperatur, denen das Sediment ausgesetzt war. Bei der Diagenese und im unteren Bereich der Metamorphose nimmt die Kristallinität von Illit mit steigender Temperatur zu (Illitkristallinität), quantitativ bestimmbar durch die Breite der Basisreflexe in Röntgenaufnahmen. In paläozoischen bis triadischen Sedimenten kann die Farbe von Conodonten als Indikator der Temperatur von Diagenese und schwacher Metamorphose dienen (Conodont Color Index). Flüssikeitseinschlüsse können in metamorphen Gesteinen Druck und Temperatur ihrer Einschließung aufgezeichnet haben; zumeist entspricht dies Bedingungen der retrograden Metamorphose (Mikrothermometrie). Und schließlich ist es möglich, geothermische Wässer und Formationswässer anhand verschiedener gelöster Ionen bezüglich der Bildungstemperatur zu charakterisieren (hydrochemische Thermometer). [HGS]
Literatur: [1] BUCHER, K. & FREY, M. (1994): Petrogenesis of Metamorphic Rocks. – Berlin. [2] FAURE, G. (1986): Principles of Isotope Geology. – New York. [3] SPEAR, F.S. (1993): Metamorphic Phase Equilibria and Pressure-Temperature-Time Paths. – Washington.
Geothermobarometrie 1: Isotopenaustauschthermometer am Beispiel des Austausches der Sauerstoffisotope zwischen Mineralen. Für experimentell nicht belegte Temperaturbereiche sind die Kurven gestrichelt dargestellt. Das schwere Sauerstoffisotop 18O wird in Bindungen an kleine und hochgeladene Kationen besonders stark angereichert. Die Fraktionierungsfaktoren α sind daher zwischen Quarz und Magnetit oder Plagioklas und Magnetit besonders hoch. Geothermobarometrie 1:
Geothermobarometrie 2: Die Reaktion Almandin + 3 Rutil = 3 Ilmenit + Al2SiO5 + 2 Quarz als Beispiel einer Nettotransferreaktion, die als Geobarometer geeignet ist. Der Granat in Metapeliten, auf die sich dieses Geobarometer anwenden läßt, ist kein reiner Almandin, sondern ein Mischkristall; dies trifft mit Einschränkungen auch auf Ilmenit zu. Die Reaktion ist daher nicht univariant, sondern vollzieht sich über einen Druck-Temperatur-Bereich. Die Zahlen an den gestrichelten Kurven stehen für Werte von 10log(K), a in der Gleichgewichtskonstanten steht für Aktivität. Zusätzlich sind in das Diagramm die Phasengrenzen der polymorphen Al2SiO5-Minerale Andalusit (And), Sillimanit (Sil) und Disthen (Ky)eingetragen. Die Anwesenheit eines dieser drei Minerale erlaubt nur eine grobe Einordnung eines Metapelits bezüglich P und T. Geothermobarometrie 2:
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.