Lexikon der Geowissenschaften: Grundwasser
Grundwasser, nach der in Deutschland gültigen DIN 4049, Teil 3 wird Grundwasser als unterirdisches Wasser bezeichnet, das die Hohlräume der Lithosphäre zusammenhängend ausfüllt und dessen Bewegungsmöglichkeit ausschließlich durch die Schwerkraft bestimmt wird ( Abb. ). Gesteinskörper, die Hohlräume enthalten und damit geeignet sind, Grundwasser weiterzuleiten, werden als Grundwasserleiter bezeichnet. Hierbei werden Porengrundwasserleiter (Locker- oder Festgestein mit überwiegend durchflußwirksamen Porenanteilen), Kluftgrundwasserleiter (Festgesteine mit überwiegend durchflußwirksamen Trennfugen) und Karstgrundwasserleiter (Festgesteine mit überwiegend durchflußwirksamen Karsthohlräumen) unterschieden. Hingegen werden Gesteine, die Grundwasser nicht weiterleiten, da sie wasserundurchlässig sind, als Grundwassernichtleiter bezeichnet.
Der Grundwasserkörper ist ein Grundwasservorkommen oder Teil eines solchen, das eindeutig abgegrenzt oder abgrenzbar ist. Unter Grundwasserraum wird der Gesteinskörper verstanden, der mit Grundwasser gefüllt ist. Grundwasserkörper werden nach unten von einer schwerer durchlässigen oder undurchlässigen Gesteinsschicht, der Grundwassersohle, begrenzt. Die obere Begrenzungsfläche des Grundwasserkörpers ist die Grundwasseroberfläche. Die Grundwassermächtigkeit ergibt sich als der lotrechte Abstand zwischen Grundwassersohle und Grundwasseroberfläche.
Die Standrohrspiegelhöhe ist die Summe aus geodätischer Höhe und Druckhöhe eines Punktes in einem betrachteten Grundwasserkörper. Die gedachte Fläche durch die Endpunkte aller Standrohrspiegelhöhen ergibt die Grundwasserdruckfläche. Grundwasser, bei dem Grundwasseroberfläche und Grundwasserdruckfläche zusammenfallen, wird als freies Grundwasser (ungespanntes Grundwasser) bezeichnet. An der freien Grundwasseroberfläche ist der Wasserdruck gleich dem Luftdruck der Atmosphäre. Häufig fallen jedoch Grundwasseroberfläche und Grundwasserdruckfläche nicht zusammen. Dies ist der Fall, wenn der Grundwasserleiter von schlecht durchlässigen Grundwasserhemmern (Aquitarde) oder Grundwassernichtleitern abgeschlossen wird, das Grundwasser also nicht so hoch ansteigen kann, wie es seinem hydrostatischen Druck entspricht. Unter diesen Verhältnissen liegt ein gespanntes Grundwasser vor. Der Druck an der Grundwasseroberfläche ist größer als der atmosphärische Druck. Liegt die Grundwasserdruckfläche höher als die Geländeoberfläche, so handelt es sich um artesisch gespanntes Grundwasser und das Grundwasser läuft aus einer Bohrung frei aus.
Die in Brunnen oder Grundwassermeßstellen zu beobachtende, druckmäßig ausgeglichene Grenzfläche des Grundwassers gegen die Atmosphäre wird als Grundwasserspiegel bezeichnet. Die Höhe des Grundwasserspiegels über oder unter einer waagerechten Bezugsebene, z.B. der Geländeoberkante oder NN, stellt den Grundwasserstand dar. Treten infolge mehrfacher Wechsellagerung von besser und schlechter wasserdurchlässigen Gesteinen mehrere eindeutig abgrenzbare Grundwasserkörper übereinander auf, so bezeichnet man diese als Grundwasserstockwerke, die von oben nach unten gezählt werden. Des öfteren befindet sich das oberste freie Grundwasser oberhalb der allgemeinen grundwassererfüllten Zone als mehr oder weniger isolierter Grundwasserkörper. Derartige Vorkommen werden als schwebendes Grundwasser (schwebender Grundwasserleiter) bezeichnet. Die Grundwasserbewegung verläuft stets senkrecht zu den Grundwassergleichen, die als Linien gleicher Standrohrspiegelhöhen konstruiert werden können. Grundwasser, das meist aus niederschlagsreichen Perioden vergangener Zeiten stammt und nicht am Wasserkreislauf teilnimmt, bezeichnet man als fossiles Grundwasser oder fossiles Wasser. Natürliche, räumlich begrenzte Grundwasseraustritte heißen Quellen. Die Bewegung des Grundwassers läßt sich über eine Reihe verschiedener Methoden und Verfahren messen. Hierzu zählen z.B. Markierungsversuche (Tracer), Einbohrlochmethoden und die Messung von Quellschüttungen.
In der Bundesrepublik Deutschland stellt Grundwasser mit einem Anteil von rund 70% das wichtigste Reservoir für die Trinkwassergewinnung dar. Aus diesem Grund ist dem Grundwasserschutz eine große Bedeutung beizumessen. Die chemische Beschaffenheit des Grundwassers hängt stark von der Art und dem Aufbau des durchströmten Untergrundes ab. Daneben spielt auch die Kontaktzeit zwischen dem Grundwasser und dem durchflossenen Gestein eine entscheidende Rolle. Neben der direkten Auflösung von Mineralien im Untergrund ist die Beladung des Grundwassers mit Inhaltstoffen oft mit chemischen Reaktionen sowie mit Sorptions- und Desorptionsprozessen verbunden. Die Entstehung des Grundwassers wird als Grundwasserneubildung bezeichnet. Über die Entstehung des Grundwassers gibt es schon seit der Antike eine ganze Reihe von unterschiedlichen Vorstellungen. Diese reichen von der Annahme, daß alle Gewässer der Erde von einem riesigen unterirdischen Wasserreservoir gespeist werden (Reservoirtheorie) bis zur heute allgemein anerkannten und durch Beobachtungen und Messungen in der Natur bestätigten Versickerungstheorie, die besagt, daß das Grundwasser zum größten Teil aus atmosphärischen Niederschlägen gespeist wird. [WB]
Literatur: [1] HÖLTING, B. (1996): Hydrogeologie. – Stuttgart. [2] MATTHESS, G. (Hrsg.) (1983): Lehrbuch der Hydrogeologie, Band 1. – Berlin, Stuttgart. [3] MATTHESS, G. (Hrsg.) (1990): Lehrbuch der Hydrogeologie, Band 2. – Berlin, Stuttgart.
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