Lexikon der Geowissenschaften: Lamarck
Lamarck, Jean Baptiste Pierre Antoine de Monet, Chevalier de, französischer Biologe und Paläontologe, * 1.4.1744 Bazentin-le-Petit (Somme), † 18.12.1829 Paris; Begründer der Invertebraten-Paläontologie und Begründer der ersten wissenschaftlichen Evolutionstheorie, des nach ihm benannten Lamarckismus, der "Vererbung erworbener Eigenschaften". Auf Lamarck geht auch der Begriff Biologie zurück (1802).
Lamarck wurde in Amiens erzogen. Von seinen Eltern zum geistlichen Beruf vorgesehen, ging er jedoch mit 17 Jahren zur Armee und kämpfte im Siebenjährigen Krieg. Im Jahr 1763 quittierte er den Armeedienst und wurde Bankangestellter in Paris. In dieser Zeit erwuchs in ihm mehr und mehr das Interesse an Naturgeschichte. Nach dem Studium der Medizin, der Meteorologie und Chemie wandte er sich der Botanik zu. Gefördert durch George Louis Leclerc de Buffon (1707-1788) publizierte Lamarck 1778 eine dreibändige Flora Frankreichs ("Flore française"). Im Jahr 1779 wurde er in die Academie Française aufgenommen und zum Kustos des königlich botanischen Gartens ernannt. 1793 zum Professor am dem Garten angeschlossenen Museum berufen, widmete sich Lamarck vornehmlich der Invertebrata-Sammlung. 1794 prägte er den Begriff "Wirbellose Tiere". Er teilt diese zunächst in fünf Klassen ein: Mollusken, Insekten, Würmer, Stachelhäuter und Polypen. Eine zunehmende Erblindung zwang ihn, sein Amt 1819 aufzugeben. Die letzten Jahre verbrachte er in großer Armut und nahezu vergessen von seinen Zeitgenossen. Begraben wurde er auf dem Friedhof Montparnass in einem Armengrab, das nach fünf Jahren der Einebnung anheim fiel.
Lamarck gilt als der größte Zoologe und Botaniker an der Schwelle des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche wichtige wissenschaftliche Arbeiten kennzeichnen sein Lebenswerk. Neben Meteorologie, Geologie und Botanik galt sein Hauptinteresse der Zoologie und Paläontologie. Hier führte er ein neues System des Tierreiches ein ("Histoire naturelle animaux sans vertèbres" 1815-1827). Doch war er nicht allein der große Systematiker. Vielmehr galt sein spezielles Augenmerk generellen Problemen der Biologie. In "Recherches sur l
organisation des corps vivants" (1802) und "Philosophie zoologique" (1809) hat er seine teils spekulativen Vorstellungen zusammenfassend dargestellt. Lamarck erkannte, daß alle Klassifizierungssysteme künstlich sind, daß vielmehr eine Abstammungskontinuität besteht. Er postulierte unter Einbeziehung der paläontologischen Befunde, daß letztlich klare Abgrenzungen zwischen den biologischen Taxa nicht existieren könnten, "... daß die Natur die verschiedensten Organismen nacheinander hervorgebracht habe, fortschreitend vom Einfachsten zum Komplizierten...". Damit bestritt er die bis dahin allgemein geltende Konstanz bzw. Unveränderlichkeit der Arten. Er erklärte das Phänomen durch Anpassung von Lebensweisen an sich ändernde Lebens- und Umweltbedingungen und die Übertragung der phänotypischen Abwandlungen auf die Nachkommen. In Konsequenz würden sich alte Strukturen ändern oder durch neue ersetzt. Hypertrophien entstünden durch intensiven Gebrauch, Degeneration durch Nichtgebrauch. Neue Organe könnten aber auch aus einem inneren Bedürfnis als Gegenreaktion auf neue Bedingungen entstehen. Hier bezieht er beispielsweise auch den Menschen ein, in dem er die Entstehung der menschlichen Sprache und des dazu notwendigen Organs, des Kehlkopfes, auf ein Kommunikationsbedürfnis zurückführt. Nach Lamarck sind also die Daseinsbedingungen die treibende Kraft der Evolution, begünstigt durch die großen zur Verfügung stehenden Zeiträume der Erdgeschichte. Seine Überlegungen – beeinflußt offensichtlich durch Buffon und möglicherweise auch durch Erasmus Darwin (1731-1802), dem Großvater von Charles Darwin – wurden zu seiner Zeit wenig beachtet. Sie standen zudem im Schatten der großen Autorität George Cuviers (1769-1832) und seiner Katastrophentheorie. Erst die Überwindung dieser Theorie sowie die epochemachende Arbeit "The Origin of Species" (1859) von Ch. Darwin (1809-1882) führte auch zu verstärkter Auseinandersetzung mit Lamarcks Theorie. Bis in das 20. Jh. fand Lamarck seine Anhänger. Erst die modernen Erkenntnisse der Genetik haben die Diskussion zu Gunsten Darwins bzw. einer modernisierten Auffassung des Darwinismusentschieden. [KOe]
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