Lexikon der Geowissenschaften: inkrustierende Organismen
inkrustierende Organismen, Inkrustierer, sind wichtige Besiedler von Hartsubstraten, vorwiegend im marinen Milieu, z.B. an Felsküsten, auf isolierten Geröllen und organisch gebildeten Hartteilen (z.B. Schalen), auf Hartgründen und in Riffen. Es sind sessile, pflanzliche oder tierische Epibionthen (z.T. Kryptobionthen) mit niedrigem Höhenwachstum, welche mit ihrer ausgedehnten Basalfläche auf dem Untergrund festgewachsen sind. Organismen, die Hartsubstrate flächig inkrustieren, können auf Weichsubstraten durch das vollständige Umwachsen kleiner Litho- oder Bioklasten Onkoide bilden. Im Riffhabitat besiedeln Inkrustierer bevorzugt die verbleibenden Zwischenräume (Spalten, Höhlen, etc.) zwischen den primären Riffbildnern, tragen damit wesentlich zur Carbonatproduktion bei und stabilisieren als sekundäre Riffbildner das Riffgerüst. Zum anderen verkitten sie auf dem Riffdach und im nahen Rückriff durch ihre Überkrustung einzelne Klasten und verhindern so Brandungserosion und Umlagerung. Die gebildeten Gesteine werden als bindstones oder beim Vorherrschen etwas dickerer, laminar wachsender Organismen als coverstones bezeichnet. Im höchstenergetischen Bereich der Rifffront und des meerwärtigen Riffdachs können sie als flachwachsende Spezialisten monospezifische bis niedrigdiverse Organismenpolster ausbilden. Dazu gehören z.B. die aus krustosen Rotalgen aufgebauten "algal ridges" moderner Riffe oder die biofaziell äquivalenten Stromatoporenkrusten (Stromatoporen) in mittelpaläozoischen Riffen.
Inkrustierer sind mit den Stromatolithen seit dem Archaikum bekannt, skelettbildende Formen aus dem gesamten Phanerozoikum ( Abb. 1 ). Eine erste Radiation beginnt gleichzeitig mit der Entwicklung der mittelpaläozoischen Stromatoporen-Korallen-Bryozoen-Riffe im Ordovizium und führt zu einem Häufigkeitsmaximum im Devon, welches mit der ausgedehnten Entwicklung von Riffstrukturen in dieser Zeit zusammenfällt. Im jüngeren Paläozoikum und ältestem Mesozoikum sind Inkrustierer rar. Erst mit dem erneuten Aufblühen des Riffbiotops in der mittleren Trias beginnt eine bis in das Rezente anhaltende mesozoisch-känozoische Radiation. Inkrustierer gehören einem weiten taxonomischen Spektrum an. Neben im wesentlichen von Cyanobakterien dominierten, "Algenmatten" bildenden, mikrobiellen Lebensgemeinschaften (Mikrobialithe) sind es Rotalgen (Kalkalgen), Foraminiferen und ein weites Spektrum skelettbildender solitärer und kolonialer Suspensionsfresser: Schwämme, Korallen, Bryoza, Serpuliden (Annelida), Balaniden (Seepocken, Arthropoda), Muscheln (Mollusca), Brachiopoda sowie einige kleine, nur fossil bekannte Gruppen unbekannter taxonomischer Zuordnung. Vereinzelt sind auch unverkalkte Inkrustierer durch Bioimmuration überliefert, d.h. sie werden als Fossilabdruck auf der Unterseite eines überkrustenden Organismus erhalten. Solitäre Inkrustierer haben entweder annähernd runde Umrisse und wachsen zentrifugal (z.B. Muscheln, Balaniden), oder es sind langgestreckte Formen, die ihre Wachstumsrichtung bei Bedarf signifikant ändern können (z.B. bei Foraminiferen und Serpuliden). In der Regel bilden sie wegen der bevorzugten Entwicklung der Larven in der Nähe der Adultformen mehr oder weniger dichte, mono- bis oligospezifische Aggregate. Koloniale Inkrustierer sind von polymorpher, vom Untergrund und dem Wettbewerb um autökologische Ressourcen (Raum, Licht, Sauerstoff etc.) gesteuerter Gestalt. Sie vermehren sich asexuell durch Knospung und können so den Tod einzelner Zooide bzw. einzelner Bereiche der Kolonie überstehen. Es lassen sich zwei Wachstumsstrategien unterscheiden ( Abb. 2 ). Flächige Krusten (sheets) vergrößern sich durch Knospung an ihren distalen Wachstumsfronten und besetzen den zur Verfügung stehenden Raum unter Überkrustung anderer Organismen vollständig. Dendritisch verzweigte, jeweils an den Spitzen der einzelnen Zooide undirektional wachsende Inkrustierer (runner) versuchen möglichst ausgedehnte Substratflächen geflechtartig zu besiedeln und dadurch partielle Mortalität der Kolonie auszugleichen. Überwachsungsmuster und Inkrustations- Sukzessionen sind im Einzelfall komplex und von zahlreichen autökologischen und synökologischen Komponenten abhängig. Allgemeingültige Regeln lassen sich deshalb nicht aufstellen. [HGH]
inkrustierende Organismen 1: stratigraphische Verbreitung und Morphologie der wichtigsten inkrustierenden Organismengruppen im Phanerozoikum. Die Breite der Verbreitungsbalken bezieht sich auf die Bedeutung der einzelnen Taxa in den jeweiligen Inkrustationsgemeinschaften. inkrustierende Organismen 1:
inkrustierende Organismen 2: adaptive Morphologien kolonialer Inkrustierer am Beispiel zweier cyclostomer Bryozoen des Jura: a) flächig wachsende Berenicea-Kruste (sheet), b) dendritisch verzweigte, unidirektional wachsende Stomatoporakolonie (runner). inkrustierende Organismen 2:
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