Lexikon der Geowissenschaften: kartographische Information
kartographische Information, georäumliches Wissen, das in Karten angeboten wird oder aus Karten visuell-kognitiv abgeleitet wurde. Dabei werden aus Zeichenstrukturen zielgerichtet Informationen abgeleitet und deren noch abbildungsbedingte Merkmale so transformiert, daß sie zur weiteren gedanklichen Verarbeitung verwendet werden können. Der Prozeß der Verarbeitung kartographischer Informationen wird durch zwei Aspekte bestimmt. Zum einen durch die Wissenstruktur, die die Erkenntnisbildung und Wissensrepräsentation beeinflußt und zum anderen durch die informationelle Struktur, die vor allem den visuellen Wahrnehmungsprozeß bestimmt. Die Wissensstruktur kartographischer Informationen resultiert aus der Struktur georäumlicher Daten bzw. deren abbildungsbedingter Repräsentation (kartographische Abbildung) sowie aus den physisch-psychischen Bedingungen der Wissensverarbeitung, verbunden mit den Zielen der Erkenntnisgewinnung. Die informationelle Struktur von kartographischen Informationen resultiert aus der Anordnung und graphischen Präsentation von Daten in der Kartenebene sowie den Wahrnehmungsmöglichkeiten des sensorischen Apparates (Augen). Entsprechend bestimmter Übertragungssituationen oder Erkenntnisbildungsprozesse, wie etwa der Orientierung, der Datenexploration oder der Verständnisweckung, kann die Aufnahme von informationellen Strukturen u.a. durch graphische Hervorhebungen und Gliederungen oder durch Ikonisierung (Ikonizität) und Indexikalisierung (Indexikalität) beeinflußt werden. Die Wissensstruktur von kartographischen Informationen kann modellhaft in formaler, semantischer und gedanklicher Hinsicht differenziert werden: a) In formaler Hinsicht wird unterschieden, ob Wissensstrukturen entweder aus abgebildeten Objektzuständen oder aus Objektbeziehungen abgeleitet werden. Objektzustände sind Merkmale wie Grundrißform, Größe, funktionale Bedeutung oder fachliche Ausprägung, die direkt aus den die Objekte abbildenden Zeichen gewonnen werden (direkte Informationen). Objektbeziehungen sind Beziehungswerte oder -eigenschaften in Form von Klassengemeinsamkeiten, Quantitäts- oder Rangunterschieden, die gedanklich mit Hilfe von Bewertungssystemen abgeleitet werden. Die Werte oder Eigenschaften sind in der Regel nicht explizit in der Karte abgebildet und müssen daher zusätzlich visuell-kognitiv ermittelt werden (indirekte Information). b) In semantischer Hinsicht unterscheiden sich Wissensstrukturen zum einen nach den zugrundeliegenden Begriffssystemen, die z.B. nach georäumlichen, visuellen, funktionalen, physikalischen oder biologischen Merkmalen klassifiziert sind. Und zum anderen nach georäumlichen Lage- und Grundrißmerkmalen, die unmittelbar gedanklich abgeleitet werden können. c) In gedanklicher Hinsicht unterscheiden sich Wissensstrukturen nach den zu realisierenden Zielen und nach dem angestrebten gedanklichen Konkretisierungsniveau. Als denotative Informationen gelten dabei abgeleitete semantische Merkmale, die allgemeinen begrifflichen Hierarchien oder Systemen zugeordnet sind. Als konnotative Informationen gelten Merkmale, die auf der Basis von ethischen, moralischen, ästhetischen und anderen Wertesystemen abgeleitet werden. Die informationelle Struktur kartographischer Informationen erklärt sich am sinnvollsten aus ihren abweichenden Funktionen und Wirkungen zu Informationen, die direkt aus der georäumlichen Realität oder aus anderen, z.B. in den Geowissenschaften eingesetzten Medien, abgeleitet werden. Gegenüber der Realität ist der Zugriff auf Information in Karten von der Informationsdichte her reduziert, dafür aber verzerrungsfrei und grundrißorientiert. Die informationelle Struktur von substantiellen Informationen in Karten ist schon klassifiziert und wird daher begriffsorientiert und nicht wie in der Realität objektorientiert gedanklich verarbeitet. Durch Generalisierung in Karten wird das Abstraktionsniveau und die Abstraktionsform (kartographische Abstraktion) von Wissensstrukturen sowie der Umfang des Merkmalangebotes gesteuert. Dies führt zu einer spezifischen Ausrichtung des informationellen Angebotes in Karten. Gegenüber anderen Medien wie Bilder, Graphiken, Texten etc. zeichnet sich der Zugriff auf Informationen in Karten vor allem in dreierlei Hinsicht aus. Als zentrale Eigenschaft von Karten können georäumliche Zusammenhänge unmittelbar informationell und inhaltlich klassifiziert abgeleitet werden. Zweitens können mit Hilfe direkter Assoziationen visuell zugängliche Situationen, verknüpft mit abstrakten Sachverhalten, abgeleitet und gedanklich weiter verarbeitet werden. Und drittens können Verbindungen zwischen sprachlichen und visuell wahrnehmbaren Merkmalen hergestellt werden, was zu besonders gut verwertbaren Wissensstrukturen führt. Insgesamt kommt der strukturellen Differenzierung von kartographischen Informationen für die zukünftige Herstellung und Nutzung von Karten ein großer Stellenwert zu, so daß die Funktion, der Charakter und der kommunikative Wert von Karten weniger an den abgebildeten Daten, sondern vielmehr an den visuell ableitbaren Informationen zu messen ist. [JB]
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