Lexikon der Geowissenschaften: Meeresströmungen
Meeresströmungen, stellen Wasserbewegungen im Ozean dar, die im Gegensatz zu Wellen und Turbulenz längere Zeit andauern und sich über ein größeres Gebiet erstrecken ( Abb. ). Man spricht häufig von mittlerenStrömungen, wobei der Mittelungszeitraum der Fragestellung angepaßt werden muß und Tage bis Jahre umfassen kann. Meeresströmungen werden durch den Impulseintrag des Windes (Ekmanstrom) oder durch Druckgradientkräfte, die durch die Neigung der Meeresoberfläche (barotrope Strömung) oder die Schrägstellung der Linien gleicher Dichte (barokline Strömung) bedingt sind, hervorgerufen. Das Zusammenwirken der Kräfte wird in den Bewegungsgleichungen beschrieben. Im Inneren der Ozeane sind die Meeresströmungen weitgehend durch das Kräftegleichgewicht der Geostrophie bestimmt, das einen direkten Zusammenhang zwischen den Strömungs- und Schichtungsverhältnissen bewirkt. Meeresströmungen verursachen durch Advektion Wärme- und Stofftransporte. Sie sind daher die Grundlage der thermohalinen Zirkulation und bewirken die Verteilung von Nährstoffen, gelösten Gasen (z.B. CO2) und Schadstoffen. Deshalb werden sie im Rahmen der Klimaforschung und zur Beschreibung der Funktion von Ökosystemen untersucht. Dazu werden Messungen und Rechnungen mit numerischen Modellen durchgeführt. Meeresströmungen wurden ursprünglich wegen ihrer Bedeutung für die Schifffahrtgemessen, da sie bei langsamen Schiffen einen erheblichen Einfluß auf die Reisedauer haben. Starke Strömungen, z.B. in den Randströmen wie im Golfstrom und im Somalistrom, erreichen Geschwindigkeiten von mehreren m/s, schwache im Inneren der großräumigen Wirbel wenige cm/s. Strömungen wurden auf der Grundlage von Schiffsbeobachtungen zur Auswahl der günstigsten Route ermittelt. Dabei wird der Versatz zwischen dem angesteuerten Punkt, der durch den Kursund dieGeschwindigkeitdes Schiffes im Wasser gegeben ist, und dem tatsächlich erreichten, der durch die Navigation bestimmt wird, berechnet (Besteckversetzung) und daraus die Meeresströmung abgeleitet. Durch die Vielzahl der Schiffsbeobachtungen, die in den hydrographischen Ämtern aufgearbeitet wurden, konnten zuverlässige Karten der Strömungen an der Meeresoberfläche bestimmt werden. Moderne Methoden der Strömungsmessung zeigten, daß Strömungen neben den schon bekannten jahreszeitlichen Variationen auch anderen Fluktuationen mit unterschiedlichen Zeitskalen unterliegen. Sie werden hauptsächlich durch mesoskalige Wirbel und großräumige Wellen, z.B. Rossbywellen und Kelvinwellen, hervorgerufen. Ferner zeigten die Strömungsmessungen, daß Strömungen nicht nur an der Meeresoberfläche, sondern in der ganzen Wassersäule vorhanden sind und sich in Abhängigkeit von der Tiefe in Geschwindigkeit und Richtung ändern. So gibt es unter den Randströmen entgegengesetzte Unterströme, z.B unter dem Golfstrom den Tiefen Westlichen Randstrom. Auch im äquatorialen Stromsystem treten Unterströme auf, die stärker sein können, als die Strömung an der Meeresoberfläche. Meeresströmungen bilden bedingt durch räumliche Verteilung der Antriebskräfte die Küstenform und teilweise durch die Form der Meeresbodentopographie großräumige Systeme. So entstehen durch Passate und Westwinddrift die beckenweiten antizyklonalen subtropischen Wirbel, die jeweils einen intensiven äquatorwärtigen westlichen Randstrom (z.B. Kuroschio) speisen. Am östlichen Rand der Becken sind häufig Randströme zu finden, in denen ebenfalls höhere Strömungsgeschwindigkeiten als in den Wirbeln auftreten. Auch unter den östlichen Randströmen sind häufig entgegengesetzt gerichtete Unterströme zu finden. Zwischen diesen Wirbeln liegt das äquatoriale Stromsystem. Polwärts der subtropischen befinden sich die subpolaren Wirbel (z.B. der Grönlandseewirbel oder der Weddellmeerwirbel). Eine besondere Rolle spielt der Antarktische Zirkumpolarstrom, der die Strömungssysteme der einzelnen Ozeane verbindet und damit die Grundlage der globalen thermohalinen Zirkulation darstellt. Mit abnehmender Intensität der vertikalen Schichtung gewinnen die Strukturen des Meeresbodens zunehmend Einfluß auf Richtung und Geschwindigkeit der Strömung bis an die Meeresoberfläche, was z.B. die Führung von Stromarmen an untermeerischen Rücken bewirken kann.
Strömungsmessungen können mit verankerten Strömungsmessern erfolgen, die Zeitreihen an festen Punkten messen (Eulersche Messung), oder mit Driftkörpern, die der Wasserbewegung folgen und durch ihre Verlagerung die räumliche Verteilung der Strömung aufzeigen (Lagrangesche Messung). Durch die weitgehende Gültigkeit der Geostrophie können aus Messungen der räumlichen Verteilung von Temperatur und Salzgehalt Strömungen berechnet werden. Dabei fehlt meist die Information über die Meeresoberflächenneigung, was zur Annahme eines Referenzniveaus zwingt. Dessen Lage ist normalerweise nicht bekannt, so daß sie mit unterschiedlichem Aufwand bestimmt werden muß. Durch die zunehmende Genauigkeit der Messungen mit Altimetern im Rahmen der Fernerkundung mit Satelliten können Strömungen in Zukunft großflächig bestimmt werden. Durch die Lösung der hydrodynamischen Bewegungsgleichungen mit elektronischen Rechnern können Meeresströmungen mit unterschiedlicher horizontalen und vertikalen Auflösung berechnet werden. [EF]
Literatur: [1] Grant, M. & Gross, E. (1996): Oceanography. A View of Earth. – New Jersey. [2] Schmitz, W. J. (1996): On the World Ocean Circulation. Vol. I. Wood Hole Oceanog. Inst. Tech. Rept. [3] Schmitz, W. J. (1996): On the World Ocean Circulation. Vol. II. Wood Hole Oceanog. Inst. Tech. Rept.
Meeresströmungen: die großräumigen Strömungssysteme der Ozeane: 1) Strömungssystem des Arktischen Mittelmeers, 2) Nordatlantischer Strom und Irmingerstrom, 3) Neufundlandwirbel, 4) Mittelmeerausstrom, 5) Florida- und Golfstromsystem, 6) Azorenstrom und Kanarenstrom, 7) Antillenstrom, 8) äquatoriales Stromsystem, 9) Nordbrasilstrom, 10) Brasilstromsystem, 11) Benguelastromsystem, 12) Agulhasstromsystem, 13) Falkland- oder Malvinasstrom, 14) Weddellmeerwirbel, 15) Antarktischer Küstenstrom, 16) Somalistromsystem und Ostafrikanischer Küstenstrom, 17) Durchstrom des Australasiatischen Mittelmeers, 18) Leeuwinstrom, 19) Madagaskar-, Mosambik- und Westaustralstrom, 20) Antarktischer Zirkumpolarstrom, 21) Kuroschiostromsystem, 22) Alaskawirbel mit Alaskastrom, 23) Kalifornienstrom, 24) Ostaustralstromsystem, 25) Humboldtstrom, 26) Roßmeerwirbel. Meeresströmungen:
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