Lexikon der Geowissenschaften: Halokinese
Halokinese, Begriff, mit dem von Trusheim (1957) alle ursächlich mit der autonomen Salzbewegung verknüpften Vorgänge zusammengefaßt wurden. Trusheim hat die Halokinese als reines Schwerkraftphänomen ohne zusätzliche Energiezufuhr von außen verstanden. Salzstrukturen, bei deren Entstehung Halokinese und Tektonik zusammengewirkt haben, bezeichnet er als halotektonische Strukturen. Diese strengen Definitionen stoßen in der Praxis auf Schwierigkeiten, denn die so definierten Strukturen lassen sich häufig nur schwer unterscheiden. In Norddeutschland haben tektonische Anstöße und Einflüsse auf die Strukturbildung in sehr unterschiedlichem Ausmaß gewirkt, so daß bei manchen Strukturen die halokinetische Prägung überwiegt, bei anderen die tektonische. Der typische Formenschatz, den halokinetische Abläufe erzeugen, ist auch bei tektonisch beeinflußten Strukturen häufig gut ausgeprägt.
Eine der Voraussetzungen für das Ablaufen halokinetischer Prozesse ist eine instabile Dichteschichtung (Rayleigh-Taylor-Instabilität). Bei der Absenkung eines Beckens tritt diese in bezug auf Steinsalzschichten ein, wenn die Deckschichten infolge der Kompaktion eine durchschnittliche Dichte von 2,2 g/cm3 erreicht haben. Das ist der Fall bei einer Überdeckung durch klastische Sedimente von wenigen hundert Metern, bei Mitwirkung carbonatischer oder sulfatischer Ablagerungen bereits ab etwa 100 m. Die potentielle Energie aus der instabilen Dichteschichtung, die für den Ablauf der Bildung von Salzstrukturen zur Verfügung steht, hängt von Mächtigkeit und Fazies der salinaren Formation sowie von Mächtigkeit und Fazies der Deckschichten ab.
Die zweite Voraussetzung für die Bildung von Salzstrukturen ist das Vorhandensein eines Druckgradienten. Stetige Deformationen des Untergrundes wie ungleiche Absenkungen oder Hebungen können ungleiche Überlagerungen der salinaren Formation und damit Druckgradienten in ihr zur Folge haben. Prinzipiell haben unstetige Deformationen wie Ab- oder Aufschiebungen die gleiche Wirkung wie die stetigen. Da bei ihnen jedoch Bereiche unterschiedlicher Sedimentation bzw. Abtragung unmittelbar aneinanderstoßen, treten besonders starke Druckgradienten auf. Die Folge ist ein starker Anstoß zur Salzbewegung.
Eine weitere Voraussetzung schließlich für die Bildung von Salzstrukturen ist die Kriechfähigkeit der Salzgesteine. Prinzipiell liegt diese bereits bei Normalbedingungen vor. Sie nimmt infolge ihrer starken nichtlinearen Temperaturabhängigkeit durch Versenken der Schichten in größere Tiefe stark zu, was für das Wirksamwerden des Kriechens in den zur Verfügung stehenden geologischen Zeitspannen von erheblicher Bedeutung ist. Die Formen der Salzstrukturen, die durch die Halokinese entstehen können (Salzkissen, Salzstöcke, Salzmauern), hängen hauptsächlich von der primären Mächtigkeit der salinaren Formationen ab.
Die Entwicklungsgeschichte ( Abb. ) der Strukturen, in denen sich das Salz anreichert und aufsteigt, hat ihre Entsprechung in den Salzabwanderungsgebieten. Wo Salz abwandert, sinken die Deckschichten nach, und es entstehen Senken, in denen verstärkt sedimentiert wird. Für die Senkungsgebiete hat Trusheim die Begriffe primäre und sekundäre Randsenke eingeführt. Die primäre Randsenke ist an die Entstehung eines Salzkissens geknüpft. Die sekundäre Randsenke entspricht dem Diapirstadium einer Salzstruktur. Die Mächtigkeitsanomalien sind bei primären Randsenken nicht immer sehr auffällig, bei den sekundären Randsenken jedoch sehr groß, denn in diesem Stadium wandert das Salz aus Bereichen ab, in denen es durch die vorangegangene Akkumulation sehr mächtig geworden war. Der Salzaufstieg geht auch nach Abschluß des Diapirstadiums und der Überlagerung des Diapirs durch Deckschichten weiter. Wenn im Salzstockgebiet die Sedimentation anhält, ist die Sedimentmächtigkeit neben dem Salzstock größer als über ihm. Es bildet sich eine (salz-)nachschubbedingte Randsenke. Die naheliegende Bezeichnung "tertiäre" Randsenke verbietet sich wegen der Verwechslungsmöglichkeit mit Vorgängen, die im Tertiär stattgefunden haben. Die strenge Koppelung der Entwicklung von Salzstrukturen und Randsenken gestattet eine recht genaue Datierung der Entwicklungsgeschichte der Salzstrukturen.
Das Salzkissenstadium kann unterschiedlich lang andauern (10-200 Mio. Jahre). Das Diapirstadium hält selten mehr als 50 Mio. Jahre an, im Falle stärkerer tektonischer Mitwirkung sogar nur einige wenige Millionen Jahre. Auf der Basis der Bilanzierung halokinetischer Vorgänge läßt sich auch die Geschwindigkeit des Salzaufstiegs bzw. der Salzwanderung berechnen. In Norddeutschland wurde für die überwiegend laterale Wanderung in Richtung auf die Salzkissen die Geschwindigkeit auf 0,3 mm/a geschätzt. In diesem Bereich (0,1-0,5 mm/a) liegen auch die für den Salzaufstieg in den Diapiren ermittelten Werte. Im Nachbewegungsstadium von Diapiren geht die Aufstiegsgeschwindigkeit rasch auf einige Hundertstel Millimeter pro Jahr und später auf noch kleinere Werte zurück. Die ursprünglich vorhandene instabile Dichteschichtung ist in diesem Spätstadium der Strukturentwicklung weitgehend abgebaut. [WJ]
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